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Die wichtigsten aktuellen Urteile

08.08.2023
Überdotierung eines Sozialplans

Die Dotierung eines außerhalb eines Insolvenzverfahrens aufgestellten Sozialplans ist für das Unternehmen regelmäßig nicht wirtschaftlich vertretbar, wenn die Erfüllung der Sozialplanverbindlichkeiten zu einer Illiquidität, einer bilanziellen Überschuldung oder einer nicht mehr hinnehmbaren Schmälerung des Eigenkapitals führt. Nichts Gegenteiliges ergibt sich aus § 123 InsO, der weder analoge Anwendung findet, noch als Orientierung dienen kann.

BAG, Beschluss vom 14. Februar 2023 – 1 ABR 28/21

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines durch Einigungsstellenspruch beschlossenen Sozialplans. Die Antragstellerinnen unterhielten bis April 2019 einen Gemeinschaftsbetrieb. Sie erzielten über Jahre negative Ergebnisse, diese wurden zuletzt im Jahr 2015 auf Grundlage eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ausgeglichen. Ab dem Jahr 2017 war das Eigenkapital der Antragstellerinnen verbraucht. Im Oktober 2018 erteilte eine britische Konzerngesellschaft den Antragstellerinnen eine Liquiditätszusage „für eine insolvenzvermeidende Betriebsstillegung“ sowie eine Vorfinanzierungszusage, jeweils in begrenzter Höhe. Nach Kundgabe der geplanten Betriebsstillegung zu Ende April 2019 beschloss eine gerichtlich eingesetzte Einigungsstelle einen Sozialplan. Der Sozialplan wurde mit insgesamt EUR 3 Mio. ausgestattet. Die Arbeitgeberinnen machten geltend, die Einigungsstelle habe mit der Festlegung eines Sozialplanvolumens in Höhe von EUR 3 Mio. ihr Ermessen überschritten. Der Betrag führe zum einen zu einer Überkompensation der den Arbeitnehmern infolge der Betriebsschließung entstehenden Nachteile, zum anderen sei er für die Antragstellerinnen wirtschaftlich nicht vertretbar.

Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerinnen hatte Erfolg. Nach Ansicht des BAG ist der Spruch der Einigungsstelle unwirksam.

Nach § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG hat die Einigungsstelle bei ihrer Entscheidung über einen Sozialplan sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen, als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten.

Im Rahmen ihres Ermessens hat die Einigungsstelle (i) Leistungen zum Ausgleich oder zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile vorzusehen, (ii) dabei die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt sowie die Förderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, (iii) und bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder nach der Durchführung der Betriebsänderung verbleibende Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

Nach Ansicht des BAG führt der im Streit stehende Sozialplan zwar nicht zu einer Überkompensation der wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Arbeitnehmer, das Sozialplanvolumen überschreitet jedoch die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für die Antragstellerinnen. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit richte sich grundsätzlich auch dann nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des sozialplanpflichtigen Arbeitgebers, wenn das Unternehmen einem Konzern angehöre. Stelle die Einigungsstelle einen für mehrere Trägerunternehmen eines Gemeinschaftsbetriebs geltenden Sozialplan auf, der Sozialplanansprüche der Arbeitnehmer nur gegen Vertragsarbeitgeber begründe, müsse dessen Volumen für den jeweiligen Arbeitgeber im Umfang seiner Inanspruchnahme wirtschaftlich vertretbar sein. Es genüge nicht, dass das Gesamtvolumen des Sozialplans für eines der Unternehmen die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit nicht übersteige.

Details: Das ergebe sich aus dem Wortlaut des § 112 Abs. 5 S. 1 und S. 2 Nr. 3 BetrVG „für das Unternehmen“ bzw. „des Unternehmens“ als auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die Entscheidungen von Einigungsstellen berechenbarer und die Sozialplanbelastung kalkulierbarer zu machen sowie im Falle einer Betriebsänderung eine finanzielle Entlastung der Unternehmen zu bewirken und so bestehende Arbeitsplätze zu sichern. Das BAG ließ offen, ob etwas anderes gilt, wenn der Sozialplan eine gesamtschuldnerische Haftung der Trägerunternehmen vorsieht und auch, ob die Einigungsstelle dies überhaupt beschließen kann.

Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit komme es stets auf den Einzelfall an. Zu berücksichtigen sei, ob und welche Einsparungen die Betriebsänderung bringe. Befinde sich ein Unternehmen bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, führe dies nicht generell zur wirtschaftlichen Unvertretbarkeit; sogar in der Insolvenz seien Betriebsänderungen nach § 123 InsO sozialplanpflichtig. Bei der Beurteilung, wie sehr der Sozialplan das Unternehmen belaste und ob er möglicherweise dessen Fortbestand gefährde, seien das konkrete Verhältnis von Aktiva und Passiva und die Liquiditätslage zu berücksichtigen. Es liege keine wirtschaftliche Vertretbarkeit mehr vor, wenn die Erfüllung der Sozialplanverbindlichkeiten zu einer Illiquidität, einer bilanziellen Überschuldung oder einer nicht mehr hinnehmbaren Schmälerung des Eigenkapitals führe. Das gelte auch, wenn ein Unternehmen seinen einzigen Betrieb stilllege und deshalb nach der Durchführung der Betriebsänderung keine Arbeitsplätze mehr vorhanden seien. Denn auch bei vollständiger Betriebsstillegung bestehe das Unternehmen als Rechtsträger des Betriebs fort. Das BAG ließ dabei offen, ob diese Grundsätze auch bei Liquidation des Unternehmens nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG Anwendung finden.

Nach diesen Grundsätzen sei im vorliegenden Fall die finanzielle Belastung durch den Sozialplan schon wirtschaftlich unvertretbar, weil die Antragstellerinnen finanziell überschuldet gewesen seien und es ihnen an einer ausreichenden Liquidität gefehlt habe, um die Sozialplanverbindlichkeiten bedienen zu können. Auch aus der Liquiditätszusage und der Vorfinanzierungszusage der britischen Konzerngesellschaft, die in der Höhe begrenzt waren, hatten sich keine hinreichenden liquiden Mittel ergeben. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei auch § 123 InsO nicht analog anwendbar, die dortigen Regelungen fänden außerhalb des Insolvenzverfahrens keine Anwendung. Die spezialgesetzliche Regelung des § 123 InsO könne daher auch nicht als Orientierung bei der Dotierung von Sozialplänen außerhalb des Insolvenzverfahrens dienen.

Die Ermessenüberschreitung der Einigungsstelle in Bezug auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit des Sozialplanvolumens führe im konkreten Fall nach dem § 139 BGB zugrundeliegenden Rechtsgedanken zur Unwirksamkeit des gesamten Einigungsstellenspruchs.

Praxishinweise

  • Das BAG hält an seiner Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans fest und entwickelt diese fort. Zu betonen ist, dass sich die wirtschaftliche Vertretbarkeit – auch im Konzern – nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des sozialplanpflichtigen Arbeitgebers richtet. Die wirtschaftliche Lage des Konzerns spielt also – anders als in Verhandlungen mit Betriebsräten häufig geltend gemacht – keine Rolle. Zur Frage eines so genannten Bemessungsdurchgriffs auf Konzernobergesellschaften, etwa BAG 24. August 2004 – 1 ABR 23/03.
  • Offengelassen hat das BAG, ob die Einigungsstelle für die Aufstellung des für beide Antragstellerinnen geltenden Sozialplans zuständig war. Beide haben eine Betriebsänderung in Form einer Stilllegung ihres Gemeinschaftsbetriebs vorgenommen. Ob es aber in diesem Fall für die Erzwingbarkeit eines solchen Sozialplans genügt, wenn dort in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind oder ob es darauf ankommt, dass jedes Trägerunternehmen die erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern beschäftige, bedurfte keiner Entscheidung. Die Frage ist in der Literatur umstritten und bleibt weiter ungeklärt.

08.08.2023
Neues zum Annahmeverzug

Arbeitgeber können einen Annahmeverzug im Kündigungsschutzverfahren nicht dadurch vermeiden, dass sie dem Arbeitnehmer zusammen mit der außerordentlichen Kündigung ohne Weiteres die Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahren anbieten.

BAG, Urteil vom 29. März 2023 – 5 AZR 255/22 (Besprechung auf Basis der Pressemitteilung)

Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten als Technischer Leiter beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt betrug EUR 5.250. Nachdem sich die Parteien nicht auf Bedingungen einer einvernehmlichen Trennung einigen konnten, sprach die Beklagte mit einem Schreiben vom 2. Dezember 2019 eine fristlose Änderungskündigung aus. Sie bot dem Kläger einen neuen Arbeitsvertrag als Softwareentwickler zu deutlich verringerten Bezügen an. In dem Kündigungsschreiben teilte die Beklagte wörtlich mit: „Im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch Sie (also im Falle, dass Sie von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehen) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwarten wir Sie am 05.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Dienstantritt“. Der Kläger lehnte das Änderungsangebot ab und erschien nicht zur Arbeit. Darauf kündigte die Beklagte mit einem Schreiben vom 14. Dezember 2019 das Arbeitsverhältnis erneut außerordentlich zum 17. Dezember 2019 um 12:00 Uhr MEZ. Ferner wies sie darauf hin, sie erwarte den Kläger „im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung […] am 17.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr MEZ zum Dienstantritt“. Der Kläger erschien wiederum nicht. Für Dezember 2019 zahlte die Beklagte nur noch eine Vergütung von EUR 765,14. Der Kläger fand am 1. April 2020 eine neue Anstellung.

In dem von ihm angestrengten Kündigungsschutzverfahren machte der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigungen und die Zahlung rückständiger Vergütung aus Annahmeverzug geltend. Das Arbeitsgericht Leipzig und das Landesarbeitsgericht Sachsen stellten übereinstimmend fest, dass beide Kündigungen das Arbeitsverhältnis nicht beenden konnten. Sie seien gemessen an § 626 Abs. 1 BGB unwirksam. Durch das Weiterbeschäftigungsangebot habe die Beklagte selbst widerlegt, dass jede Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger unzumutbar ist. Andererseits verneinten beide mit der Klage befassten Instanzgerichte einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Vergütung. Dieser stehe dem Kläger nicht zu, weil er nicht i. S. v. § 297 BGB leistungswillig und die Beklagte mit der Annahme seiner Dienste daher nicht in Verzug geraten sei.

Entscheidung

Die nachträglich zugelassene Revision des Klägers hatte Erfolg. Nach Ansicht des BAG ist ein Anspruch des Klägers auf Zahlung rückständiger Vergütung begründet. Die Beklagte schulde diese aus Annahmeverzug. Mit der Annahme der Dienste sei die Beklagte in Verzug geraten, obwohl der Kläger die Weiterbeschäftigungsangebote abgelehnt hatte. Letztere habe die Beklagte offenkundig nicht ernst gemeint. Dafür spreche eine „tatsächliche Vermutung“, die das BAG mit der Widersprüchlichkeit des Verhaltens der Beklagten begründet: Indem sie das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte, habe die Beklagte signalisiert, ihr sei jede Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Der Kläger habe die Weiterbeschäftigungsangebote der Beklagten daher nicht ernst nehmen müssen. Aus deren Ablehnung könne nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Klägers i. S. v. § 297 BGB geschlossen werden. Umstände, welche die „tatsächliche Vermutung“ der Nichternstlichkeit entkräften, habe die Beklagte nicht dargelegt.

Praxishinweise

  • Der 5. Senat des BAG entwickelt seine Rechtsprechung zum Annahmeverzug weiter.
  • ​Während dies in den Urteilen I. und II. Instanz nur angedeutet ist, legt die Pressemitteilung des BAG nahe, dass mindestens eine der im Revisionsverfahren nicht mehr streitbefangenen Kündigungen auf verhaltensbezogenen Vorwürfen beruhte. Indem die beklagte Arbeitgeberin die außerordentlichen Kündigungen – offenbar, um das Annahmeverzugsrisiko auszuschließen – mit einem Weiterbeschäftigungsangebot verband, machte sie einen „Kardinalfehler“. Die außerordentliche Kündigung setzt voraus, dass dem Arbeitgeber jede, sei es auch nur eine kurzzeitige Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (zu unveränderten Bedingungen) unzumutbar ist. Damit ist ein Angebot zur Weiterbeschäftigung (zu bisherigen Bedingungen) im Grundsatz unvereinbar. Eine Ausnahme ist denkbar, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzverfahren einen Weiterbeschäftigungsantrag stellt, diesem erstinstanzlich stattgegeben wird und sich der Arbeitgeber der Entscheidung zur Abwendung der angekündigten Zwangsvollstreckung (vorläufig) beugt.
  • Die vorgestellte Entscheidung des 5. Senats behandelt die vergütungsrechtlichen Folgen einer widersprüchlichen Kündigungserklärung nach außerordentlicher Arbeitgeberkündigung. Die in der Pressemitteilung wiedergegebene Begründung deutet eine relativ spitzfindige Differenzierung an. Verbindet der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung mit einem Weiterbeschäftigungsangebot, ist das Verhalten nach Ansicht des BAG in zweifacher Hinsicht widersprüchlich. Einerseits widerspricht das Weiterbeschäftigungsangebot der sofortigen Unzumutbarkeit (vgl. den dargestellten Zusammenhang unter Praxishinweise, Abschnitt 2). Andererseits widerspricht die Kündigungserklärung dem ernsthaften Willen zur Weiterbeschäftigung. Für den Arbeitgeber ist das doppelt nachteilhaft: Die Kündigung ist unwirksam und er in Annahmeverzug.
  • Die vorgestellte Entscheidung verdeutlicht die Risiken, die das Angebot einer so genannten Prozessbeschäftigung birgt. Jedenfalls im Zusammenhang mit einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung ist sie kein probates Mittel, um Forderungen aus Annahmeverzug abzuwehren. Zumal es § 11 Nr. 2 KSchG gibt. Danach muss sich der gekündigte Arbeitnehmer einen böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienst auf den Annahmeverzugslohn anrechnen lassen. Der 5. Senat hat im vergangenen Jahr klargestellt, dass für die insofern erforderliche Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen auch eine Verletzung der Meldeobliegenheit des Arbeitnehmers nach § 38 Abs. 1 SGB III zu berücksichtigen ist (Az. 5 AZR 30/22). Der Arbeitgeber hat nach einer Entscheidung aus dem Jahr 2020 (Az. 5 AZR 387/19) außerdem einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitnehmer über erhaltene Vermittlungsvorschläge von der Agentur für Arbeit. Die Auskunft erstreckt sich auf die Vermittlungsvorschläge unter Nennung von Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung. Dieser Anspruch stand im Mittelpunkt einer aufsehenerregenden Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. September 2022 (Az. 6 Sa 280/22). Das Landesarbeitsgericht wertete dort die geringe Quantität und Qualität erfolgter Bewerbungen des Arbeitnehmers als ein Indiz, das für ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes spreche. Eine Anzahl von 103 Bewerbungen über einen Zeitraum von 29 Monaten (also weniger als einer Bewerbung pro Woche) sah das Landesarbeitsgericht als Indiz für fehlende Bewerbungsbemühungen des gekündigten Arbeitnehmers an. Es verlangte vom Arbeitnehmer Bewerbungsbemühungen im zeitlichen Umfang einer Vollzeitstelle. Kann der Arbeitgeber solche Indizien auf die erteilte Auskunft anführen, muss der Arbeitnehmer umfangreich im Prozess begründen, warum seine Bewerbungsbemühungen im Einzelfall doch ausreichend gewesen sein sollen und/oder eine anderweitige Erwerbstätigkeit unzumutbar gewesen sein soll.


Für weitere Informationen zum Annahmeverzug im Kündigungsschutzverfahren, sehen Sie hier unseren Video-Beitrag: Neue Spielregeln für Abfindungsverhandlungen?

08.08.2023
Sanktionssystem für Fehler im Massenentlassungsverfahren auf dem Prüfstand

Das vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entwickelte Sanktionssystem für Fehler im Massenentlassungsverfahren gemäß § 17 KSchG könnte unverhältnismäßig sein, da es möglicherweise nicht im Einklang mit dem Massenentlassungsschutz steht, wie er durch die europäische Massenentlassungsrichtlinie (MERL) vermittelt wird.

BAG, Beschluss vom 11. Mai 2023 – 6 AZR 157/22 (Besprechung auf Basis der Pressemitteilung)

Sachverhalt

Der Kläger arbeitete für ein Großhandelsunternehmen. Bis September 2020 beschäftigte dieses 25 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat bestand nicht. Am 1. Dezember 2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmens eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte legte den Betrieb still und kündigte innerhalb von 30 Tagen mindestens 10 Arbeitnehmern, unter anderem dem Kläger betriebsbedingt. Eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1 KSchG war vor den Kündigungen nicht erstattet worden. Der Beklagte vertrat dazu die Ansicht, es habe mangels einer „Massenentlassung“ im Sinne von § 17 Abs. 1 (Nr. 1) KSchG keiner entsprechenden Anzeige bedurft, da aufgrund von Aufhebungsverträgen und Eigenkündigungen am Stichtag bei der Insolvenzschuldnerin weniger als 21 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg hat die gegenüber dem Kläger erklärte Kündigung wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 KSchG, § 134 BGB für unwirksam gehalten und seiner Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Entscheidung

  1. Im derzeit anhängigen Revisionsverfahren teilt das BAG die Auffassung des LAG, die streitbefangene Kündigung sei unter Verstoß gegen § 17 Abs. 1 KSchG erklärt worden.

    Details: Der Beklagte habe die in § 17 Abs. 1 KSchG vorgesehenen Schwellenwerte nicht zutreffend ermittelt. Die für § 17 Abs. 1 KSchG entscheidende Betriebsgröße sei zum Zeitpunkt der vom Beklagten ausgesprochenen Kündigungen noch erreicht gewesen. Entscheidend für die Ermittlung der personellen Betriebsstärke sei das in § 17 Abs. 1 KSchG enthaltene Tatbestandsmerkmal „in der Regel“. Dieses enthalte weder eine Stichtagsregelung noch verlange es eine Durchschnittsbetrachtung. Vielmehr stelle es auf die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer ab, die für den gewöhnlichen Ablauf des betreffenden Betriebs kennzeichnend seien. Hierfür sei rückblickend der bisherige Personalbestand von Bedeutung sowie – sofern der Betrieb nicht stillgelegt werde – eine Einschätzung der Entwicklung in der Zukunft. Nicht zu berücksichtigen seien dagegen außergewöhnlich hohe oder niedrige Geschäftsgänge.
  2. Das BAG hat allerdings Zweifel, ob der Verstoß gegen § 17 Abs. 1 KSchG die Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung zur Folge hat. Dies bejaht das Gericht bisher. Eine Kündigung, die Teil einer Massenentlassung sei, jedoch entgegen § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG nicht angezeigt werde, sei gemäß § 134 BGB unwirksam. Das gelte auch, wenn der Arbeitgeber (oder hier: der Insolvenzverwalter) die Betriebsgröße irrtümlich falsch ermittelt habe.

    Das vom BAG bisher befürwortete Sanktionssystem steht jedoch möglicherweise nicht im Einklang mit dem Massenentlassungsschutz, wie er durch die MERL vermittelt wird, und könnte deshalb unverhältnismäßig sein. Zweifel erwachsen aufgrund der Erwägungen des Generalanwalts beim EuGH in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-134/22 vom 30. März 2023. Vor diesem Hintergrund hat der Sechste Senat des BAG das Verfahren nach Anhörung der Parteien bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-134/22 in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt, um auf Grundlage der zu erwartenden Vorabentscheidung die Folgen bei Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG bestimmen zu können.

Praxishinweise

  1. Der Sechste Senat des BAG hat den EuGH im Rahmen des erwähnten Vorabentscheidungsverfahrens (Rechtssache C-134/22) gemäß Art. 267 AEUV mit der Frage angerufen, welchem Zweck Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 MERL, auf dem § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG beruht, dient. In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Arbeitgeber der zuständigen Agentur für Arbeit entgegen § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG keine Abschrift der das Konsultationsverfahren (§ 17 Abs. 2 KSchG) einleitenden Mitteilung an den Betriebsrat zugeleitet.
  2. Von der Antwort des EuGH hängt ab, ob die in § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG geregelte Zuleitungspflicht als eine Vorschrift zum Arbeitnehmerschutz angesehen werden kann, was es rechtfertigen würde, § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG als Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB einzuordnen. Anders gesagt: Nur, wenn § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG (in Umsetzung von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 MERL) dem Schutz der von einer Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer dient, könnte die Annahme der Unwirksamkeit der Kündigung plausibel sein. Die MERL ordnet sie selbst nicht an.
  3. In seinen Schlussanträgen vom 30. März 2023 vertritt der Generalanwalt beim EuGH die Ansicht, Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 MERL sei nicht individualschützend, vielmehr verschaffe die Bestimmung „ähnlich wie“ Art. 3 Abs. 1 MERL/§ 17 Abs. 1 KSchG, der die Pflicht zur Anzeige der geplanten Entlassungen vorgibt, einen kollektiven Schutz.
  4. Das Thema hat große Praxisrelevanz. Fehler im Konsultationsverfahren und unrichtige Massenentlassungsanzeigen haben – nach geltender Rechtsprechung des BAG – in der Regel die Unwirksamkeit aller arbeitgeberseitig veranlassten Kündigungen und Aufhebungsverträge zur Folge. Schließt sich der EuGH den Überlegungen des Generalanwalts in der Rechtssache C-134/22 in den Schlussanträgen vom 30. März 2023 an, stellt sich das vom BAG entwickelte Sanktionssystem für Fehler des Arbeitgebers im Massenentlassungsverfahren als (teleologisch) überholt dar. Die vom BAG im besprochenen Aussetzungsbeschluss gezeigte Zurückhaltung ist daher sehr zu begrüßen.

23.05.2023
Europäischer Gerichtshof entscheidet über Urlaubsverfall bei Altersteilzeit

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Urlaubstage des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht verfallen, wenn ein Arbeitnehmer den Urlaub vor seiner Freistellung im Rahmen der Altersteilzeit erkrankt und den Urlaub deshalb nicht mehr nehmen konnte. Das Urteil vom 27. Mai 2023 – C-192/22 (Bayerische Motoren Werke) können Sie hier auf der Website des EuGH herunterladen. Im Folgenden geben wir eine Zusammenfassung und ordnen das Urteil aus Arbeitgebersicht ein.

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer hatte mit seinem Arbeitgeber eine Altersteilzeitregelung im Blockmodell vereinbart. Dieser zufolge arbeitete er drei Jahre und vier Monate lang Vollzeit bei vermindertem Gehalt (Arbeitsphase), um dann drei Jahre und vier Monate lang in die sogenannte Freistellungsphase zu wechseln, während er weiterhin das entsprechende Gehalt erhielt. Während der Arbeitsphase stand ihm der volle Urlaubsanspruch zu. Er wollte diesen zum Ende der Arbeitsphase im Mai 2016 vollständig aufbrauchen und hatte die Urlaubstage auch schon vom Arbeitgeber genehmigt bekommen. Dann erkrankte der Arbeitnehmer jedoch und konnte den Urlaub bis zum Eintritt in die Freistellungsphase tatsächlich nicht mehr nehmen. Am Ende der Freistellungsphase endete vereinbarungsgemäß das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer verlangte Abgeltung der im Jahr des Eintritts in die Freistellungsphase offen gebliebenen Urlaubstage. Der Arbeitgeber verweigerte die Abgeltung und machte geltend, die Urlaubstage seien in Anwendung der tarifvertraglichen und gesetzlichen Erlöschensregeln zum Ende März des auf die Freistellung folgenden Jahres verfallen.

Entscheidung

Die Klage des Arbeitnehmers wurde bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) betrieben, das dem EuGH die Frage vorlegte, ob ein Verfall mit europäischem Recht vereinbar sei. Der EuGH hat diese Frage mit dem vorliegenden Urteil verneint. Der gesetzliche Mindesturlaub könne nicht verfallen, wenn der Arbeitnehmer infolge Krankheit daran gehindert war, ihn zu nehmen. Das gelte jedenfalls dann, wenn es sich nicht um eine „lange Abwesenheit“ handle.

Hinweis: Mit der „langen Abwesenheit“ dürfte der EuGH auf seine Rechtsprechung zum Urlaub bei Langzeiterkrankung anspielen, wonach Urlaubsansprüche bei dauerhaft arbeitsunfähig Erkrankten 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfallen können. Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor.

Das Urteil muss nun vom BAG für den konkreten Fall umgesetzt werden. Das BAG wird aller Voraussicht nach entscheiden, dass die übrig gebliebenen gesetzlichen Mindesturlaubsansprüche (es ging dabei um zwei zweidrittel Tage) durch den Arbeitgeber abzugelten sind, zumal sie ja nicht mehr als Freistellungsansprüche gewährt werden können.

20.04.2023
Urteil des Europäischen Gerichtshof zur nationalen Umsetzung des Art. 88 DS-GVO

Der EuGH hat mit Urteil vom 30. März 2023 – C-34/21 entschieden, dass eine nationale Rechtsvorschrift nur eine „spezifischere Vorschrift“ i. S. v. Art. 88 Abs. 1 DS-GVO ist, wenn sie die Vorgaben des Art. 88 Abs. 2 DS-GVO erfüllt. Nationale Vorschriften zur Verarbeitung von Beschäftigtendaten müssen unangewendet bleiben, wenn sie nicht die in Art. 88 Abs. 1 und 2 DS-GVO vorgegeben Voraussetzungen beachten, es sei denn sie stellen eine Rechtsgrundlage i. S. d. Art. 6 Abs. 3 DS-GVO dar.

Sachverhalt

In dem Rechtsstreit, der dem Vorabentscheidungsersuchen zu Grunde liegt, ging es darum, ob Unterricht per Videokonferenz-Livestream ohne Einwilligung der Lehrkräfte in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zulässig ist. Das Hessische Kultusministeriums vertrat die Auffassung, die Verarbeitung personenbezogener Daten der Lehrkräfte beim Livestreamunterricht sei von § 23 Abs. 1 S. 2 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes (HDSIG) gedeckt und könne daher ohne Einwilligung erfolgen. Der Artikel entspricht dem § 26 Abs.1 S.1 BDSG.

Entscheidung des EuGH

Nach Auffassung des EuGH ist Art 88 Abs. 1 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass eine Rechtsvorschrift, um als spezifischere Vorschrift i. S. d. Art. 88 Abs. 1 DS-GVO eingestuft werden zu können, die Vorgaben von Art. 88 Abs. 2 DS-GVO erfüllen müsse. Art. 88 Abs. 2 DS-GVO erfordere, dass die auf der Grundlage von Art. 88 Abs. 1 DS-GVO erlassenen Vorschriften geeignete und besondere Maßnahme zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person, insbesondere im Hinblick auf die Transparenz der Verarbeitung, die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Unternehmen, die eine gemeinsame Wirtschaftstätigkeit ausüben, und die Überwachungssysteme am Arbeitsplatz, umfassen müssen.

Keine reinen Wiederholungen der DS-GVO

Aus dem Wortlaut des Art. 88 DS-GVO ergebe sich, dass Art. 88 Abs. 2 DS-GVO dem Ermessen der Mitgliedstaaten beim Erlass „spezifischere Vorschriften“ gem. Art. 88 Abs. 1 DS-GVO einen Rahmen setze. Diese Vorschriften dürfen sich daher nicht auf eine Wiederholung der Bestimmungen des DS-GVO beschränken, sondern müssen auf den Schutz der Rechte und Freiheiten der Beschäftigten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext abzielen und geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Personen umfassen. Zudem sei insbesondere im Hinblick auf die Transparenz der Verarbeitung, die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Unternehmen, die eine gemeinsame Wirtschaftstätigkeit ausüben, und die Überwachungssysteme am Arbeitsplatz, vorzugehen.

Wie vom Generalanwalt in seinen Schlussanträgen ausgeführt, könne die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, „spezifischer Vorschriften“ zu erlassen, dazu führen, dass es in deren Anwendungsbereich zu einem Bruch in der Harmonisierung der nationalen Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten komme. Art. 88 Abs. 2 DS-GVO spiegele die Grenzen in Kauf genommenen Differenzierung dahin wider, dass der Bruch in der Harmonisierung nur zulässig sein könne, wenn die verbleibenden Unterschiede mit besonderen und geeigneten Garantien zum Schutz der Rechte und Freiheiten der Beschäftigten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext einhergehen.

Dabei könne nur das für die Auslegung des nationalen Rechts allein zuständige Gericht beurteilen, ob die in Rede stehenden Bestimmungen Art. 88 DS-GVO entsprechen. Wie der Generalanwalt festgestellt habe, scheinen die in Streit stehenden Bestimmungen die Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten davon abhängig zu machen, dass diese zu bestimmten Zwecken erforderlich sein müsse, die bereits in Art. 6 Abs. 1b DS-GVO aufgestellte Bedingungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung zu wiederholen, ohne eine spezifischere Vorschrift hinzuzufügen. Sollte das vorlegende Gericht zu der Feststellung gelangen, dass bei den in Rede stehenden Bestimmungen die in Art. 88 DS-GVO vorgegebenen Voraussetzungen nicht beachtet seien, finden diese Bestimmungen grundsätzlich keine Anwendung. Die Verarbeitung von Beschäftigtendaten werde dann unmittelbar durch die DS-GVO geregelt.

Folgen der Entscheidung

§ 23 Abs. 1 S. 1 HDSIG entspricht § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG, der ebenfalls für die Zulässigkeit der für die Verarbeitung von Beschäftigtendaten auf die „Erforderlichkeit“ abstellt. Aus dem Urteil des EuGH lassen sich keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Anwendbarkeit von § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG im Beschäftigtenkontext herleiten. Das Vorabentscheidungsersuchen betraf die Regelung des Hessischen Landesdatenschutzrechts zur Verarbeitung von Beschäftigtendaten. Zudem hat der EuGH klargestellt, dass es allein Sache des national zuständigen Gerichts sei, zu beurteilen, ob die in Rede stehende Vorschrift eine spezifischere Vorschrift i. S. d. Art. 88 Abs. 1 DS-GVO darstellen könne.

DS-GVO als Rechtsgrundlage

Kann eine nationale Vorschrift nach Einschätzung des zuständigen Gerichts nicht als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten herangezogen werden, finden die Bestimmungen der DS-GVO unmittelbar Anwendung. Dazu gehören insbesondere Art. 6 Abs. 3 DS-GVO in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1c DS-GVO (Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung) oder e DS-GVO (öffentliches Interesse) DS-GVO sowie f DS-GVO (Wahrnehmung berechtigter Interessen. Die übrigen Inhalte des § 26 BDSG, wie die Aufklärung von Straftaten nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG, die erweiterten Anforderungen an die Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis nach § 26 Abs. 2 BDSG sowie die Verarbeitung auf Grundlage von Kollektivvereinbarungen nach § 26 Abs. 3 BDSG sind aber nicht von der EuGH-Rechtsprechung betroffen.

Empfehlung des BayLDA

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht empfiehlt aber, die Verarbeitung von Beschäftigtendaten zu Zwecken der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses alleine auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. b DS-GVO zu stützen bzw. (weiterhin) jedenfalls § 26 Abs. 1 BDSG nicht als alleinige Grundlage für eine Datenverarbeitung zu benennen, sondern nur explizit „i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Buchst. b DS-GVO“.

Archiv

08.03.2023
Bundesarbeitsgericht: Urlaubsabgeltung unterliegt Verjährung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 456/20 klargestellt, dass der Abgeltungsanspruch von Arbeitnehmer*innen für Resturlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Verjährung unterliegt. Das war auch bisher schon die ständige Rechtsprechung des Gerichts. Grundsätzlich unterliegen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis der dreijährigen Regelverjährungsfrist nach § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Neu ist, dass das BAG die Verjährung ausdrücklich auch dann anwendet, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses nicht auf dessen Urlaubsansprüche hingewiesen und ihn aufgefordert hat, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Für das Versäumen dieser sogenannten Mitwirkungsobliegenheit war unsicher gewesen, ob der Abgeltungsanspruch trotzdem verjähren könne. Das hat das BAG nun bejaht.

Die Pressemitteilung zum Urteil finden Sie hier auf der Website des BAG (Hinweis: Die ausführlichen Entscheidungsgründe von BAG-Urteilen erscheinen gewöhnlich erst mehrere Monate nach der Verkündung).

Sachverhalt

Der Kläger war von 2010 bis 2015 bei der Beklagten als Ausbildungsleiter in deren Flugschule angestellt. Er hatte in diesen Jahren seinen Urlaub von jeweils 30 Tagen nicht genommen. Die Beklagte hatte ihn nicht auf seinen Urlaubsanspruch hingewiesen. Der Kläger erhob im August 2019 Klage auf Abgeltung seines Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2015.

Entscheidung des BAG

Das BAG entschied, dass der Kläger noch einen Abgeltungsanspruch aus den Jahren 2010 bis 2014 geltend machen könne, der Anspruch aus 2015 hingegen verjährt sei. Diese eher kontraintuitive Unterscheidung erreicht es über sein Verständnis von Vertrauensschutz: Der Kläger konnte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht wissen, dass er eventuell noch Anspruch auf Resturlaub aus 2010 bis 2014 hat, weil damals die Rechtsprechung des BAG dahin ging, den Urlaub am Jahresende ohne weiteres erlöschen zu lassen. Erst mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 6. November 2018 – C-684/16 (Rs. Max-Planck-Gesellschaft) habe man ahnen können, dass noch abgeltungsfähiger Resturlaub vorhanden sei. Deshalb könne die Verjährung erst dann beginnen. Da der Kläger innerhalb von drei Jahren seit 2018 seine Klage erhoben habe, konnte dieser Urlaubsanspruch noch nicht verjähren. Hingegen hätte der Kläger seinen Abgeltungsanspruch zum Urlaub aus 2015 nach damaligem Stand schon im selben Jahr einklagen müssen und sei daher diesbezüglich nicht schutzwürdig. Dieser Urlaub sei deshalb verjährt.

Implikationen für Arbeitgeber

Der vom BAG gewährte Vertrauensschutz angesichts der Rechtsprechungsänderung ab 2018 bedeutet im Ergebnis, dass Arbeitnehmer*innen ihre Resturlaubsansprüche aus lange zurückliegenden Jahren noch als Abgeltungsansprüche geltend machen können, sofern sie spätestens im Jahr 2021 Klage darauf erhoben haben. Spätere Klagen können hingegen nur Urlaubsansprüche erfassen, die aus maximal drei Urlaubsjahren vorher stammen.

Die Übertragung von Urlaubsansprüchen tritt weiterhin nur ein, sofern der Arbeitgeber es versäumt hat und auch jetzt nicht nacholt, den Arbeitnehmer auf die Urlaubsansprüche hinzuweisen und aufzufordern, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Erfüllt der Arbeitgeber diese Obliegenheit, erlischt der Urlaub grundsätzlich am Ende des Jahres.

Parallelentscheidung zu Ausschlussklauseln

In einer Parallelentscheidung vom selben Tag hat das BAG dieselben Grundsätze auf eine tarifvertragliche Ausschlussklausel angewandt (BAG 31. Januar 2023 – 9 AZR 244/20). Das Erlöschen des Abgeltungsanspruchs durch Verstreichenlassen der in der Klausel vorgesehenen Verfallfrist sei bis zur Entscheidung des EuGH aus 2018 gehemmt. Für Ausschlussklauseln tut sich damit ein recht kurzes kritisches Zeitfenster ab dem 6. November 2018 auf. Hat der Arbeitnehmer kurz danach Klage erhoben, kann er lange zurückliegende Urlaubsabgeltungsansprüche geltend machen. Heute hingegen nicht mehr, zumal die vereinbarten Verfallfristen in der Regel nur wenige Monate lang sind. Implizit bestätigt das BAG mit dieser Entscheidung auch noch einmal die Wirksamkeit und Anwendbarkeit solcher Verfallfristen auf Urlaubsabgeltungsansprüche. Die Pressemitteilung zu diesem Urteil finden Sie hier auf der Website des BAG.

13.07.2022
Sozialversicherungspflicht in einer Rechtsanwaltsgesellschaft nicht ausgeschlossen

Rechtsanwälte, die als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft tätig sind, können aufgrund abhängiger Beschäftigung sozialversicherungspflichtig sein. Dies ist nicht von vornherein deshalb ausgeschlossen, weil Rechtsanwälte unabhängige Organe der Rechtspflege sind. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Das hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts am 28. Juni 2022 entschieden und damit die Revisionen von fünf Rechtsanwälten zurückgewiesen (Aktenzeichen B 12 R 4/20 R).

Entscheidung

Bei Rechtsanwaltsgesellschaften kommt es – wie allgemein bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung – für die Frage einer Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung der Gesellschafter-Geschäftsführer darauf an, ob sie über die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht verfügen, die Geschicke des Unternehmens zu bestimmen. Etwas anderes gilt nicht für Rechtsanwälte, die in einer Rechtsanwaltsgesellschaft tätig sind. Ganz allgemein schließt die Bundesrechtsanwaltsordnung eine Tätigkeit von Rechtsanwälten in einem Anstellungsverhältnis und damit in abhängiger Beschäftigung nicht aus. Dies gilt auch in einer Rechtsanwaltsgesellschaft, denn die Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung gewährleisten lediglich die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte in ihrer anwaltlichen Tätigkeit. Als Geschäftsführer können sie in das Unternehmen eingegliedert sein und Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegen.

In Anwendung dieser Maßstäbe hat der Senat die Urteile der Vorinstanzen bestätigt und die Revisionen zurückgewiesen. Jeder der fünf Kläger verfügte als Minderheitsgesellschafter mit einem Geschäftsanteil von ursprünglich 20 vom Hundert, später 25 vom Hundert nicht über die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht, die Geschicke der Rechtsanwaltsgesellschaft zu bestimmen. Die Geschäftsführerverträge enthalten zudem typische Regelungen für eine abhängige Beschäftigung.

Quelle: Pressemitteilung 24/2022 des Bundessozialgerichts vom 28. Juni 2022

13.07.2022
Anfechtung einer ausschließlich als Briefwahl durchgeführten Betriebsratswahl während der Corona-Pandemie

Sachverhalt

Im Betrieb B wurde 2020 erstmals ein BR gewählt. Der Wahlvorstand erließ am 09. Juli 2020 (mit Aushang am 10. Juli 2020) ein Wahlausschreiben, wonach die Wahl „aufgrund der unwägbaren Corona-Situation“ nur durch Briefwahl erfolgen sollte. Die Briefwahlunterlagen konnten bis 21. August, 11:00 Uhr, an der Poststelle abgegeben werden. Die Frist zur Einreichung von Vorschlagslisten war auf 24. Juli 2020 festgelegt. Die auch im Wahlvorstand vertretenen Initiatoren der BR-Wahl kandidierten auf einer Liste, die als Liste 2 gegenüber einer weiteren Liste 1 geführt wurde. Die Vertreter der Liste 2 machten Werbung für sich und verwiesen darauf, dass es sich hier um den gewerkschaftlich orientierten Wahlvorstand handle. Am 07. August 2020 wurde die Liste 1 vom Wahlvorstand mit Einverständnis der Listenvertreterin wegen einer nicht wählbaren Bewerberin durch deren Streichung abgeändert, aber zur Wahl zugelassen. Am 04. September 2020 hängte der Wahlvorstand die Wahlniederschrift vom 31. August 2020 aus und führte u. a. die Zahl der abgegebenen ungültigen Stimmen auf, den Vermerk der Nichtberücksichtigung einer Bewerberin „durch Rücktritt“ und eine Aufstellung der Gewählten

Am 11. September 2020 focht der AG die Wahl an. Der Wahlvorstand habe gesetzeswidrig für alle AN Briefwahl angeordnet, was nur für Betriebsteile möglich sei, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt lägen. Der Betrieb sei stets geöffnet gewesen, ein Raum wäre zur Urnenaufstellung geeignet gewesen. In Liste 1 sei eine nicht wählbare Kandidatin aufgeführt gewesen, die Liste sei aber erst am 05. August, also zwei Tage vor Versand der Briefwahlunterlagen geändert worden. Damit sei die Wochenfrist zur Bekanntgabe gültiger Vorschlagslisten nicht eingehalten worden. Auch habe der Wahlvorstand seine Pflicht zur sorgfältigen Aufbewahrung eingegangener Briefwahlumschläge verletzt, da diese bis Abschluss der Stimmabgabe unverschlossen in einer grauen Box in der Poststelle gelagert wurden, so dass Manipulationen nicht auszuschließen seien. Schließlich habe der Wahlvorstand durch die Werbung für Liste 2 Stimmung gegen Liste 1 gemacht und so seine Neutralitätspflichten verletzt. Jeder Sachverhalt mache die Wahl ungültig.

Problematik

Nach § 3 Abs. 1 WO erlässt der Wahlvorstand spätestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe ein Wahlausschreiben, das von der oder dem Vorsitzenden und von einem weiteren stimmberechtigten Mitglied des Wahlvorstands zu unterschreiben ist. Ist die Wahl hier anfechtbar, weil die Mindestfrist von 6 Wochen zwischen dem Aushang des Wahlausschreiben und dem Wahltag nicht eingehalten wurde? Ist die Wahl auch deswegen anfechtbar, weil erst nach Ablauf der Einreichungsfrist ein nicht wählbarer Kandidat ermittelt und erst nachträglich gestrichen wurde und die Liste zugelassen wurde? Darf der Wahlvorstand auf die Aufstellung einer Urne verzichten und für alle AN Briefwahl anordnen? Muss der Wahlvorstand für eingehende Briefwahlstimmen einen Briefkasten oder eine Urne bereitstellen? Ist die BR Wahl anfechtbar, wenn auf einer Vorschlagsliste, auf der auch Kandidaten des Wahlvorstands enthalten sind, Werbung für diese Liste gemacht wird und dabei die Worte „euer Wahlvorstand“ verwendet wird?

Entscheidung des Gericht (Gründe)

Die Beschwerde des Wahlvorstands gegen die entgegenstehende Entscheidung des Arbeitsgerichts war erfolglos. Die durchgeführte Wahl sei anfechtbar.

Die Anfechtung sei schon deswegen begründet, weil der Wahlvorstand die in § 3 Abs. 1 WO vorgeschriebene Frist von sechs Wochen zwischen dem Erlass des Wahlausschreiben und dem Wahltag nicht eingehalten habe. Hier wurde das Wahlausschreiben am 10. Juli 2020 ausgehängt. Als Frist bis zur Abgabe der Briefwahlunterlagen war der 21. August 2020 angeführt. Dieser Zeitpunkt tritt bei allgemeiner Briefwahl an die Stelle des Wahltages. Die Briefwahlunterlagen können bis zum Ende der Wahlzeit beim Wahlvorstand eingereicht werden. Da für die Fristberechnung nach § 41 WO das Fristenregime der §§ 187 ff BGB gelte, sei der 10. Juli 2020 für die Berechnung nicht mitzuzählen, weil es sich beim Aushang um ein „Ereignis“ im Sinne des §§ 187 Abs. 1 BGB handele. Die sechswöchige Mindestfrist begann also am 11. Juli 2020 und endete am 21. August 2020 um 24 Uhr. Die im Wahlausschreiben angegebene Abgabefrist für die Briefwahlstimmen endete aber bereits am 21. August 2020, 11:00 Uhr. Dieser Zeitpunkt liege innerhalb der AZ der Mehrheit der wahlberechtigten AN. Damit sei die gesetzliche Mindestfrist nicht eingehalten. Diese stelle eine wesentliche Vorschrift für das Wahlverfahren dar. Es sei nicht auszuschließen, dass sich die Nichteinhaltung auf das Ergebnis ausgewirkt habe, weil möglicherweise noch Briefwahlunterlagen nach 11:00 Uhr abgegeben wurden und weil ein potenzieller Wähler seine Unterlagen eventuell deswegen nicht mehr abgegeben habe, weil er geglaubt hatte, am Nachmittag des 21. August 2020 sei es schon zu spät.

Die Anfechtung sei auch begründet, weil der Wahlvorstand die Liste 1 nicht unverzüglich nach § 7 Abs. 1 WO geprüft habe. Hätte er die Liste rechtzeitig geprüft, hätte er dem Listenvertreter mitteilen müssen, dass die Liste eine nicht wählbare Kandidatin enthalte und insgesamt ungültig sei. Eine Streichung eines nicht wählbaren Kandidaten durch den Wahlvorstand nach Einreichung der Liste sei in der WO nicht vorgesehen. Daher sei jede Veränderung der Liste nach Unterzeichnung unzulässig mit Ausnahme des Ausscheidens oder Verzichts eines Bewerbers nach Einreichung der Liste beim Wahlvorstand. Hier liege ein schwerwiegender Fehler vor, der das Wahlergebnis offensichtlich auch beeinflusst habe.

Darüber hinaus habe der Wahlvorstand trotz der Möglichkeit der Durchführung einer Präsenzwahl in einem großen Raum Briefwahl für alle AN veranlasst. Der Wahlvorstand habe damit den Grundsatz des Vorrangs der Urnenwahl verletzt. Obligatorische Briefwahl sei nach dem Gesetz nur für räumlich weit entfernte Betriebsteile möglich (§ 24 Abs. 3 WO).

Die Anfechtbarkeit rechtfertige sich auch im Hinblick auf den Verstoß des Wahlvorstands gegen seine Neutralitätspflicht. Hier habe der Wahlvorstand die Werbung durch die Liste 2 mit der Aufschrift „euer Wahlvorstand“ nicht verhindert. Durch diese Werbung entstehe in der Tat der Eindruck, der Wahlvorstand unterstütze diese Liste. Der Wahlvorstand hätte die Werbung für die Liste unter Inanspruchnahme seines missbräuchlich verwendeten Namens und seiner Autorität unverzüglich abstellen müssen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Wähler sich hierdurch haben beeinflussen lassen.

Dagegen liege kein Anfechtungsgrund im Verstoß gegen die Frist zum Aushang der gültigen Vorschlagslisten. Auch dann, wenn Präsenzwahlen mit Urnen stattfinden, können und müssen die Briefwahlunterlagen vorweg versandt werden. Es sei geradezu typisch, dass die Briefwähler die Vorschlagslisten nicht eine Woche vorher im Aushang betrachten können, sondern , dass sie die Briefwahlunterlagen sobald wie möglich erhalten. Ausreichend ist der einwöchige Abstand zum Beginn der Stimmabgabe in Präsenzwahl, der hier mit der Versendung mehr als eine Woche vor Abschluss der Stimmabgabe erfüllt sei. Auch die Anfechtbarkeit wegen Behandlung der eingehenden Briefwahlunterlagen stehe nicht fest. Das Vorhalten einer Box für die Aufbewahrung eingehender Briefwahlunterlagen sei zulässig, wenn diese in der Poststelle aufbewahrt werde und unter Beobachtung der AN der Poststelle stehe. Voraussetzung sei nur, dass die Box mindestens täglich geleert werde und Vorkehrungen getroffen werden für Zeiträume, in denen eine Besetzung durch die Mitarbeiter der Poststelle nicht garantiert sei.

Konsequenzen

Das LAG Nürnberg stellt klar, dass die Betriebsratswahl bei nicht unverzüglicher Prüfung einer eingegangenen Vorschlagsliste durch den Wahlvorstand, bei der erst nach Ablauf der Einreichungsfrist ein nicht wählbarer Kandidat ermittelt wird, bereits aus diesem Grund anfechtbar ist. Dies gilt erst recht, wenn der Wahlvorstand in Absprache mit dem Listenvertreter den nicht wählbaren Kandidaten nachträglich streicht und die Liste zulässt.

Die Nichteinhaltung der Mindestfrist von sechs Wochen zwischen Aushang des Wahlausschreibens und dem Wahltag nach § 3 Abs. 1 WO macht die Wahl anfechtbar. Bei ausschließlicher Briefwahl müssen mindestens sechs Wochen zwischen Aushang des Wahlausschreiben und der Abgabefrist für die Briefwahlunterlagen liegen.

Nur in Einzelfällen ist es zulässig, wenn der Wahlvorstand die Aufstellung einer Urne und für alle AN Briefwahl anordnet. Im Hinblick auf die Pandemie im Sommer 2020 standen einer Urne keine Wahlhindernisse entgegen. Der Wahlvorstand muss für eingehende Briefwahlstimmen keinen Briefkasten oder eine Urne bereitstellen. Werden die Briefwahlstimmen in der Poststelle in einer offenen Box aufbewahrt, die täglich von einem Mitglied des Wahlvorstandes geleert wird, ist dies unschädlich, wenn die Poststelle durchgehend mit hierfür vorgesehenen AN besetzt ist. Erst anschließend sind die Briefwahlstimmen an einem sicheren Ort verschlossen aufzubewahren.

Macht eine Vorschlagsliste, in der Wahlvorstandsmitglieder auch kandidieren, Werbung für diese Liste unter Hinweis auf eine bestimmte Zugehörigkeit, kann dies die AN beeinflussen. Der Wahlvorstand muss unverzüglich alles tun, um die Weiterverwendung der Werbung zu stoppen. Unternimmt er nichts, macht dies die Wahl anfechtbar. Wendet sich der Wahlvorstand als solcher in einer Mail an die AN, darf diese Mail keine Tendenz enthalten, die als Ablehnung einer Liste verstanden werden kann. Auch dieser Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des Wahlvorstands begründet für sich die Anfechtung der Wahl.

Es wurde Nichtzulassungsbeschwerde zum BAG eingelegt, die unter dem AZ 7 ABN 39/22 geführt wird.

13.07.2022
Höchstbetrag einer Sozialplanabfindung

Sachverhalt

Der 1961 geborene Kläger war seit 1987 beim Unternehmen zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von 3.329,39 Euro beschäftigt. 2019 schlossen der AG und der BR einen Sozialplan zur Werksschließung, der festlegte, dass für alle betriebsbedingt gekündigten AN eine nach einem bestimmten Faktor berechnete Abfindung gewährt wird. Die Gesamtabfindung wird auf einen maximalen Höchstbetrag von 75.000 Euro pro AN beschränkt. Für Mitarbeiter, die 62 Jahre und älter am Stichtag des 30. Juni 2019 sind, beträgt der Höchstbetrag 45.000 Euro. Die Kündigung erfolgt unter Freistellung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf den noch zustehenden Urlaub und Zeitguthaben. Am 05. Juni 2019 schlossen die Betriebsparteien außerdem eine BV bezüglich einer Klageverzichtsprämie. Danach können von der Betriebsschließung betroffene AN eine um den Faktor 0,25 höhere Abfindung beanspruchen, wenn sie nach der Kündigung nicht klagen. Der AG kündigte dem AN am 05. Juli 2019 zum 29. Februar 2020. Der AN erhob keine Kündigungsschutzklage. Der AG zahlte ihm eine Sozialplanabfindung in Höhe von 75.000 Euro.

Der AN forderte nunmehr vom AG die Zahlung in Höhe von 27.116,00 Euro brutto, ein Betrag, der seinem Arbeitsentgelt für sieben Monate entspricht. Der AG sei ungerechtfertigt bereichert, da er das auf den Zeitraum seiner Freistellung entfallende Arbeitsentgelt den für den Sozialplan zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln entnommen habe und darüber hinaus durch die Freistellung die Urlaubsabgeltung erspart habe. Darüber hinaus habe er Anspruch auf Zahlung einer Klageverzichtsprämie in Höhe von 26.635,12 Euro sowie einer um 26.213,45 Euro höheren Abfindung aus dem Sozialplan. Die Höchstbetragsregelung gelte nicht für die Klageverzichtsprämie. Im Übrigen benachteilige sie ihn wegen seines Alters und sei daher unwirksam.

Problematik

Gemäß § 75 BetrVG haben AG und BR u. a. darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus verschiedenen Gründen unterbleibt. Hat der AN Anspruch auf die Zahlung des Entgelts? Besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Klageverzichtsprämie in Höhe von 26.635,12 Euro sowie einer um 26.213,45 Euro erhöhten Abfindung aus dem Sozialplan? Gilt die Höchstbetragsregelung für die Klageverzichtsprämie?

Entscheidung des Gericht (Gründe)

Die Revision des AN gegen die entgegenstehenden Entscheidungen des ArbG und des LAG war teilweise erfolgreich. Dem AN stehe die Klageverzichtsprämie von 26.635,12 Euro brutto zu.

Die Auslegung der BV ergebe, dass die Klageverzichtsprämie nicht dem dort geregelten Höchstbetrag unterfalle. Danach können vom Sozialplan betroffene AN mit Anspruch auf Abfindung, auch eine höhere Abfindung beanspruchen, wenn sie nach der Kündigung nicht klagen. Die Formulierung lasse erkennen, dass jeder AN, der die Voraussetzungen der Norm erfülle, für den Klageverzicht eine gegenüber dem Sozialplan höhere Abfindung erhalten solle. Eine Anwendung des Höchstbetrags auch auf die in der BV vorgesehene Leistung liefe dem zuwider, da den bereits von der Kappung ihrer Sozialplanabfindung betroffenen AN, die nicht geklagt haben, keine höhere Abfindung bekämen. Der Umstand, dass die Prämie um 0,25 Prozentpunkte erhöht werde, ergebe nichts anderes. Er bedeute nicht, dass die bei Klageverzicht zu zahlende höhere Abfindung insgesamt der im Sozialplan normierten Deckelung unterfalle.

Auch der Zweck der Klageverzichtsprämie als Gegenleistung für die nicht erhobene Kündigungsschutzklage spreche für die Auslegung. Aus der Bezeichnung der Prämie und den Voraussetzungen ergebe sich, dass ein Anreiz geschaffen werden solle, nicht gegen die Werksschließung durch Klage vorzugehen. Mit Hilfe dieser Gegenleistung ziele die Regelung darauf ab, für den AG alsbald Planungssicherheit über die Beendigung der Arbeitsverhältnissen gekündigter AN zu erzielen sowie das mit Kündigungsschutzklagen verbundene Prozessrisiko zu vermeiden. Der Anreiz zum Klageverzicht werde für den einzelnen AN aber nur gesetzt, wenn er sich auch finanziell auswirke. Daher verfehle eine solche Prämie ihren Zweck, wenn sie die nach dem Sozialplan ohnehin zu zahlende Abfindung für den Arbeitsplatzverlust nicht erhöhte. AN, die trotz Klageverzichts keinen finanziellen Vorteil haben, würden nicht von einer Klageerhebung abgehalten.

Eine andere Auslegung verstieße zudem gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG, der die Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherstelle und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung ausschließe. Sind in einer BV für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Leistungen vorgesehen, müsse die Differenzierung sachlich gerechtfertigt sein. Entscheidend sei der Zweck der Regelung. Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung sei der Gleichheitssatz bereits verletzt, wenn eine Gruppe von AN im Vergleich zu anderen AN anders behandelt werde ohne dass gravierende Unterschiede zwischen den Gruppen bestehen. Eine Berücksichtigung der Klageverzichtsprämie bei der Höchstbetragsregelung des Sozialplans würde ungerechtfertigt zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen differenzieren. AN, deren Sozialplanabfindung bereits ohne oder unter Hinzurechnung der Klageverzichtsprämie den Betrag von 75.000,00 Euro übersteige, erhielten für den Klageverzicht keine oder nur eine geringere finanzielle Leistung als die AN, deren Sozialplanabfindung geringer sei. Diese Ungleichbehandlung wäre, gemessen am Zweck der Prämie, sachlich nicht gerechtfertigt. Der AG würde in allen Fällen, in denen die Gekündigten nicht klagen, die mit der Prämienregelung beabsichtigte Planungssicherheit erlangen, den finanziellen und logistischen Aufwand und das Prozessrisiko bei einer Kündigungsschutzklage vermeiden. Der Umstand, dass den AN nach dem Sozialplan eine unterschiedlich hohe Abfindung als Ausgleich für den Arbeitsplatzverlust zu zahlen sei, rechtfertige die unterschiedliche Behandlung nicht.

Klageverzichtsprämien seien nicht unwirksam, weil sie das Verbot umgehen, Sozialplanleistungen von einem Verzicht des AN auf eine Kündigungsschutzklage abhängig zu machen. Eine Umgehung könne vorliegen, wenn der Sozialplan seine Ausgleichsfunktion für die betroffenen AN nicht ansatzweise erfülle. Zwar können die Betriebsparteien frei entscheiden, welche Nachteile einer Betriebsänderung durch Sozialplanleistungen ausgeglichen werden sollen. Allerdings verfehle der Sozialplan seine Ausgleichsfunktion, wenn er die wirtschaftlichen Nachteile nicht angemessen abmildere. Die frühere Auffassung, dass eine Umgehung auch vorliege, wenn dem für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen zum Nachteil der AN Mittel entzogen und funktionswidrig im Bereinigungsinteresse des AG eingesetzt werden, halte der Senat nicht mehr aufrecht. Die Betriebsparteien können aufgrund ihres weiten Ermessensspielraums entscheiden, ob und in welchem Umfang sie die prognostizierten wirtschaftlichen Nachteile der Betriebsänderung ausgleichen wollen. Es gebe kein an sich für den Sozialplan zur Verfügung stehendes finanzielles Volumen, das funktionswidrig eingesetzt werden könnte. Die Regelung der Klageverzichtsprämie sei nicht zu beanstanden, da der Sozialplan Nachteile ausgleiche. Der Kläger beanspruche sie zurecht.

Konsequenzen

Das BAG stellt klar, dass eine Sozialplanregelung, die einen Abfindungshöchstbetrag festlegt, keine mittelbare Benachteiligung älterer AN gemäß § 75 Abs. 1 BetrVG beinhaltet, wenn die maximal zu zahlende Abfindung die durch den Arbeitsplatzverlust entstehenden Nachteile erheblich abmildert und die Regelung im Rahmen der Abfindungsberechnung nur eine Begrenzung der besonderen Begünstigung dieser Arbeitnehmergruppe infolge ihres Alters und der Betriebszugehörigkeit darstellt. Weiter erklärt es, dass die Betriebsparteien Leistungen, die dem Ausgleich der mit einer Betriebsänderung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile der AN dienen, nicht vom Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig machen dürfen. Sie können aber neben einem Sozialplan eine freiwillige BV schließen, die im Interesse des AG an baldiger Planungssicherheit finanzielle Leistungen dafür vorsieht, dass entlassene AN wegen der Betriebsänderung nicht gerichtlich gegen die Kündigung vorgehen. Es würde gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, wenn die Betriebsparteien vereinbaren, dass eine solche für den Klageverzicht gezahlte Prämien nur dann ausgezahlt wird, soweit die Summe von Sozialplanabfindung und Prämie einen im Sozialplan festgelegten Abfindungshöchstbetrag nicht übersteigt. AG und BR dürfen durch die Vereinbarung einer Klageverzichtsprämie nicht das Verbot umgehen, Sozialplanabfindungen von einem entsprechenden Verzicht abhängig zu machen. Eine solche Umgehung kann vorliegen, wenn der geschlossene Sozialplan den Zweck, die wegen der Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen AN auszugleichen oder abzumildern, nicht ansatzweise erfüllt. Der Senat hält nicht mehr an der Rechtsprechung fest, dass eine Umgehung auch dann gegeben sein kann, wenn dem an sich für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen zum Nachteil der von der Betriebsänderung betroffenen AN Mittel entzogen und funktionswidrig im Bereinigungsinteresse des AG eingesetzt werden.

24.05.2022
BVerfG: Einrichtungsbezogene Impfpflicht ist verfassungsgemäß

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 19. Mai 2022 – 1 BvR 2649/21 entschieden, dass die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht verfassungsgemäß ist. Durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht werden Beschäftigte in Settings mit besonders vulnerablen Personengruppen, also Arztpraxen, Krankenhäusern, Pflegeheimen etc. verpflichtet, einen Impf- oder Genesenennachweis zum Coronavirus vorzulegen. Widrigenfalls dürfen sie ihre Tätigkeit dort nicht weiter ausüben. Die Pressemitteilung und den Beschluss im Langtext finden Sie hier auf der Website des BVerfG , im Folgenden geben wir eine Zusammenfassung.

Sachverhalt

Im Dezember 2021 hatte der Bund mit § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine mittelbare Impfpflicht für Beschäftigte in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen geschaffen. Wer ab 16. März 2022 in einer Arztpraxis, einem Krankenhaus, einem Pflegeheim oder einem der weiteren genannten Settings (solche, die der Behandlung und Betreuung besonders vulnerabler Personen dienen) tätig werden will, muss einen gültigen Impf- oder Genesenennachweis in Bezug auf SARS-CoV-2 vorlegen. Ohne Impf- oder Genesenennachweis darf man in der Einrichtung ab 16. März 2022 nicht mehr tätig werden; Bestandsmitarbeitern droht ebenfalls ein behördliches Betretungs- und Beschäftigungsverbot. Die Kriterien für den Impf- und Genesenennachweis bestimmten ursprünglich letztgültig das Robert Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut durch Veröffentlichungen auf deren Website. Mit Änderung des IfSG vom 18. März 2022 wurden die Kriterien aber wieder ins Gesetz rücküberführt und stehen nun in § 22a IfSG. Mehr zum Inhalt der einrichtungsbezogenen Impfpflicht finden Sie in unserer Handlungshilfe in diesem Artikel.

Verfahrensgang

Gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht wandten sich mehrere Leiter*innen und Beschäftigte der betroffenen Einrichtungen mit einer Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits mit Beschluss vom 10. Februar 2022 – 1 BvR 2649/21 abgelehnt, den Beschwerdeführer*innen Eilrechtsschutz zu gewähren. Das BVerfG hatte in einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der geringen Erfolgsaussichten das Interesse an der Aufrechterhaltung der Regelung für höher bewertet als das Aussetzungsinteresse der Beschwerdeführer*innen. Diese Entscheidung wurde nun im Hauptsacheverfahren bestätigt. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht verletzt die Beschwerdeführer*innen nicht in ihren Rechten.

Aus den Entscheidungsgründen

Die in § 20a IfSG geregelte Nachweispflicht greift zwar in die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte körperliche Unversehrtheit sowie die Berufsfreiheit der Beschwerdeführer*innen ein. Der Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Die Impfung verfolgt den legitimen Zweck, vulnerable Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen. Für behandelte oder betreute Personen in den betroffenen Einrichtungen besteht ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlauf. Geimpfte Personen stecken sich seltener mit dem Coronavirus an und falls sie sich doch infizieren, sind sie weniger und kürzer infektiös als Ungeimpfte. Diese Einschätzung zur Wirksamkeit der Impfung war bei Erlass des Gesetzes gerechtfertigt und wurde durch den weiteren Verlauf der Pandemie einschließlich der Ausbreitung der Omikron-Variante nicht erschüttert. Weiterhin ist von einer relevanten, wenn auch gegenüber Vorvarianten des Virus reduzierten, Impfstoffwirksamkeit auszugehen.

Die Anordnung einer Impfpflicht für schutzwürdige Settings ist dabei eine geeignete und im Ergebnis verhältnismäßige Maßnahme zur Pandemiebekämpfung. Die Eingriffsintensität in die körperliche Unversehrtheit und Berufsfreiheit ist gering. Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht im Ergebnis die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber. Hinsichtlich der Berufsfreiheit haben gerade Beschäftigte in Berufen mit vulnerablen Personengruppen eine besondere Verantwortung für deren Schutz. Sofern die Beschäftigten keinen Gesundheitsberuf ausüben, sondern nur zufällig in einer betroffenen Einrichtung tätig sind (Reinigungspersonal o. ä.), können sie ihren Beruf auch in einer anderen, nicht von der Impfpflicht erfassten Einrichtung ausüben.

Die ebenfalls beanstandeten Verweisungen auf das Robert Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut zur Festlegung der Kriterien für Impf- und Genesenenstatus haben sich erledigt. Durch die Neuregelung und Rücküberführung der Kriterien ins Infektionsschutzgesetz im März 2022 besteht kein Rechtsschutzinteresse mehr daran, einen eventuellen gesetzestechnischen Fehler durch die Verweisungen vorher zu klären.

24.05.2022
Arbeitsgericht Siegburg: Arbeitgeber haftet nicht bei Corona-Infektion eines Arbeitnehmers

Das Arbeitsgericht Siegburg hat mit Urteil vom 30. März 2022 – 3 Ca 1848/21 entschieden, dass die Corona-Infektion eines Arbeitnehmers grundsätzlich keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Schadensersatz und Schmerzensgeld begründet. Für einen Anspruch müsste nachgewiesen werden, dass der Arbeitgeber die Schuld an der Infektion und der Erkrankung trägt. Dafür genügt aber nicht, dass im Betrieb zur Zeit der Infektion keine besonderen Hygieneschutzmaßnahmen getroffen sind. Eine Krankenschwester hatte sich Ende März 2020 mit Corona infiziert, als in dem Pflegeheim, in dem sie tätig war, noch keine Maskenpflicht galt. Die Pressemeldung zum Urteil finden Sie hier auf der Website des Justizministeriums von Nordrhein-Westfalen. Im Folgenden geben wir eine Zusammenfassung des Urteils.

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Beklagten als Krankenschwester in einem Pflegeheim in der psychosozialen Betreuung tätig. Im März 2020 arbeitete sie in der Essensausgabe und half Bewohnern beim Essen, ohne vom Arbeitgeber eine Atemschutzmaske zu erhalten. Anfang April 2020 wurde sie positiv auf Corona getestet und erkrankte schwer. Auch zwölf Bewohner des Pflegeheims infizierten sich mit Corona. Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin Ersatz der Behandlungskosten, Verdienstausfall und Schmerzensgeld von ihrem Arbeitgeber.

Urteil

Das Arbeitsgericht Siegburg hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat nicht hinreichend darlegen können, dass eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers für ihre Erkrankung ursächlich geworden ist. Es steht nicht mit Sicherheit fest, dass die Klägerin sich an ihrem Arbeitsplatz angesteckt hat. Es ist unklar geblieben, bei wem sie sich in welcher Situation angesteckt haben will. Auch wenn aus einem ärztlichen Attest der Klägerin hervorging, dass sie sich am Arbeitsplatz angesteckt haben soll, ist nicht nachvollziehbar, wie die Ärztin zu dieser Feststellung und Aussage gekommen sein will, da sie die Klägerin wohl kaum im fraglichen Zeitraum rund um die Uhr begleitet hat und die Klägerin sich auch außerhalb ihres Arbeitsplatzes angesteckt haben könnte.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Bewertung

Das Urteil bestätigt, dass es sich beim Corona-Virus um eine Allgemeingefahr handelt, deren Folgen nicht allein den Arbeitgebern aufgebürdet werden können. Eine Haftung des Arbeitgebers für Gesundheitsschäden ihrer Arbeitnehmer kommt nur bei nachgewiesenem Verschulden in Betracht. Dafür wiederum müsste die Kausalität der Tätigkeit im Betrieb für die Infektion feststehen und der Arbeitgeber pflichtwidrig in Bezug auf den ihm obliegenden Arbeitsschutz gehandelt haben. Halten sich Arbeitgeber bei ihrer Betriebsorganisation im Rahmen der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften zur Infektionsprävention, droht ihnen keine Haftung.

03.05.2022
Verbandsklagerecht bei Datenschutzverletzungen

Verbraucherschutzverbände können gegen Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten Verbandsklagen erheben. Solche Klagen können unabhängig von der konkreten Verletzung des Rechts einer betroffenen Person auf den Schutz ihrer Daten und ohne entsprechenden Auftrag erhoben werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 28. April 2022 entschieden.

Sachverhalt

Meta Platforms Ireland, vormals Facebook Ireland, ist die für die Verarbeitung personenbezogener Daten von Nutzern des sozialen Netzwerks Facebook in der Union Verantwortliche. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (Deutschland, im Folgenden: Bundesverband) erhob gegen Meta Platforms Ireland eine Unterlassungsklage, weil diese ihren Nutzern kostenlose Spiele von Drittanbietern zugänglich gemacht habe und dabei gegen die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten, zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs und zum Schutz der Verbraucher verstoßen habe.

Der Bundesgerichtshof (Deutschland) hält die Klage des Bundesverbands für begründet, hegt aber Zweifel an ihrer Zulässigkeit. Er stellt sich nämlich die Frage, ob einem Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen wie dem Bundesverband seit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) noch die Befugnis zustehe, wegen Verstößen gegen diese Verordnung unabhängig von der konkreten Verletzung von Rechten einzelner betroffener Personen und ohne deren Auftrag im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen. Außerdem merkt er an, dass aus der DS-GVO abgeleitet werden könne, dass die Prüfung ihrer Einhaltung in erster Linie den Aufsichtsbehörden obliege.

Entscheidung

In seinem Urteil stellt der EuGH fest, dass die DS-GVO einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.

08.03.2022
BAG – Urlaubsberechnung bei Kurzarbeit

Fallen aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig aus, ist dies bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen.

Sachverhalt

Die Klägerin ist bei der Beklagten drei Tage wöchentlich als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten beschäftigt. Bei einer Sechstagewoche hätte ihr nach dem Arbeitsvertrag ein jährlicher Erholungsurlaub von 28 Werktagen zugestanden. Dies entsprach bei einer vereinbarten Dreitagewoche einem Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen.

Aufgrund des Arbeitsausfalls durch die Corona-Pandemie führte die Beklagte Kurzarbeit ein. Dazu trafen die Parteien Kurzarbeitsvereinbarungen, auf deren Grundlage die Klägerin ua. in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 vollständig von der Arbeitspflicht befreit war und in den Monaten November und Dezember 2020 insgesamt nur an fünf Tagen arbeitete.

Aus Anlass der kurzarbeitsbedingten Arbeitsausfälle nahm die Beklagte eine Neuberechnung des Urlaubs vor. Sie bezifferte den Jahresurlaub der Klägerin für das Jahr 2020 auf 11,5 Arbeitstage.

Dagegen hat sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage gewandt. Sie hat den Standpunkt eingenommen, kurzarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage müssten urlaubsrechtlich wie Arbeitstage gewertet werden. Die Beklagte sei daher nicht berechtigt gewesen, den Urlaub zu kürzen. Für das Jahr 2020 stünden ihr weitere 2,5 Urlaubstage zu.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Entscheidung

Die Revision der Klägerin hatte beim Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitere 2,5 Arbeitstage Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 2020.

Entscheidungsgründe

Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, ist die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus zu berechnen, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten. Hierfür entwickelte die Rechtsprechung eine entsprechende Formel zur Berechnung des Urlaubs: 24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage (vgl. BAG 19. März 2019 - 9 AZR 406/17 - (Sonderurlaub); vgl. 24. September 2019 - 9 AZR 481/18 - (Altersteilzeit)).

Dies gilt entsprechend für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien - wie im vorliegenden Fall - für die Berech-nung des Urlaubsanspruchs keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben.

Bei der vertraglichen Dreitagewoche der Klägerin errechnete sich zunächst ein Jahresurlaub von 14 Arbeitstagen (28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage). Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertigte eine unterjährige Neube-rechnung des Urlaubsanspruchs. Aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausge-fallene Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen.

Der Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2020 übersteigt deshalb nicht die von der Beklagten berechneten 11,5 Arbeitstage. Allein bei Zugrundelegung der drei Monate, in denen die Arbeit vollständig ausgefallen ist, hätte die Klägerin lediglich einen Urlaubsanspruch von 10,5 Arbeitstagen (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage).

Quelle: Pressemittelung Nr. 41/21 des Bundesarbeitsgericht zum Urteil vom 30. November 2021 - 9 AZR 225/21 -

Weitere Entscheidungen zu diesem Thema

In einer weiteren Sache hat der Neunte Senat erkannt, dass diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn die Kurzarbeit wirksam aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. November 2021 - 9 AZR 234/21).

17.01.2022
BGH: Anpassung der Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Geschäftsschließung

Sachverhalt und Prozessverlauf

Die Beklagte (nach Medienberichten eine KiK-Filiale) hatte in Sachsen Räume zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts hauptsächlich für Textilien gemietet. Aufgrund einer Allgemeinverfügung des Freistaats Sachsen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie musste sie das Geschäft vom 19. März 2020 bis 19. April 2020 schließen. Infolgedessen entrichtete sie für April 2020 keine Miete, woraufhin die Vermieterin sie verklagte. Das Landgericht gab der Klägerin recht, das Oberlandesgericht Dresden entschied auf hälftige Mietzahlungspflicht.

Entscheidung des BGH

Der BGH verweist die Sache zur erneuten Entscheidung ans Oberlandesgericht zurück und legt dazu das Mietrecht aus:

Die Beklagte kann sich nicht auf eine Mietminderung wegen eines Mangels der Mietgegenstandes berufen (§ 536 BGB). Voraussetzung dafür wäre, dass die Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang stünde. Die behördliche Schließungsanordnung knüpft aber allein an die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr an. Verboten wird weder die Nutzung der Mietsache im Übrigen noch die Überlassung der Mieträume durch die Klägerin. Das Mietobjekt stand damit trotz der Schließungsanordnung für den Mietzweck zur Verfügung. Daran ändert nichts, dass der Mietzweck angegeben war als "Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs". Denn die Beklagte konnte nicht davon ausgehen, dass die Klägerin damit eine unbedingte Einstandspflicht für eine pandemiebedingte hoheitlich angeordnete Öffnungsuntersagung übernehmen wollte.

Möglicherweise hat die Beklagte jedoch einen Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Von der COVID-19-Pandemie ist die Erwartung der vertragschließenden Parteien betroffen, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde. Dafür spricht auch die im Gesetz zur Abmilderung der Pandemiefolgen eingeführte Vorschrift des Art. 240 § 7 EGBGB, die eine dahingehende Vermutung aufstellt.

Um wegen Störung der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Vertrags verlangen zu können, im vorliegenden Fall eine Verminderung der Mietzahlungspflicht, muss dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zumutbar sein. Eine Betriebsschließung als hoheitliche Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie geht über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus. Denn die wirtschaftlichen Nachteile dadurch beruhen nicht auf unternehmerischen Entscheidungen oder der enttäuschten Vorstellung, in den Mieträumen ein Geschäft betreiben zu können. Sondern sie sind Folge der umfangreichen staatlichen Eingriffe zur Bekämpfung der Pandemie, für die keine der Vertragsparteien verantwortlich gemacht werden kann. Durch die COVID-19-Pandemie hat sich letztlich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das von der mietvertraglichen Risikoverteilung ohne entsprechende vertragliche Regelung nicht erfasst wird. Das Risiko ist damit regelmäßig keiner Vertragspartei alleine zugewiesen.

Ob im Einzelfall eine Anpassung der Miete verlangt werden kann, bedarf gleichwohl der umfassenden Abwägung. Eine pauschale Betrachtungsweise ist nicht zulässig (wie etwa vom OLG mit der hälftigen Teilung angenommen). Von Bedeutung ist, welche konkreten Nachteile dem Mieter entstanden sind, insbesondere der Umsatzrückgang des konkreten Geschäfts, welche Maßnahmen der Mieter zur Abwendung der Verluste ergriffen hat oder ergreifen konnte, sowie etwaige staatlichen Hilfsleistungen, die für die Betriebsschließungen gewährt wurden oder werden konnten. Auch Leistungen einer ggf. einstandspflichtigen Betriebsversicherungen können zu berücksichtigen sein. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters ist aber nicht nötig, um das Merkmal der Unzumutbarkeit zu erfüllen. Schließlich sind auch die Interessen des Vermieters in die Abwägung einzustellen.

25.10.2021
Mehrarbeit von Teilzeitarbeitnehmern

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich erneut mit der Problematik zu befassen, wann bei einem Teilzeitarbeitnehmer zuschlagspflichtige Mehrarbeit vorliegt. Konkret ging es um die Auslegung des Tarifvertrags für den kommunalen öffentlichen Dienst (TVöD-K). Das BAG entschied, dass die Tarifvertragsparteien in zulässiger Weise festgelegt hatten, dass zuschlagspflichtige Mehrarbeit auch bei Teilzeitarbeitnehmern erst dann anfällt, wenn die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern überschritten werde (Aktenzeichen 6 AZR 253/19). Sie finden die Pressemitteilung des BAG unten im Downloadbereich.

Sachverhalt

Die Klägerin ist in Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden beschäftigt. Sie leistet Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit, die nach einem für den Monat geltenden Dienstplan erbracht wird.

Aufgrund beiderseitiger Tarifbindung gelten die Regelungen eines Haustarifvertrages, der seinerseits für die Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit den TVöD-K in seiner zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung in Bezug nimmt.

Die Klägerin leistete im Zeitraum Januar bis Juni 2017 sowohl über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus im Dienstplan vorgesehene (geplante) Arbeitsstunden, als auch im Dienstplan nicht vorgesehene (ungeplante) Arbeitsstunden, ohne dabei jedoch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigten zu überschreiten. Die Beklagte vergütete diese Arbeitsstunden mit dem anteiligen tariflichen Tabellenentgelt.

Die Klägerin beansprucht darüber hinaus Überstundenzuschläge auf der Grundlage des TVöD-K. Sie meint, diese stünden ihr hinsichtlich der ungeplanten Arbeitsstunden auch dann zu, wenn sie ihre vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit nicht überschreite. Bei den geplanten Arbeitsstunden komme es auf eine Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten nicht an. Andernfalls werde sie als Teilzeitbeschäftigte nach nationalem Recht und nach Unionsrecht gegenüber Vollbeschäftigten diskriminiert.

Entscheidungsgründe

Der TVöD-K enthält für den Freizeitausgleich und die Vergütung von Stunden, die Teilzeitbeschäftigte ungeplant über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbringen, eigenständige Regelungen, die sich so sehr von den Regelungen zum Entstehen, dem Ausgleich und der Vergütung von Überstunden bei Vollbeschäftigten unterscheiden, dass keine Vergleichbarkeit mehr gegeben ist.

Mit dieser Differenzierung haben die Tarifvertragsparteien ihren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Deshalb diskriminieren die für Teilzeitbeschäftigte geltenden Regelungen diese nicht und sind wirksam.

27.08.2021
GDL scheitert mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat den Antrag der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) gegen den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister (AGV MOVE) auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen (Aktenzeichen 14 SaGa 955/21).

Sachverhalt

Der AGV MOVE hat sowohl mit der GDL als auch mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EGV) Tarifverträge abgeschlossen. Unternehmen der Bahn gehen davon aus, dass die EGV in ihren Betrieben mehr Mitglieder hat als die GDL und wollen deshalb nach § 4a Tarifvertragsgesetz (TVG) nur noch die Tarifverträge der EGV anwenden.

Die GDL hält § 4a TVG für nicht verfassungsgemäß. Sie wollte mit dem vorliegenden Verfahren erreichen, dass der AGV MOVE auf seine Mitgliedsunternehmen einwirkt und auf eine Anwendung der Tarifverträge der GDL dringt.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag, wie schon das Arbeitsgericht Berlin, zurückgewiesen. Es fehle bereits an der erforderlichen Eilbedürftigkeit der Angelegenheit, weil das Arbeitsgericht Berlin bereits in einem Monat über das Begehren der GDL im Hauptsacheverfahren verhandele.

Im Übrigen könne von dem AGV MOVE und seinen Mitgliedsunternehmen nicht verlangt werden, dass sie § 4a TVG allein wegen der Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit nicht anwenden. Ob diese Vorschrift unverhältnismäßig in die Grundrechte der GDL eingreife, könne nicht im einstweiligen Rechtsschutz entschieden werden.

Gegen die Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

27.08.2021
Tariffähigkeit von ver.di im Bereich der Pflege

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat Anträge des Arbeitgeberverbandes Pflege e.V. zur Feststellung fehlender Tariffähigkeit der Gewerkschaft ver.di zurückgewiesen (Aktenzeichen 21 BVL 5001/21).

Sachverhalt

Im Arbeitgeberverband Pflege e.V. (AGVP) haben sich private Pflegeunternehmen zusammengeschlossen. Daneben bestehen weitere Arbeitgeberverbände der Pflegebranche, unter anderem die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP).

Die Gewerkschaft ver.di hat am 01. Februar 2021 mit dem BVAP einen Tarifvertrag über Mindestarbeitsbedingungen in der Pflegebranche abgeschlossen. Angestrebt wurde eine Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages nach § 7a Arbeitnehmer-Entsendegesetz, zu der es wegen der fehlenden Zustimmung der Caritas nicht kam.

Mit seinem Antrag hat der AGVP eine fehlende Tariffähigkeit der Gewerkschaft ver.di für Pflegebetriebe, die Pflegeleistungen außerhalb von Krankenhäusern erbringen, geltend gemacht. Zur Begründung hat der AGVP ausgeführt, jedenfalls wegen der heterogenen Zuständigkeit von ver.di sei für die Prüfung der Tariffähigkeit auf die einzelnen Branchen abzustellen. In der Pflegebranche verfüge ver.di nicht über die für eine Tariffähigkeit erforderliche Durchsetzungsfähigkeit. Die Lage in der Pflegebranche unterscheide sich hier von der Lage in Krankenhäusern. Im Laufe des Verfahrens hat der AGVP hilfsweise die Tariffähigkeit von ver.di insgesamt infrage gestellt.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, Voraussetzung für die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung sei, dass sie sozial mächtig und von ihrem organisatorischen Aufbau her in der Lage sei, die ihr gestellten Aufgaben einer Tarifvertragspartei zu erfüllen. Abzustellen sei auf die Durchsetzungskraft und organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des von der Arbeitnehmervereinigung beanspruchten Zuständigkeitsbereichs.

Es gebe keine partielle, auf bestimmte Regionen, Berufskreise oder Branchen beschränkte Tariffähigkeit. Vielmehr sei die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung für den beanspruchten Zuständigkeitsbereich einheitlich zu beurteilen. Es sei davon auszugehen, dass eine in erheblichen Teilen des von ihr beanspruchten Zuständigkeitsbereichs durchsetzungsfähige Arbeitnehmervereinigung sich auch in den Bereichen, in denen es ihr an Durchsetzungskraft fehle, beim Abschluss von Tarifverträgen nicht den Forderungen der Arbeitgeberseite unterwerfe.

Daher habe eine etwa fehlende Durchsetzungskraft von ver.di im Bereich der Pflegebranche für sich genommen auch nicht zur Folge, dass ver.di insgesamt tarifunfähig sei. Als Gesamtorganisation sei ver.di im Sinne der Anforderungen an die soziale Mächtigkeit offensichtlich organisations- und durchsetzungsfähig sowie in der Lage, hinreichenden Druck auf den sozialen Gegenspieler aufzubauen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht zugelassen. Wir werden Sie über den Fortgang des Verfahrens auf dem Laufenden halten.

07.07.2021
Vorsorgliche Urlaubsgewährung bei fristloser Kündigung

Der Arbeitgeber darf bei Ausspruch einer außerordentlichen und (hilfsweisen) ordentlichen Kündigung noch ausstehenden Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Dem stehen weder sozialversicherungsrechtliche Handlungsobliegenheiten des Arbeitnehmers noch die Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses entgegen.

BAG, Urteil vom 25. August 2020 – 9 AZR 612/19

Sachverhalt

Die Parteien streiten über restliche Vergütung aus einem beendeten Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Im Kündigungsschreiben erteilte der Arbeitgeber dem Kläger vorsorglich Urlaub, für den Fall, dass sich die fristlose Kündigung als unwirksam erweisen sollte. Zugleich erklärte er, dass die geleistete Urlaubsabgeltung in diesem Fall als Zahlung des Urlaubsentgelts gelte und sicherte dem Kläger die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu. Die Parteien einigten sich im Kündigungsschutzverfahren auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum ordentlichen Beendigungstermin. Der Arbeitgeber behandelte die gezahlte Urlaubsabgeltung bei der Abrechnung als bereits geleistetes Urlaubsentgelt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Begründung, die vorsorgliche Urlaubsgewährung sei wegen Verfehlung des Urlaubszwecks nicht zulässig gewesen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Revision des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Voraussetzung ist eine eindeutige Urlaubserteilung und die Zahlung des Urlaubsentgelts vor Antritt des Urlaubs oder dessen vorbehaltlose Zusage. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wirksam Urlaub erteilt, kann der Arbeitnehmer für diesen Zeitraum keinen Annahmeverzugslohn beanspruchen.

  • Nach Auffassung des BAG steht die Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber nicht entgegen. Gewissheit über das Bestehen einer Arbeitspflicht sei nicht erforderlich. Entscheidend sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer wisse, dass er für einen bestimmten Zeitraum nicht zur Arbeit herangezogen werde und ihm dadurch Freizeit zur Erholung und Entspannung zur Verfügung stehe.
  • Auch sozialversicherungsrechtliche Handlungsobliegenheiten gegenüber der Agentur für Arbeit stünden der Erfüllung des Urlaubsanspruchs nicht entgegen. Sie seien dem persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen. Der Arbeitgeber schulde über die Freistellung von der Arbeitspflicht und der Zahlung von Urlaubsentgelt keinen darüber hinausgehenden Urlaubserfolg.

07.07.2021
Keine monatliche Einsichtnahme des Betriebsrats in Bruttoentgeltlisten

Begründet der Betriebsrat sein Verlangen nach einem monatlichen Einblick in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG allein mit der Wahrnehmung einer Überwachungsaufgabe oder eines Mitbestimmungsrechts, kann der Arbeitgeber die weitere Einsichtnahme verweigern. Es muss ersichtlich sein, aus welchen Gründen der Einblick im verlangten monatlichen Turnus erforderlich ist.

BAG, Beschluss vom 29. September 2020 – 1 ABR 23/19

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die monatliche Einsichtnahme des Betriebsrats in Bruttoentgeltlisten. Der Betriebsrat nahm im Januar 2017 Einblick in eine Excel-Tabelle, in der für jeden Monat des Jahres 2016 für jeden namentlich benannten Arbeitnehmer ein Gesamtbruttoentgelt, eine Jahressumme sowie ein Monatsdurchschnitt aufgelistet war. Im Juni 2017 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin erneut auf, ihm Einblick in die aktuellen Bruttolohn- und gehaltslisten zu gewähren. Der Betriebsrat begründete sein Verlangen mit der Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe und kündigte an, in Zukunft monatlich Einblick in die Listen nehmen zu wollen. Nachdem die Arbeitgeberin dies ablehnte, leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren ein. Es sei aus Sicht des Betriebsrats nicht auszuschließen, dass die Arbeitgeberin unter Verletzung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 11 BetrVG Sonderzahlungen leiste.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Betriebsrats statt, das Landesarbeitsgericht wies ihn ab.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrates blieb erfolglos.

Der Betriebsrat kann keinen Einblick in Bruttolohn- und -gehaltslisten im monatlichen Turnus beanspruchen. Zwar gehört es nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu den Aufgaben eines Betriebsrats, die Durchführung einer Betriebsvereinbarung zu überwachen. Damit ist aber keine Notwendigkeit einer monatlichen Einsichtnahme in die Listen dargetan. Gleiches gilt, soweit sich der Betriebsrat auf eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 oder Nr. 11 BetrVG beruft. Hat der Arbeitgeber Einsicht in die Entgeltlisten gewährt, ist die Reklamation eines Mitbestimmungsrechts möglich; ein weiterer Erkenntnisgewinn durch die turnusmäßige Einsicht ist nicht ersichtlich.

Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). In diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss auch berechtigt, Einblick in die Bruttolohn- und -gehaltslisten zu nehmen. Dabei verlangt das Gesetz eine auf das konkrete Einsichtsverlangen bezogene, spezifische Prüfung der Erforderlichkeit für die vom Betriebsrat geltend gemachten Aufgaben. So steht dem örtlichen Betriebsrat kein Einsichtsrecht zu, wenn er betriebsübergreifend Einblick in unternehmensweite Bruttoentgeltlisten verlangt. Beruft sich der Betriebsrat auf die Überwachung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, besteht ebenso wenig ein Anspruch, wenn er sich nicht auf die Einhaltung von Ge- oder Verboten bezieht.

07.06.2021
Beitragspflichtiges Entgelt: Tankgutscheine und Werbeeinnahmen statt Arbeitslohn

Tankgutscheine über einen bestimmten Euro-Betrag und Einnahmen aus der Vermietung von Werbeflächen auf privaten PKWs, die als neue Gehaltsanteile an Stelle des Bruttoarbeitslohns erzielt werden, sind sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt und unterliegen der Beitragspflicht.

Dies hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts am 23. Februar 2021 entschieden und damit der Revision eines Rentenversicherungsträgers stattgegeben.

Entscheidung des BSG

Vereinbart ein Arbeitgeber mit der Belegschaft einen teilweisen Lohnverzicht und gewährt im Gegenzug an Stelle des Arbeitslohns Gutscheine und zahlt Miete für Werbeflächen auf den PKWs der Belegschaft, handelt es sich dabei sozialversicherungsrechtlich um Arbeitsentgelt. Dieses umfasst grundsätzlich alle im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden geldwerten Vorteile. Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der ursprüngliche Bruttoarbeitslohn rechnungsmäßig fortgeführt wird und die Tankgutscheine und Werbeeinnahmen als "neue Gehaltsanteile" angesehen werden. Demzufolge kommt es nicht darauf an, dass die Werbeeinnahmen auf eigenständigen Mietverträgen mit der Belegschaft beruhten.

Die Beitragspflicht der Tankgutscheine entfiel auch nicht ausnahmsweise. Bei ihnen handelte es sich nicht um einen Sachbezug, weil sie auf einen bestimmten Euro-Betrag lauteten und als Geldsurrogat teilweise an die Stelle des wegen Verzichts ausgefallenen Bruttoverdienstes getreten waren. Die steuerrechtliche Bagatellgrenze von 44 Euro im Monat kommt daher nicht zur Anwendung.

26.04.2021
Verhinderung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds bei Arbeitsunfähigkeit

Ein vollständig freigestellter Betriebsratsvorsitzender, der krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist, kann keine Amtshandlungen vornehmen. Beruft nicht der Betriebsratsvorsitzende oder sein Stellvertreter die Sitzung des Betriebsrats ein, so ist ein durch den Betriebsrat getroffener Beschluss unwirksam. 

BAG, Beschluss vom 28. Juli 2020 – 1 ABR 5/19

Sachverhalt

Die Parteien streiten u. a. über die Wirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses. Die Arbeitgeberin hatte den Betriebsrat um Zustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen gebeten. Der von seiner Arbeitspflicht vollständig freigestellte Betriebsratsvorsitzende war in dieser Zeit arbeitsunfähig krankgeschrieben. Es fand eine Betriebsratssitzung statt, zu der ein Betriebsratsmitglied über den E-Mail Account des Betriebsratsvorsitzenden geladen hatte. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende war am Tag der Ladung und am Tag der Sitzung urlaubsbedingt abwesend. Der Betriebsratsvorsitzende nahm an der Sitzung als „Gast“ teil. Die verbleibenden Betriebsratsmitglieder beschlossen einstimmig, die Zustimmung zu den personellen Einzelmaßnahmen zu verweigern. Dies teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit einem u. a. durch den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden unterzeichneten Schreiben mit. Die Arbeitgeberin hielt den gefassten Beschluss für unwirksam und setzte die personellen Einzelmaßnahmen um. Der Betriebsrat begehrte, der Arbeitgeberin aufzugeben, Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Das Begehren blieb in den Vorinstanzen erfolglos.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts  

Das BAG weist die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurück.

Ein fristauslösender Zugang des Zustimmungsgesuchs der Arbeitgeberin liegt vor. Grundsätzliche Voraussetzung ist ein Zugang beim Betriebsratsvorsitzenden oder – im Fall seiner Verhinderung – bei seinem Stellvertreter. Da der nach § 38 BetrVG vollständig freigestellte Betriebsratsvorsitzende krankheitsbedingt verhindert ist, ist sein Stellvertreter zum Empfang ermächtigt. Nach dem u. a. vom stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden unterzeichneten Schreiben zur Zustimmungsverweigerung ist das Gesuch daher spätestens mit Datum des Schreibens zugegangen.

Ein Zustimmungsersetzungsverfahren ist nur dann notwendig, wenn der Betriebsrat den personellen Einzelmaßnahmen wirksam fristgerecht widersprochen hat. Das ist hier nicht der Fall. Ein wirksamer Beschluss des Betriebsrats setzt grundsätzlich die Ladung durch den Betriebsratsvorsitzenden oder seinen Stellvertreter voraus. Die vorliegend über den E-Mail Account des Betriebsratsvorsitzenden verschickte Einladung zur Betriebsratssitzung ist keine wirksame Ladung. Denn ein von der Arbeitspflicht vollständig freigestellter Betriebsratsvorsitzender, der arbeitsunfähig erkrankt ist, kann keine Amtshandlungen vornehmen. Dies gilt aus Gründen der Rechtssicherheit für alle Amtshandlungen. Eine nur „partielle Amtsunfähigkeit“ gibt es bei einem vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied nicht. Es liegt ein grober Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 29 Abs. 2 S. 1, 3 BetrVG vor, wonach nur der Betriebsratsvorsitzende oder sein Stellvertreter eine Betriebsratssitzung einberufen können. Die Verfahrensvorschrift dient der strukturierten und zielorientierten Arbeit des Betriebsrates. Dieser Zweck würde gefährdet, wenn jedes Betriebsratsmitglied wirksam Sitzungen einberufen könnte. Die Verfahrensvorschrift ist so wesentlich, dass ein Verstoß die Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses nach sich zieht.

26.04.2021
Entgeltgleichheitsklage – Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts

Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson, regelmäßig die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist.

BAG, Urteil vom 21.01.2021 - 8 AZR 488/19

Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte wegen geschlechtsdiskriminierender Vergütung ein höheres Entgelt schuldet. Die Klägerin ist bei der Beklagten als Abteilungsleiterin beschäftigt. Sie hatte nach §§ 10 ff. EntgTranspG Auskunft über das Entgelt ihrer vergleichbaren männlichen Kollegen verlangt. Die Beklagte berechnete einen auf das Vollzeitäquivalent hochgerechneten statistischen Median des durchschnittlichen monatlichen übertariflichen Grundentgelts sowie der übertariflichen Zulage. Im Ergebnis lag das Vergleichsentgelt sowohl bei dem Grundentgelt als auch bei der Zulage über dem Entgelt der Klägerin. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der Differenz zwischen ihrem Grundentgelt und ihrer Zulage und dem ihr von der Beklagten mitgeteilten höheren Median-Entgelt.

Das LAG hatte die Klage abgewiesen. Das LAG argumentierte, es lägen keine ausreichenden Indizien i.S.v. § 22 AGG vor, die die Vermutung begründeten, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren habe.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Vor dem BAG hatte die Revision der Klägerin Erfolg. Mit der vom LAG gegebenen Begründung hätte die Klage nicht abgewiesen werden dürfen, so das BAG. Aus der von der Beklagten erteilten Auskunft ergebe sich das Vergleichsentgelt der maßgeblichen männlichen Vergleichsperson. Nach den Vorgaben des Entgelttransparenzgesetzes läge in der Angabe des Vergleichsentgelts als Median-Entgelt durch einen Arbeitgeber zugleich die Mitteilung der maßgeblichen Vergleichsperson, weil entweder ein konkreter oder ein hypothetischer Beschäftigter des anderen Geschlechts dieses Entgelt für gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit erhalte. Die Klägerin habe gegenüber der ihr von der Beklagten mitgeteilten männlichen Vergleichsperson eine unmittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 II 1 EntgTranspG erfahren, weil ihr Entgelt geringer gewesen sei als das der Vergleichsperson gezahlte. Dieser Umstand begründe zugleich die – von der Beklagten widerlegbare – Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ erfahren habe. Zur Klärung, ob die Beklagte die Vermutung widerlegen kann, verwies das BAG die Sache an das LAG zurück.

26.04.2021
Keine Initiativlast des Arbeitgebers für die Verwirklichung tariflichen Mehrurlaubs

Befristet ein Tarifvertrag den Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub eigenständig und verlangt er zudem, dass der Arbeitnehmer den Mehrurlaub zur Meidung seines Verfalls vor einem bestimmten Termin geltend zu machen hat, trägt – abweichend von § 7 Abs. 1 S.1 BUrlG – regelmäßig nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer die Initiativlast für die Verwirklichung des Mehrurlaubsanspruchs.

BAG, Urteil vom 25.08.2020 – 9 AZR 214/19

Sachverhalt

Die Parteien streiten über tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2016. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet der Bundesmanteltarifvertrag der Süßwarenindustrie (im Folgenden: „BMTV“) Anwendung. Dieser beinhaltet in § 12 ausführliche Regelungen zum Urlaubsanspruch. § 12 IV Ziff. 3 BMTV lautet: „Der Urlaubsanspruch erlischt am 31. März des folgenden Jahres, sofern er nicht vorher vergeblich geltend gemacht worden ist.“ Vom 19. Januar 2016 bis 2. Juni 2017 war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Am 25. August 2017 beantragte er Urlaub. Der Urlaubsantrag wurde von der Beklagten nur in Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs bewilligt. Hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubs berief sich die Beklagte auf § 12 IV Ziff. 3 BMTV. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er für das Jahr 2016 einen Ersatzurlaubsanspruch in Höhe von 10 Tagen habe. Das Begehren blieb in den Vorinstanzen erfolglos.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Auch die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2016 sei, so das BAG; nach dem Wortlaut von § 12 IV Ziff. 3 BMTV erloschen, weil der Kläger dessen Gewährung erst nach dem 31. März 2017 verlangt habe. Die tarifvertragliche Regelung sei auch wirksam. Eine Auslegung von § 12 BMTV ergebe, dass der Verfall des tariflichen Mehrurlaubs nicht dem Fristenregime des gesetzlichen Mindesturlaubs unterfalle. Die tariflichen Urlaubsbestimmungen gelten nach § 12 Eingangsabsatz S. 2 BMTV nur, soweit nicht in gesetzlichen Vorschriften zwingend andere Regelungen enthalten sind. Die Tarifvertragsparteien haben mit dieser Begrenzung des Anwendungsbereichs von § 12 BMTV dem unabdingbaren Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs Rechnung getragen und zugleich ihre Absicht dokumentiert, den tariflichen Urlaubsanspruch im Rahmen des gesetzlich Zulässigen eigenständig und unabhängig vom Bundesurlaubsgesetz zu regeln. § 12 IV Ziff. 3 BMTV regele deutlich, dass offener Urlaub bei fehlender Geltendmachung ausnahmslos, d. h. auch bei Erkrankung des Arbeitnehmers, am 31. März des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verfallen solle. Damit weise § 12 IV Ziff. 3 BMTV dem Arbeitnehmer zudem ausdrücklich die Initiativlast für die Verwirklichung des tariflichen Mehrurlaubsanspruchs zu. Dem Arbeitgeber haben die Tarifvertragsparteien hingegen keine Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten auferlegt.

26.04.2021
Sachgrundlose Befristung trotz Vorbeschäftigung bei Bruch in der Erwerbsbiographie

Eine verfassungskonforme Auslegung kann zur Unanwendbarkeit des Vorbeschäftigungsverbots gem. § 14 II 2 TzBfG führen, wenn die Erwerbsbiografie inhaltlich unterbrochen wird. Dementsprechend kann nicht jede Aus- und Weiterbildung zur Unanwendbarkeit von § 14 II 2 TzBfG führen; die Aus- und Weiterbildung muss zu einer anderen Tätigkeit befähigen, die der Erwerbsbiographie des Arbeitnehmers eine völlig andere Richtung gibt.

BAG, Urteil vom 16.9.2020 – 7 AZR 552/19

Sachverhalt

Der Kläger absolvierte im Jahr 1988 erfolgreich ein Hochschulstudium in der Fachrichtung Technische Gebäudeausrüstung. In den Jahren 2008 bis 2010 war er bei dem Beklagten im Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement als Sachbearbeiter tätig. Während dieser Tätigkeit hatte der Kläger ein berufsbegleitendes Studium aufgenommen, welches er im Jahr 2011 mit dem Abschluss „Verwaltungs-Betriebswirt“ beendete. Nach einer beruflichen Zwischenstation stellte die Beklagte den Kläger im Jahr 2015 auf Basis eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags als Referent im Bereich Betriebssicherheit ein.

Der Kläger machte die Unwirksamkeit der Befristung geltend und hatte vor dem ArbG und dem LAG Erfolg.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG hielt die dagegen eingelegte Revision des Beklagten für unbegründet. Das in § 14 II 2 TzBfG normierte Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung wirke grundsätzlich uneingeschränkt. Allerdings sei nach Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 6.6.2018 – 1 BvL /714, 1 BvR 1375/14) in verfassungskonformer Auslegung von § 14 II 2 TzBfG deren Anwendung auf Fälle auszuschließen, in denen das Verbot für die Parteien unzumutbar wäre. Dies könne – nach Rechtsprechung des BVerfG – insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. So liege es nach Ansicht des BVerfG etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudenten und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergehe. Nach diesen Grundsätzen seien die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 II 2 TzBfG im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen habe nur ein Zeitraum von rund fünf Jahren gelegen. Die Vorbeschäftigung sei auch nicht von sehr kurzer Dauer gewesen. Schließlich sei die Vorbeschäftigung als Sachbearbeiter auch nicht ganz anders geartet gewesen als die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Referent. Das Erfordernis eines Bruchs in der Erwerbsbiographie sei nicht zeitlich, sondern inhaltlich zu verstehen.

26.04.2021
Verlängerter Mutterschaftsurlaub – (Keine) Diskriminierung von Vätern?

Eine tarifliche Regelung, die einen Zusatzurlaub ausschließlich für Mütter vorsieht, stellt keine unzulässige Diskriminierung dar, wenn damit der Schutz der Arbeitnehmerinnen hinsichtlich der Folgen der Schwangerschaft und Mutterschaft bezweckt wird. Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hervor.

EuGH, Urteil vom 18.11.2020 – C-463/19

Sachverhalt

Ein in Frankreich geltender Tarifvertrag für das Personal der Sozialversicherungsträger sieht einen zusätzlichen Urlaub (nur) für Arbeitnehmerinnen vor, die ihr Kind selbst betreuen. Dieser Urlaub schließt sich an den gesetzlichen Mutterschaftsurlaub an. Konkret besteht ein Anspruch auf einen eineinhalbmonatigen Urlaub bei voller Bezahlung oder einen dreimonatigen Urlaub bei halber Bezahlung. Möglich ist zudem ein ein- bis zweijähriger unbezahlter Urlaub. Ein bei einer französischen Krankenkasse beschäftigter Arbeitnehmer beantragte, ihm als Vater eines Kindes den gleichen Zusatzurlaub zu gewähren. Die Krankenkasse lehnte dies ab. In dem Ausgangsverfahren klagte die französische Gewerkschaft CFTC des Personals der gesetzlichen Krankenkasse des Département Moselle gegen diese Weigerung. Das Arbeitsgericht Metz legte dem EuGH die Frage vor, ob es mit dem Gebot der Gleichbehandlung vereinbar ist, den Zusatzurlaub allein Frauen vorzubehalten.

Entscheidung des EuGH

Es sei grundsätzlich mit der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.07.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen („Richtlinie 2006/54/EG“) vereinbar, wenn ein zusätzlicher Mutterschaftsurlaub in einem nationalen Tarifvertrag ausschließlich Müttern vorbehalten ist, so entschied der EuGH. Zwar handele es sich hierbei um eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Dies sei aber dann gerechtfertigt und mit der Richtlinie 2006/54/EG vereinbar, wenn der Anspruch zum Schutze der Arbeitnehmerinnen und den Folgen der Schwangerschaft bestehe. Ein solcher Zusatzurlaub müsse dazu dienen, den Schutz der körperlichen Verfassung der Frau sowie der besonderen Beziehung der Mutter zu ihrem Kind in der Zeit nach der Entbindung zu gewährleisten. Dafür genüge es nicht, dass sich der Zusatzurlaub unmittelbar an den gesetzlichen Mutterschaftsurlaub anschließt.

Ob der hier umstrittene Tarifvertrag diese Voraussetzungen erfüllt, muss das Arbeitsgericht Metz nun im weiteren Verfahren prüfen.

23.03.2021
Kürzung Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit Null

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 12. März 2021 (Az. 6 Sa 824/20) entschieden, dass die Klägerin für Zeiträume, in welchen sie sich durchgehend in „Kurzarbeit Null“ befand, keine Urlaubsansprüche nach § 3 BUrlG erworben hat.

Sachverhalt

Die Klägerin ist seit dem 01. März 2011 als Verkaufshilfe bei der Beklagten, einem Betrieb der Systemgastronomie, in Teilzeit (Drei-Tage-Woche) beschäftigt. Vereinbarungsgemäß stehen ihr kalenderjährlich 14 Arbeitstage Urlaub zu. Ab dem 01. April 2020 galt für die Klägerin infolge der Corona-Pandemie von April bis Dezember wiederholt Kurzarbeit Null. In den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 bestand diese durchgehend. Die Klägerin ist der Ansicht, die Kurzarbeit habe keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche. Sie begehrte deshalb die Feststellung, dass ihr für das Jahr 2020 der ungekürzte Urlaub von 14 Arbeitstagen zustehe. Dem tritt die Arbeitgeberin entgegen. Mangels Arbeitspflicht während der Kurzarbeit Null entstünden keine Urlaubsansprüche. Sie habe deshalb den Urlaubsanspruch der Klägerin für 2020 mit der Gewährung von 11,5 Arbeitstagen bereits vollständig erfüllt.

Entscheidung

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat die Klage ebenso wie das Arbeitsgericht Essen (Urteil vom 06. Oktober 2020, Az. 1 Ca 2155/20) abgewiesen. Aufgrund der Kurzarbeit Null in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 hat die Klägerin in diesem Zeitraum keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz erworben. Der Jahresurlaub 2020 steht ihr deshalb nur anteilig im gekürzten Umfang zu. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null war der Urlaub um 1/12 zu kürzen, was sogar eine Kürzung um 3,5 Arbeitstage ergeben würde. Im Hinblick darauf, dass der Erholungsurlaub bezweckt, sich zu erholen, setzt dies eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Da während der Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben sind, werden Kurzarbeiter wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt, deren Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen ist.

Dies entspricht dem Europäischen Recht, weil nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs während Kurzarbeit Null der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entsteht. Das deutsche Recht enthält dazu keine günstigere Regelung. Weder existiert diesbezüglich eine spezielle Regelung für Kurzarbeit noch ergibt sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Insbesondere ist Kurzarbeit Null nicht mit Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen. An alledem hat der Umstand, dass die Kurzarbeit der Klägerin durch die Corona-Pandemie veranlasst ist, nichts geändert.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

 



21.01.2021
Anhörung des Betriebsrats bei außerordentlicher Kündigung

Im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung muss der Arbeitgeber weder über einen tariflichen Sonderkündigungsschutz bezüglich der ordentlichen Kündbarkeit des Arbeitnehmers noch über die Kündigungserklärungsfrist informieren.

BAG, Urteil vom 07. Mai 2020 – 2 AZR 678/19 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten unter anderem über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 7. März 2018 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum
31. Oktober 2018. Zuvor wurde der Betriebsrat hierzu mit Schreiben vom 2. März 2018 angehört und erteilte am 5. März 2018 zu beiden Kündigungen seine Zustimmung. Der Kläger erhob rechtzeitig Kündigungsschutzklage. Der Kläger beruft sich nebst anderer Aspekte darauf, dass die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Der Arbeitsvertrag zwischen den Beteiligten nimmt einen Tarifvertrag in Bezug, welcher die ordentliche Kündbarkeit des Klägers ausschließt. Über diesen Sonderkündigungsschutz und über die Wahrung der Ausschlussfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB hätte der Arbeitgeber den Betriebsrat im Rahmen der Anhörung informieren müssen.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts  

Das BAG hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht.

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat vor der Anhörung zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung weder über einen bestehenden tariflichen Sonderkündigungsschutz, soweit dieser lediglich die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitnehmers weitgehend ausschließt, noch über die Wahrung der Kündigungserklärungsfrist informieren.

Die in § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG normierte Mitteilungspflicht des Arbeitgebers dient dem Zweck, dem Betriebsrat die Möglichkeit der Überprüfung der Kündigungsgründe im Hinblick auf ihre Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit zu verschaffen und gegebenenfalls Einwände gegenüber dem Arbeitgeber vorzubringen. Eine eigenständige Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung muss nicht ermöglicht werden.

  • Nach Auffassung des BAG ist die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitnehmers und somit der Sonderkündigungsschutz nicht relevant für die Beurteilung der Stichhaltigkeit der die außerordentliche Kündigung begründenden Umstände. Der außerordentlichen fristlosen Kündigung könne ungeachtet der tatsächlichen ordentlichen Kündbarkeit die Zumutbarkeit der Einhaltung einer realen oder fiktiven Kündigunsfrist durch den Betriebsrat entgegengehalten werden. Ein Widerspruchsrecht des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG bestehe im Fall der außerordentlichen fristlosen Kündigung ohnehin nicht.
  • Die Wahrung der Kündigungserklärungsfrist sei lediglich für die Beurteilung der rechtlichen Wirksamkeit der Kündigung jedoch nicht für die Beurteilung der Gewichtigkeit der ihr zugrundeliegenden Gründe durch den Betriebsrat relevant, sodass auch die Einhaltung der Ausschlussfrist nicht Bestandteil der Informationspflicht des Arbeitgebers sei.

21.01.2021
Löschen von Daten des Arbeitgebers als außerordentlicher Kündigungsgrund

Das Löschen von Daten in erheblichem Umfang (hier: 7,48 GB) vom Server des Arbeitgebers im Anschluss an ein Personalgespräch, in dem der Arbeitgeber den Wunsch äußerte, sich vom Arbeitnehmer trennen zu wollen, rechtfertigt die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch ohne vorherige Abmahnung.

LAG Baden-Württemberg (17. Kammer), Urteil vom 17.9.2020 – 17 Sa 8/20

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der außerordentlich fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger war bei der Beklagten seit 1. Februar 2016 beschäftigt. Am 5. Februar 2019 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger statt. Die Beklagte wollte das Arbeitsverhältnis wegen aufgetretener Spannungen durch Aufhebungsvertrag beenden. Der Kläger lehnte dies ab. Er verabschiedete sich nach dem Gespräch von der Einkäuferin der Beklagten mit den Worten „man sieht sich immer zweimal im Leben“. Die Beklagte stellte Tage später fest, dass der Kläger 7,48 GB Datenvolumen vom Server des Unternehmens gelöscht hatte. Die von der Beklagten aufgebaute IT-Infrastruktur sieht vor, dass Daten auf dem Server der Beklagten zentral unter einem den Mitarbeitern zugewiesenen Verzeichnis abgelegt werden. Die Beklagte hörte den Kläger zu diesem Vorwurf mit Schreiben vom 11. Februar 2019 an und setzte ihm eine Frist zur Äußerung bis zum 19. Februar 2019, die der Kläger verstreichen ließ. Daraufhin erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 20. Februar 2019 die außerordentliche fristlose Tat- und Verdachtskündigung, hilfsweise eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Abmahnung wurde zuvor nicht ausgesprochen. Lediglich in anderer Sache war in der Vergangenheit eine Abmahnung gegenüber dem Kläger ausgesprochen worden.

Der Kläger trug zur Verteidigung vor, alle Daten seien der Beklagten trotz Löschung nach wie vor zugänglich gewesen. Er habe diese nicht mit Schädigungswillen gelöscht, sondern nur verschoben bzw. per Email an die berechtigten Personen versendet. Im Übrigen habe es sich bei dem Speicherort um „seinen Ordner“ gehandelt. Die Beklagte hatte im Kündigungsschutzprozess zur Veranschaulichung, welche Daten der Kläger gelöscht haben soll, eine 93seitige tabellarische Übersicht „Ordnervergleich“ vorgelegt, welche in der linken Spalte die noch vorhandenen und in der rechten Spalte die gelöschten Daten darstellte. Die gelöschten Daten konnten später erfolgreich gerettet werden.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch außerordentliche, sondern erst durch ordentliche Kündigung beendet wurde. Eine bewusst vorsätzliche Schädigung des Klägers beim Löschen der Daten aus „seinem“ Ordner konnte es nicht feststellen.

Entscheidung des LAG Baden-Württemberg  

Das LAG änderte die Entscheidung ab. Es stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien schon durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 20. Februar 2019 beendet wurde. Das unbefugte Löschen von dem Arbeitgeber zustehenden und an diesen in entsprechender Anwendung von § 667 BGB herauszugebenden Dateien stelle eine erhebliche Verletzung von arbeitsvertraglichen Nebenpflichten dar, selbst wenn die Dateien später wiederhergestellt werden können. Von einer solchen unberechtigten Löschung war die Kammer überzeugt. Die Beklagten habe mit der vorgelegten Tabelle „Ordnervergleich“ hinreichend substantiiert vorgetragen, welche Daten gelöscht worden seien. Der Kläger wäre deshalb gehalten gewesen, sich zum Löschvorwurf konkret einzulassen. Da er dem nicht nachgekommen ist, galt das Vorbringen der Beklagten zu den Löschungen als zugestanden. Auch zu Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe für das Löschen hätte der Kläger substantiiert vortragen müssen. Die pauschale Aussage, nur „aufgeräumt“ und nicht mehr relevante bzw. ohnehin an anderen Speicherorten bereits vorhandene Dateien gelöscht zu haben, genügte dem nicht.

Auf die Abmahnung konnte verzichtet werden, weil ein Arbeitnehmer, der Daten in erheblichem Umfang aus Anlass eines Personalgesprächs, in dem der Arbeitgeber seinen Trennungswunsch geäußert hat, löscht, davon ausgehen muss, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten nicht hinnehmen wird. Der Beklagten war es auch nicht zuzumuten, den Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Reagiert der Arbeitnehmer auf eine Konfliktsituation im Arbeitsverhältnis mit einer Löschung von Daten in beträchtlichem Umfang, darf die Beklagte angesichts des objektiven Erklärungswerts dieses Verhaltens annehmen, der Kläger wolle „verbrannte Erde“ hinterlassen.

20.01.2021
Anfechtung einer Betriebsratswahl wegen Verstößen gegen die öffentliche Wahl

Der Wahlvorstand hat bei einer Betriebsratswahl die eingegangenen Freiumschläge der Briefwähler in öffentlicher Sitzung unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe zu öffnen. Besteht nur ein Wahllokal zur persönlichen Abgabe der Stimmen, muss der Wahlvorstand Zeit und Ort dieser Sitzung nicht vorab öffentlich bekanntmachen.

BAG, Beschluss vom 20.05.2020 – 7 ABR 42/18 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. Auf der Grundlage des Wahlausschreibens vom 13. April 2017 fand im Betrieb der Arbeitgeberin am 21. Juni 2017 von 06:30 Uhr bis 18:30 Uhr eine Betriebsratswahl statt. Die Auszählung der Stimmen sollte ab 18:35 Uhr im Wahlraum stattfinden. Gegen 16:30 Uhr begann der Wahlvorstand mit der Öffnung der Freiumschläge der Briefwähler, dem Vermerken der Stimmabgabe in der Wählerliste und dem Einwerfen der Wahlumschläge in die Wahlurne. Dieser Vorgang wurde gegen 17:30 Uhr abgeschlossen. Den Arbeitnehmern war der Zeitpunkt der Öffnung der Freiumschläge weder im Wahlausschreiben noch anderweitig mitgeteilt worden. Das Wahlergebnis wurde am 23. Juni 2017 bekannt gegeben.

Die Antragstellerin ist eine im Betrieb der Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft. Sie hat die Wahl mit der Begründung angefochten, der Wahlvorstand habe den Grundsatz der öffentlichen Wahlen verletzt. Die Antragstellerin hat deshalb beantragt, die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären. Betriebsrat und Arbeitgeberin haben dagegen beantragt, den Antrag abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat den Wahlanfechtungsantrag abgewiesen. Das LAG hat auf die Beschwerde der Antragstellerin dem Wahlanfechtungsantrag stattgegeben und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts  

Das BAG gab der Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen die Entscheidung des LAG statt.

Eine zur Anfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrVG berechtigende Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl folge nicht daraus, dass der Wahlvorstand Zeit und Ort der Öffnung der im Rahmen der Briefwahl eingegangenen Freiumschläge nicht ausdrücklich vorab mitgeteilt habe. Angesichts der im Wahlausschreiben enthaltenen Angaben zu den Öffnungszeiten des einzigen Wahllokals zur persönlichen Stimmabgabe sei dies nicht erforderlich gewesen. Da der Wahlvorstand die Freiumschläge nach § 26 Abs. 1 WO „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ öffne, bestehe kein Zweifel, an welchem Ort und zu welcher Zeit dies zu geschehen habe.

Auch die Annahme des LAG, der Wahlvorstand habe die eingegangenen Freiumschläge nicht erst unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe i.S.d. § 26 Abs. 1 S. 1 WO geöffnet, sei rechtsfehlerhaft. Dem Wahlvorstand stehe ein Einschätzungsspielraum zu, welchen Zeitraum er voraussichtlich für die gebotenen Handlungen benötigen werde. Ob der Wahlvorstand hierfür hätte zwei Stunden einplanen dürfen, konnte das BAG jedoch nicht entscheiden. Das hänge u. a. von der Anzahl der zu öffnenden Freiumschläge ab. Insoweit verwies das BAG den Fall an das LAG zur weiteren Sachaufklärung zurück. Jedenfalls sei es aber zulässig, hier einen angemessenen Sicherheitspuffer einzuplanen.

Der Anfechtungsantrag sei auch nicht deshalb begründet, weil der Wahlvorstand die eingegangenen Freiumschläge nicht in öffentlicher Sitzung geöffnet hätte. Die öffentliche Sitzung des Wahlvorstands sei am Wahltag durch schlüssiges Verhalten einberufen worden. Das Gesetz kenne keine Formvorschriften oder Fristen für die Ladung zu einer Sitzung des Wahlvorstands. Die Sitzung könne also auch spontan einberufen werden, wenn sich alle Mitglieder des Wahlvorstands im selben Raum befinden.

20.01.2021
Unterscheidung von Praktikum und Vorbeschäftigung im Befristungsrecht

Für die Abgrenzung, ob tatsächlich ein Praktikumsverhältnis und nicht ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist entscheidend darauf abzustellen, ob die betroffene Person entsprechend der Vorgaben der Ausbildungsverordnung beschäftigt wurde. 

LAG Berlin Brandenburg (10. Kammer), Urteil vom 12.3.2020 – 10 Sa 1953/19

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung. Die Klägerin war bei der Beklagten, dem Land Berlin, als Rettungsassistentin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war sachgrundlos befristet. Nach Ablauf der Befristung erhob die Klägerin Entfristungsklage. Sie war der Meinung, es liege eine Vorbeschäftigung gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG vor, die der sachgrundlosen Befristung entgegenstehe. In der Zeit vom 1. April 2007 bis 31. März 2008 bestand zwischen den Parteien bereits ein Vertragsverhältnis, welches als „Praktikantenvertrag“ betitelt war. Der Vertrag enthielt folgende Regelung:

Die Praktikantin wird während der praktischen Tätigkeit, die nach der Ausbildungsordnung gem. RettAssG und RettAssAPrV der staatlichen Anerkennung bzw. der Erlaubnis als Rettungsassistentin vorauszugehen hat, beschäftigt.“

Die Klägerin nahm während dieser Zeit entsprechend einer Bescheinigung im Januar 2008 auch am Unterricht im Rettungsassistenten-Berufspraktikum gemäß § 2 RettAssAPrV teil. Die Klägerin machte geltend, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handelte. Sie habe weisungsgebundene fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet und sei fest einer Feuerwache zugeteilt gewesen. Ihre Arbeit habe im Grunde vollständig der eines festangestellten Rettungsassistenten entsprochen. Während der Einsätze hätte weder eine theoretische noch eine praktische Schulung/Ausbildung stattgefunden. Nur bei maximal zehn Schichten sei sie zusammen mit einem Praktikantenbegleiter/Ausbilder eingesetzt gewesen. Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin

Das LAG wies die Berufung der Klägerin zurück. Es qualifizierte das erste Vertragsverhältnis der Parteien als Praktikum mit der Konsequenz, dass die Befristung des Arbeitsvertrages auch nicht gegen das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verstieß. Maßgeblich sei zunächst die vertragliche Vereinbarung. Nur wenn die praktische Durchführung des Vertrages davon abweichen sollte, käme es auf die tatsächliche Handhabung an. Eine solche Abweichung konnte das Gericht aber nicht feststellen. Die Klägerin wurde mit der praktischen Tätigkeit nach § 7 Abs. 1 RettAssG beschäftigt. Bei zehn Schichten, entsprechend 5-10 Prozent der Gesamtzeit des Praktikums, wurde die Klägerin von einem Praktikantenbegleiter/Ausbilder begleitet. Daneben besuchte sie den die praktische Tätigkeit begleitenden Unterricht gemäß § 2 RettAssAPrV. Die Ähnlichkeit des Inhalts der praktischen Tätigkeit mit dem eines Arbeitsverhältnisses lag angesichts des Ausbildungsziels (§ 3 RettAssG) auf der Hand. Selbst wenn das Praktikum hätte besser betreut werden können, würde ein solcher Mangel nicht dazu führen, dass das Vertragsverhältnis rechtlich als Arbeitsverhältnis zu bewerten wäre. Auch ein Vergleich mit § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MiLoG stütze das gefundene Ergebnis. Danach sind Praktikanten ausnahmsweise dann keine Arbeitnehmer im Sinne des MiLoG, wenn das Praktikum verpflichtend aufgrund einer Ausbildungsordnung geleistet wird.

20.01.2021
Einführung von Kurzarbeit durch Änderungskündigung

Eine fristlose Änderungskündigung mit dem Ziel, die Einführung von Kurzarbeit zu ermöglichen, kann im Einzelfall als betriebsbedingte Änderungskündigung nach § 626 BGB gerechtfertigt sein. Die Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesarbeitsgerichts zur reinen Entgeltreduzierung durch Änderungskündigung sind auf eine Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit nicht übertragbar.

ArbG Stuttgart, Urteil vom 22. Oktober 2020 – 11 Ca 2950/20

Sachverhalt

Die Klägerin war als Personaldisponentin für das beklagte Leiharbeitsunternehmen tätig. Sie verantwortete zuletzt die Einsatzplanung für den Bereich Soziales und Pflege. Mitte März 2020 wurden infolge des ersten Corona-Lockdowns sämtliche Kindergärten und Kindertagesstätten geschlossen. Die Agentur für Arbeit bewilligte für den Betrieb der Beklagten Kurzarbeitergeld. Mangels anderer Möglichkeiten, Kurzarbeit einzuführen, schloss die Beklagte mit ihren Mitarbeitern dazu Änderungsvereinbarungen ab. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankt. In einem Telefonat vom 9. April 2020 lehnte die Klägerin die telefonische Bitte des Geschäftsführers der Beklagten, eine entsprechende Änderungsvereinbarung abzuschließen, ab. Mit Schreiben vom 22. April 2020 sprach die Beklagte eine fristlose sowie hilfsweise ordentliche Änderungskündigung zum 31. Juli 2020 aus. Die Änderungskündigung sollte die Beklagte in die Lage versetzen, in der Zeit vom 18. Mai 2020 bis voraussichtlich 31. Dezember 2020 unter den Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III Kurzarbeit anzuordnen. Beginn und Ende der Kurzarbeit sowie die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit sollte der Arbeitgeber unter Wahrung einer Ankündigungsfrist von drei Wochen in Textform mitteilen dürfen. Die Klägerin nahm das Angebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und erhob Änderungsschutzklage zum Arbeitsgericht.

Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgarts

Das Arbeitsgericht wies die Klage, soweit hier von Interesse, ab. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung sei grundsätzlich sozial gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Erfordernisse das Änderungsangebot bedingen. Dabei seien allerdings die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit noch nicht (höchstrichterlich) geklärt. Nach Auffassung der Kammer sei jedoch die fristlose Änderungskündigung wirksam. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur sozialen Rechtfertigung einer Änderungskündigung zur reinen Entgeltreduzierung seien nicht anwendbar. Denn es werde nicht in das Äquivalenzinteresse eingegriffen, weil der Entgeltreduzierung infolge der Kurzarbeit auch eine geringere Arbeitszeit gegenüberstehe. Außerdem sei die Einführung von Kurzarbeit nur eine vorübergehende Maßnahme.

In der vorliegenden Konstellation lägen auch die Voraussetzungen für eine fristlose Änderungskündigung vor. Denn das Abwarten einer längeren Kündigungsfrist würde eine sinnvolle Nutzung der Kurzarbeit als Reaktionsmittel auf einen kurzfristigen Arbeitsausfall erschweren oder gar unmöglich machen. Die Änderungskündigung sei durch die zeitliche Vorlauffrist und die zeitliche Begrenzung auch verhältnismäßig. Ob durch den Abbau von Urlaub oder Überstundenguthaben mildere Mittel bestanden hätten, sei nicht zu entscheiden gewesen, da hierzu nichts vorgetragen worden sei.

10.12.2020
BAG-Urteil: Weiterbeschäftigung nach Abschluss eines dualen Studiengangs

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass nach dem Ende eines dualen Studienvertrags nicht nach § 78a BetrVG ein Arbeitsverhältnis entsteht, welches nach § 613a BGB auf den Arbeitgeber übergehen kann.

Sachverhalt

Die Beteiligte absolvierte seit dem 01. August 2013 ein duales Studium der Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Münster. Das Studium war in drei Abschnitte gegliedert. Für die praktische Studienzeit schloss die Beteiligte mit der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin einen "Studienvertrag" mit der Bezeichnung "Berufsintegrierende Ausbildung zum Bachelor of Arts". Der Studienvertrag enthielt unter anderem eine Ausbildung als Industriekauffrau und erwähnte ausdrücklich, dass die Anstellung der Ermöglichung eines dualen Studiums diente. Des Weiteren wurde ein Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen, in dessen Zeitraum die Beteiligte die Prüfung zur Industriekauffrau erfolgreich ablegte. Nach erfolgreicher Ablegung der weiteren zwei Studienabschnitte beendete sie ihr Studium. Die Beteiligte war zunächst Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung und später Mitglied des Betriebsrats.

Bereits vor Abschluss des Studiums wurde der Beteiligten durch die Arbeitgeberin mitgeteilt, dass sie im Anschluss an das Studium nicht übernommen werden könne, da § 78a BetrVG nicht anwendbar sei. Daraufhin beantragte die Beteiligte erfolglos, sie nach erfolgreichem Abschluss des dualen Studiums in ihrem erlernten Beruf weiter zu beschäftigen, hilfsweise erklärte sie sich bereit, auch ein anderes zumutbares Arbeitsplatzangebot anzunehmen. Die Beteiligte hat die Auffassung vertreten, zwischen ihr und der Arbeitgeberin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin sei nach § 78a Abs. 2 BetrVG mit Beendigung des Studienvertrags ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Die Arbeitgeberin hat in der Folge beim Arbeitsgericht Münster beantragt feststellen zu lassen, dass kein Beschäftigungsverhältnis nach Ende des Studienvertrages zustande gekommen sei. Das ArbG Münster entsprach dem Antrag. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Beschwerde der Beteiligten und des Betriebsrats abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten und des Betriebsrats hatten ebenfalls keinen Erfolg. Nach Auffassung des BAG ist kein Arbeitsverhältnis gem. § 78a Absatz 2 BetrVG zustande gekommen. Das durch den "Studienvertrag" begründete Rechtsverhältnis sei kein von § 78a BetrVG vorausgesetztes Berufsausbildungsverhältnis. Zwar finde § 78a BetrVG nicht nur auf die Berufsausbildung in staatlich anerkannten Ausbildungsberufen i. S. v. § 1 Abs. 2, § 4 BBiG Anwendung sondern sei u. U. auch auf andere Vertragsverhältnisse gem. § 26 BBiG anzuwenden, eine einheitliche Betrachtung von Berufsausbildung und Abschluss eines dualen Studiums sei jedoch nicht geboten.

Der Anspruch aus § 78a Abs. 2 BetrVG setze gleichbleibende Arbeitsbedingungen voraus, die bei der Beteiligten nicht vorgelegen hätten. Die Beteiligte hätte im Anschluss an ihre Ausbildung noch zwei weitere Studienabschnitte absolviert, der Wortlaut des § 78a Abs. 2 BetrVG setze allerdings ausdrücklich ein Berufsausbildungsverhältnis unmittelbar vor der Begründung eines Arbeitsverhältnisses voraus. Der Auszubildende solle danach zu den Bedingungen beschäftigt werden, die der zuletzt vor der Begründung des Arbeitsverhältnisses absolvierten Ausbildung entsprächen.

Eine einheitliche Betrachtung sei auch vor dem Hintergrund der Gesetzessystematik nicht geboten. § 78a Abs. 2 BetrVG sehe gerade ein kraft Gesetzes entstehendes Arbeitsverhältnis mit dem gleichen Tätigkeitsinhalt wie das im Ausbildungsverhältnis erlernten vor. Entscheidend sei demnach, ob die Beteiligte bei Beendigung des letzten Ausbildungsabschnitts ihres dualen Studiums in einem Berufsausbildungsverhältnis nach § 78a BetrVG stand. Auch eine analoge Gesetzesanwendung sei nicht angezeigt. Eine solche setze das Vorliegen einer unbewussten Regelungslücke voraus. Habe sich der Gesetzgeber jedoch bewusst für die Regelung oder Nichtregelung entschieden, so seien die Gerichte nicht befugt, sich über die gesetzgeberische Entscheidung durch eine Auslegung der Vorschrift hinweg zu setzen. Daher liege im vorliegenden Fall ein Berufsausbildungsverhältnis i. S. d. BBiG – und damit auch i. S. v. § 78a BetrVG – nicht vor.

Bewertung

Der Beschluss des BAG führt zu Rechtssicherheit für Arbeitgeber, die ein duales Studium ermöglichen. Aufgrund des stetig ansteigenden Interesses an der Absolvierung dualer Studiengänge ist das für die Praxis hilfreich.

Allerdings stellt das BAG in seinem Beschluss nicht abschließend klar, ob grundsätzlich die Möglichkeit besteht, am Ende des Ausbildungsabschnitts ein Arbeitsverhältnis gem. § 78a BetrVG zu begründen. Das ArbG Münster hatte in seinen Ausführungen weitergehend deutlich gemacht, dass § 78a BetrVG grundsätzlich nicht auf das duale Studium anwendbar ist. Da sich das BAG diesen Ausführungen nicht angeschlossen hat, bleibt es für Betriebe die ein duales Studium anbieten bei einem Restrisiko in den Fällen, in denen ein dualer Student nach Absolvierung des Ausbildungsabschnitts das Studium abbricht.

02.12.2020
Privacy Shield nicht mehr Rechtsgrundlage für Datentransfer in die USA

Der Europäische Gerichtshof hat das Datenschutzabkommen „Privacy Shield“ zwischen der EU und den USA für unwirksam erklärt. Als sichere Rechtsgrundlage kommt aber weiterhin die Verwendung der Standardvertragsklauseln der EU in Betracht.

„Privacy Shield“ genügt Datenschutzanforderungen nicht

Nach der Entscheidung zum Safe Harbour-Abkommen im Jahr 2015 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zum zweiten Mal die wesentliche Rechtsgrundlage für den Transfer personenbezogener Daten europäischer Bürger in die USA zu Fall gebracht. Laut EuGH genügt das Abkommen „Privacy Shield“ nicht den Datenschutzanforderungen der EU. Als maßgebliche Gründe hat der Gerichtshof die weitreichenden Möglichkeiten des Datenzugriffs der US-Behörden auf für Überwachungszwecke sowie unzureichende Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen identifiziert (vgl. Pressemitteilung des EuGH, Download 1).

Zugleich hat der jedoch auch entschieden, dass die so genannten Standardvertragsklauseln als mögliche weitere Grundlage für den Datentransfer in Drittstaaten weiterhin gültig sind. Allerdings müssen die Aufsichtsbehörden im Einzelfall letztlich prüfen und sicherstellen, dass die Standardklauseln in dem jeweiligen Drittland eingehalten werden (können). Sollte ein angemessenes Datenschutzniveau auch durch sonstige Maßnahmen nicht gewährleistet werden können, muss die Datenübermittlung in das betreffende Land ausgesetzt oder verboten werden. Mit Blick auf die kritische EuGH-Bewertung des Datenschutzniveaus in den USA, dürfte der Datentransfer in die USA auch auf Basis von Standardvertragsklauseln im Falle eines behördlichen Verfahrens zumindest risikobehaftet sein.

EU-Kommission kündigt schnelle Reaktion an

Es gilt nun, die durch das EuGH-Urteil erneut erzeugte Rechtsunsicherheit für die betroffenen Unternehmen zu beseitigen und das rechtliche Vakuum wieder zu füllen. Die EU-Kommission hat auf die bereits laufenden Arbeiten mit den US-Partnern an der Weiterentwicklung der Rechtsgrundlagen für den Datentransfer zwischen der EU und den USA verwiesen und eine schnelle und koordinierte Reaktion angekündigt (vgl. Pressestatement Jourova/Reynders, steht zum Download zur Verfügung). In einem ersten Schritt sollte diese möglichst in der Gewährung von angemessenen Übergangsfristen bestehen für die Unternehmen, die im Vertrauen auf die Gültigkeit des Privacy Shield ihre Datenprozesse organisiert haben.

06.10.2020
Entgelttransparenzgesetz – Kein Anspruch des Betriebsrats auf Bruttoentgeltlisten

Der Betriebsrat hat kein Einsichts- und Auswertungsrecht im Hinblick auf die Bruttoentgeltlisten nach § 13 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung berechtigterweise an sich gezogen hat. Dies hat das BAG mit Beschluss vom 28. Juli 2020 - 1 ABR 6/19 festgestellt.

Sachverhalt:

Die Arbeitgeberin, ein Telekommunikationsunternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten, machte von der im Entgelttransparenzgesetz vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Verpflichtung zur Erfüllung von Auskunftsverlangen der Beschäftigten generell zu übernehmen. In diesem Zusammenhang informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die in der ersten Jahreshälfte 2018 geltend gemachten Auskunftsverlangen und gewährte ihm Einblick in spezifisch aufbereitete Bruttoentgeltlisten, die sämtliche Entgeltbestandteile aufwiesen. Der Betriebsrat verlangte daraufhin von der Arbeitgeberin unter Hinweis auf § 13 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG, die Listen dem Betriebsausschuss in bestimmten elektronischen Dateiformaten zur Auswertung zu überlassen.

Entscheidungsgründe:

Das BAG hat das Begehren des Betriebsrats abgewiesen. Das Einsichts- und Auswertungsrecht in § 13 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG korrespondiere mit der nach der Grundkonzeption des Entgelttransparenzgesetzes dem Betriebsrat zugewiesenen Aufgabe, individuelle Auskunftsansprüche von Beschäftigten zu beantworten. Es bestehe daher nicht, wenn der Arbeitgeber diese Aufgabe selbst erfülle. Die physische Überlassung der Bruttoentgeltlisten könne der Betriebsrat daher ebenfalls nicht vom Arbeitgeber verlangen.

Bewertung:

Das BAG stellt zu Recht fest, dass dem Betriebsrat kein Einsichts- und Auswertungsrecht von Entgeltlisten nach § 13 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG zusteht, wenn der Arbeitgeber die Auskunftsansprüche von Beschäftigten selbst erfüllt. Hat der Arbeitgeber die Auskunftsverpflichtung nach dem Entgelttransparenzgesetz rechtmäßig an sich gezogen, schuldet er gegenüber dem Betriebsrat lediglich die umfassende und rechtzeitige Information über eingehende Auskunftsverlangen, sowie über seine Antwort. Einer Einsichtnahme und Auswertung der Entgeltlisten durch den Betriebsrat bedarf es nicht mehr. Vor diesem Hintergrund verneint das BAG richtigerweise erst recht einen Anspruch auf Überlassung der Bruttoentgeltlisten an den Betriebsrat nach § 13 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG.

Sollte der Arbeitgeber die Auskunftsverpflichtung nicht an sich gezogen haben, besteht nach Ansicht des BAG richtigerweise ebenfalls kein über das Einsichts- und Auswertungsrecht hinausgehender Anspruch des Betriebsrates auf Überlassung der Bruttoentgeltlisten. Ein solcher ergibt sich weder aus § 13 Abs. 3 EntgTranspG noch aus § 80 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BetrVG oder § 80 Abs. 2 S. 1 i. V. m. S. 2 Hs. 1 BetrVG, da es sich hierbei lediglich um Einsichtsrechte des Betriebsrates handelt.

28.09.2020
Entschädigung bei unerwarteter Quarantäne nach Dienstreise

Nach der bayerischen Einreise-Quarantäne-Verordnung (EQV) müssen sich Personen, die aus einem ausländischen Corona-Risikogebiet einreisen für zwei Wochen in Quarantäne begeben. Ausnahmen greifen allerdings bei notwendigen beruflichen Reisen und wenn ein negativer Corona-Test vorgelegt wird. In einzelnen Landkreisen, die besonders stark von Corona-Infektionen betroffen sind, können jedoch auch strengere Regelungen gelten.

Infolgedessen stellt sich die Frage, ob auch Arbeitnehmern, die nach einer Dienstreise eine solche Quarantäne antreten müssen und deswegen nicht arbeiten können, die staatliche Quarantäne-Entschädigung nach § 56 Abs. 1IfSG zusteht.

Bisher hatten wir darauf hingewiesen, dass während einer solchen Quarantäne das Entgelt vom Arbeitgeber als Art der dienstreisebedingten Aufwendung fortzuzahlen sein könnte und zwar unabhängig davon, ob die Region bei Ausreise bereits als Risikogebiet ausgewiesen war. Demnach wäre grundsätzlich keine staatliche Entschädigung in Betracht gekommen.

Aus dem bayerischen Gesundheitsministerium haben wir allerdings aktuell die Mitteilung bekommen, dass in solchen Fällen doch eine staatliche Entschädigung in Betracht kommt, in denen ein Gebiet erst während der Dienstreise zum Risikogebiet erklärt wird. Dann wäre ein Erstattungsantrag bei der zuständigen Bezirksregierung bis zu 12 Monate nach Ende der dienstreisebedingten Quarantäne möglich.

Bei Abreise in ein bereits bekanntes Risikogebiet wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein Entschädigungsanspruch in analoger Anwendung von § 254 BGB nicht in Betracht kommt. Soweit eine solche Dienstreise notwendig und unaufschiebbar sei, greife ohnehin nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EQV eine Ausnahme von der Quarantänepflicht (näheres hierzu unter obigem Link). Ist eine solche Dringlichkeit nicht gegeben, kommt auch keine staatliche Quarantäne-Entschädigung in Betracht. Nach unserer Einschätzung dürften die Arbeitsgerichte dann in solchen Fällen entscheiden, dass eine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber geboten ist.

20.07.2020
Altersrente: Transfergesellschaft und sich anschließende Arbeitslosigkeit

Das LSG München hat entschieden, dass auf die für eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte erforderlichen Mindestversicherungszeiten von 45 Jahren auch Zeiten von Arbeitslosigkeit im Anschluss an ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Transfergesellschaft nach bereits eingetretener Insolvenz des letzten Arbeitgebers anzurechnen sind.

Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Aufhebungsvertrag und der befristete Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft vom Insolvenzverwalter unterzeichnet worden seien, weil die Insolvenz in dieser Konstellation die wesentliche Ursache für die spätere Arbeitslosigkeit sei. Diese Auslegung orientiere sich am Wortlaut und stehe in Übereinstimmung mit Sinn und Zweck der Regelung und der Entstehungsgeschichte. Ein Missbrauch könne dabei ausgeschlossen werden, so das Landessozialgericht.

Sachverhalt

Der Kläger war bis zum 31. Januar 2012 bei einer Aktiengesellschaft (AG) und nach deren Insolvenzanmeldung im November 2011 noch vom 01.Februar 2012 bis zum 31.Oktober 2012 in einer Transfergesellschaft versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war der Kläger bis zum Beginn der Altersrente am 01. Juli 2015 arbeitslos. In einem zwischen dem Kläger, dem Insolvenzverwalter der AG und dem Geschäftsführer der Transfergesellschaft geschlossenen dreiseitigen Vertrag wurde neben der Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses mit der AG zugleich die Begründung eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses mit der Transfergesellschaft vereinbart.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährige Versicherte. Diese erfordert eine Mindestversicherungszeit von 45 Jahren (540 Monate) und ist nur gegeben, wenn die Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld des Klägers ab 01.11.2012 auf die Mindestversicherungszeiten angerechnet werden.

Dies hat die beklagte Rentenversicherung abgelehnt. Auf die Wartezeit von 45 Jahren würden Kalendermonate mit Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur angerechnet, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sei. Das sei im Fall des Klägers, dessen letzter Arbeitgeber die Transfergesellschaft gewesen sei, nicht der Fall. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.

Das LSG München hat sich auf die Berufung des Klägers dessen Auffassung angeschlossen und die Beklagte zur Gewährung der begehrten Rente verurteilt.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts sind die Voraussetzungen für eine insolvenzbedingte Arbeitslosigkeit i.S.d. § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 3 SGB VI auch dann erfüllt, wenn es nach bereits eingetretener Insolvenz des letzten Arbeitgebers zu einem Beschäftigungsverhältnis mit einer Transfergesellschaft und anschließend zu keinem Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber mehr gekommen ist und der Aufhebungsvertrag und der befristete Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft vom Insolvenzverwalter unterzeichnet worden sind.

Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass mit der Einschränkung auf die Tatbestände "vollständige Geschäftsaufgabe" und "Insolvenz" vor allem Fehlanreize im Sinne einer gesteuerten Frühverrentung und Mitnahmeeffekte beim Arbeitslosengeld vermieden werden sollten. Das BSG habe bereits entschieden, dass der Bezug von Arbeitslosengeld dann insolvenzbedingt sei, wenn die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht auf einer Erklärung des Arbeitgebers, sondern des Insolvenzverwalters beruhe. Dann könne ein Missbrauch durch Zusammenwirken zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeschlossen werden.

Für diese Auslegung sprächen auch arbeitsmarktpolitische Überlegungen. Die befristete Beschäftigung in einer Transfergesellschaft stehe in Zusammenhang mit dem Bezug von Transferkurzarbeitergeld nach dem SGB III und solle dem Versicherten ermöglichen, eine Anschlussbeschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Es handele sich also primär um eine aktivierende Maßnahme. Voraussetzungen für den Bezug von Transferkurzarbeitergeld sei aber ein noch bestehendes Beschäftigungsverhältnis. Würde man nun ältere Versicherte, die – wie der Kläger – nach eingetretener Insolvenz ihres Arbeitgebers nicht mehr weiter beschäftigt werden könnten, faktisch zwingen, die insolvenzbedingte Kündigung abzuwarten, um nicht die Anwartschaft auf die abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte zu verlieren, würde man sie der politisch ausdrücklich erwünschten Möglichkeit berauben, mit Hilfe der Förderungsmöglichkeiten in einer Transfergesellschaft doch noch eine Anschlussbeschäftigung zu finden und eine Arbeitslosigkeit gerade zu vermeiden.

Die Revision wurde zugelassen.

15.06.2020
Einsichtnahme in nicht-private Daten setzt keinen Verdacht einer Pflichtverletzung voraus

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – entschieden, dass die Einsichtnahme in auf einem Dienstrechner gespeicherte Daten des Arbeitnehmers, die nicht als privat gekennzeichnet sind, nicht zwingend einen durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung voraussetzt.

Sachverhalt:Die Parteien streiten über eine ordentliche Kündigung. Dem Kläger wurde durch die beklagte Arbeitgeberin ein Dienstwagen nebst Tankkarte auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Aufgrund des Verdachts, er habe Inhalte eines Audit-Berichts unerlaubt an Dritte weitergegeben, gestattete der Kläger die Überprüfung seines Dienst-Laptops. Dabei wies er darauf hin, dass sich als "privat" gekennzeichnete Daten auf dem Laptop befänden. In einem vom Kläger nicht als "privat" gekennzeichneten Ordner befand sich eine Aufstellung über die vom Kläger mit der Tankkarte durchgeführten Betankungen. In 14 von 89 Fällen tankte der Kläger mehr als der Tank nach den Angaben des Herstellers maximal fassten fassen konnte. Wegen des Verdachts, der Kläger habe mit der Tankkarte nicht nur seinen Dienstwagen betankt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich.

Gegen die Kündigung erhob der Kläger Klage, u. a. mit der Begründung, die Untersuchung seines Dienstrechners sei nicht verwertbar. Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG hat die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe: Das BAG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Es bestehe der dringende Verdacht, der Kläger habe nicht nur seinen Dienstwagen auf Kosten der Beklagten betankt. Die Auswertung des Dienstrechners sei verwertbar.

Der Verdacht einer Pflichtverletzung stelle einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, da er zum Verlust des notwendigen Vertrauens zwischen den Vertragsparteien führen. Das könne einen Eignungsmangel in der Person des Arbeitnehmers begründen, der dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar mache. Eine Verdachtskündigung sei daher eine personenbedingte Kündigung. Die in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerte Unschuldsvermutung stehe einer Verdachtskündigung nicht entgegen. Eine Verdachtskündigung sei als ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn dem Verdacht Tatsachen zu Grunde liegen, die eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt hätten.

Es bestehe kein Verwertungsverbot, da die Einsichtnahme in die Datei „Tankbelege“ sowie deren weitere Verarbeitung nach BDSG zulässig gewesen sei. Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen unter anderem dann erhoben werden, wenn dies für die Durchführung oder Beendigung des Beschäftigtenverhältnisses erforderlich sei. Dazu gehöre auch die die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt sowie die Aufklärung einer Pflichtverletzung.

15.06.2020
Datenschutzbehörde kann Betrieb einer Facebook-Fanpage untersagen

Der Betreiber eines im sozialen Netzwerk Facebook unterhaltenen Unternehmensauftritts (Fanpage) kann verpflichtet werden, seine Fanpage abzuschalten, falls die von Facebook zur Verfügung gestellte digitale Infrastruktur schwerwiegende datenschutzrechtliche Mängel aufweist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 11. September 2019, A.z. 6 C 15.18, entschieden.

Sachverhalt:
Gegenstand des Revisionsverfahrens war eine Anordnung der schleswig-holsteinischen Datenschutzaufsicht, mit der die Klägerin, eine in Kiel ansässige Bildungseinrichtung, unter der Geltung der Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 95/46/EG) verpflichtet worden war, die von ihr bei Facebook betriebene Fanpage zu deaktivieren. Der Bescheid beanstandete, dass Facebook bei Aufruf der Fanpage auf personenbezogene Daten der Internetnutzer zugreife, ohne dass diese gemäß den Bestimmungen des Telemediengesetzes über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung sowie ein Widerspruchsrecht gegen die Erstellung eines Nutzungsprofils für Zwecke der Werbung oder Marktforschung unterrichtet würden. Ein gegenüber der Klägerin als Betreiberin der Fanpage erklärter Widerspruch des Nutzers bleibe mangels entsprechender technischer Einwirkungsmöglichkeiten folgenlos.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat eine datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit der Klägerin abgelehnt, weil sie keinen Zugriff auf die erhobenen Daten habe. Dagegen wandte sich der Beklagte im vorliegenden Revisionsverfahren.

Entscheidung:

Auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 25. Februar 2016 - BVerwG 1 C 28.14) hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 5. Juni 2018 - C-210/16 - entschieden, dass der Betreiber einer Fanpage für die durch Facebook erfolgende Datenverarbeitung mitverantwortlich ist. Denn er ermöglicht durch den Betrieb der Fanpage Facebook den Zugriff auf die Daten der Fanpage-Besucher.
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf der Grundlage dieser bindenden Vorgabe das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Um das von der Datenschutzrichtlinie bezweckte hohe Datenschutzniveau möglichst zügig und wirkungsvoll durchzusetzen, konnte sich der Beklagte bei der Auswahl unter mehreren datenschutzrechtlichen Verantwortlichen vom Gedanken der Effektivität leiten lassen und ermessenfehlerfrei die Klägerin für die Herstellung datenschutzkonformer Zustände bei Nutzung ihrer Fanpage in die Pflicht nehmen. Er musste nicht gegen eine der Untergliederungen oder Niederlassungen von Facebook vorgehen, weil das wegen der fehlenden Kooperationsbereitschaft von Facebook mit erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Unsicherheiten verbunden gewesen wäre.

Erweisen sich die bei Aufruf der Fanpage ablaufenden Datenverarbeitungen als rechtswidrig, so stellt die Deaktivierungsanordnung ein verhältnismäßiges Mittel dar, weil der Klägerin keine anderweitige Möglichkeit zur Herstellung datenschutzkonformer Zustände offensteht.
Zur Frage der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Datenverarbeitungsvorgänge bedarf es einer näheren Aufklärung der tatsächlichen Umstände durch das Berufungsgericht. Die Rechtmäßigkeit der bei Aufruf der klägerischen Fanpage ablaufenden Datenverarbeitungsvorgänge ist an den Vorgaben des im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung gültigen Datenschutzrechts, insbesondere an den Vorschriften des Telemediengesetzes, denen die Klägerin als Betreiberin unterliegt, zu messen.

22.04.2020
BAG: Bei einem Unternehmensverkauf gilt der Schutz von Betriebsrenten

 

Die Betriebsparteien sind bei Eingriffen in Versorgungsrechte an die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden. Insofern findet das sogenannte dreistufige Prüfungsschema auch Anwendung, wenn eine Versorgungsordnung (VO) infolge eines Betriebsübergangs durch eine beim Erwerber bereits geltende Betriebsvereinbarung abgelöst wird. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 22.10.2019 entschieden (Az.: 3 AZR 429/18).

Dem Kläger war bei seinem ursprünglichen Arbeitgeber eine betriebliche Altersversorgung nach einer Betriebsvereinbarung zugesagt worden. Im Jahr 1998 kam es zu einer Verschmelzung mit der Betriebserwerberin, bei der es zu diesem Zeitpunkt zwei bereits geschlossene Ruhegeldordnungen (RGO I und II) sowie ein nicht geschlossenes Versorgungswerk (BV VO) in Form von Gesamtbetriebsvereinbarungen gab.

Im Jahr 2000 schloss die Erwerberin mit den zuständigen Gewerkschaften einen Tarifvertrag, der Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung für die ehemaligen Mitarbeiter der ursprünglichen Arbeitgeberin enthielt. Danach sollten die RGO I und II einmalig geöffnet und die übernommenen Arbeitnehmer in diese Versorgungsordnungen so einbezogen werden, als hätten sie ihre gesamte Betriebszugehörigkeit beim Erwerber verbracht. Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat schlossen darauf eine Gesamtbetriebsvereinbarung für die übernommenen Arbeitnehmer (BV Überleitung).

Der Kläger erhielt auf dieser Grundlage ein Altersruhegeld. Im Juni 2014 teilte die Beklagte dem Kläger - wie auch einer Vielzahl anderer ehemaliger Mitarbeiter der ursprünglichen Arbeitgeberin - mit, dass sein Ruhegeld fehlerhaft berechnet worden sei. Sie zahlte ab Juli 2014 das von ihr neu ermittelte niedrigere Ruhegeld. Der Kläger begehrt mit seiner Klage ein Altersruhegeld in der bisher gezahlten Höhe. Die Ablösung der beim Veräußerer geltenden Versorgungsordnung entfalte keine Wirkung. In den Vorinstanzen blieb die Klage erfolglos. Der Kläger legte Revision ein.

Das Bundesarbeitsgericht hat der Revision stattgegeben und die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zurückverwiesen. Die beim Erwerber bestehende BV VO sei ungeeignet gewesen, die beim Veräußerer geltende Versorgungsordnung abzulösen. Die damit verbundenen Eingriffe hielten einer Überprüfung anhand des dreistufigen Prüfungsschemas nicht stand. Erst die später durch den TV 2000 geregelten Verschlechterungen seien gerechtfertigt.

Die tariflichen Bestimmungen hielten sich im Rahmen der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Diese Grundsätze führten bei Tarifverträgen zu einer gegenüber dem dreistufigen Prüfungsschema eingeschränkten Überprüfung. Die Betriebsparteien hätten in der BV Überleitung gegenüber dem TV 2000 jedoch weitere Verschlechterungen vorgenommen, die vom Tarifvertrag nicht gedeckt waren. Insoweit sei die BV Überleitung wegen des gesetzlich vorgesehenen Tarifvorrangs teilunwirksam. Das Landesarbeitsgericht müsse das dem Kläger zustehende Ruhegeld nun neu ermitteln.

01.04.2020
Auswirkungen des Corona-Virus auf bestehende Mietverträge

Zur Eindämmung der Risiken der COVID-19-Pandemie haben die Bundesländer u. a. die Schließung sämtlicher Einzelhandelsgeschäfte mit Ausnahme versorgungsnotwendiger Geschäfte (etwa für den Verkauf von Lebensmitteln und Getränken) angeordnet. Diese staatlich angeordneten bzw. teilweise bereits zuvor vorbeugend freiwillig erfolgten Schließungen führen zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen auf Seiten der gewerblichen Mieter, die dadurch nicht selten in Zahlungsschwierigkeiten geraten.

Um die hieraus resultierenden Folgen abzumildern, hat der Bundesrat am 27. März 2020 das am 25. März 2020 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht verabschiedet. Die gesetzlichen Regelungen sehen dabei u. a. auch Sonderregelungen für Miet- und Pachtverhältnisse sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich vor.

Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht

So ist gemäß Art. 240 § 2 EGBGB das Kündigungsrecht der Vermieter aus wichtigem Grund aus § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB hinsichtlich Mietverhältnissen über Grundstücke oder Räume sowie Pachtverhältnissen ausgeschlossen, wenn die Mieter im Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 die Miete nicht leisten und glaubhaft machen, dass die Nichtleistung gerade auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und keinen sonstigen Umständen (wie etwa bereits zuvor bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten) beruht. An die erforderliche Glaubhaftmachung werden dabei keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Erforderlich ist, dass Tatsachen dargelegt werden, aus denen sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass die Nichtleistung der Mietzahlungen auf der COVID-19-Pandemie beruht. Dabei soll regelmäßig der Hinweis genügen, dass der Betrieb des Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung des Virus durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist.

Der Bundesregierung steht außerdem das Recht zu, den Zeitraum, in dem eine Kündigung wegen unterbliebener Mietzahlungen ausgeschlossen ist, durch Rechtsverordnung bis zum 30. September 2020 zu verlängern. Zudem ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung von den beschlossenen Regelungen durch vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen.

Zu beachten ist dabei, dass alle sonstigen vertraglich vereinbarten oder gesetzlich vorgesehenen Kündigungsrechte unberührt bleiben. Entsprechendes gilt für die allgemeinen Regelungen zur Fälligkeit der Miete und hinsichtlich des Eintritts des Zahlungsverzugs. Insofern wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt, dass die Pflicht zur vollständigen Zahlung des vertraglich geschuldeten Mietzinses ungeachtet der COVID-19-Pandemie im Grundsatz fortbesteht.

Unklare Rechtslage hinsichtlich Miethöhe und Minderung

Zur Frage einer möglichen Berechtigung zur Kürzung der geschuldeten Miete treffen die neuen Regelungen keine Aussage.

Nach den allgemeinen mietrechtlichen Regelungen ist davon auszugehen, dass Mieter angesichts der beschriebenen Schließungen nicht berechtigt sein dürften, die Mietzahlungen aufgrund der Annahme eines Sach- oder Rechtsmangels gemäß § 536 Abs. 1 BGB vollständig einzustellen oder anteilig zu mindern. Da Mieter von Einzelhandelsgeschäften aufgrund der bundesweit geltenden behördlichen Schließungsanordnungen alle in gleicher Weise betroffen sind, beruht die Nutzungsbeschränkung gerade nicht auf dem Zustand, der Beschaffenheit oder der Lage der einzelnen Mietobjekte, sodass die Annahme eines Mangels ausgeschlossen sein dürfte.

Nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann aber die Möglichkeit zur Anpassung der geschuldeten Miete nach den Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) – jedenfalls soweit die Schließungen behördlich angeordnet wurden und nicht freiwillig erfolgt sind. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines erheblichen Umstands, den die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht berücksichtigt hatten, und ferner, dass die Vertragspartien, hätten sie diesen Umstand gekannt, eine besondere vertragliche Regelung diesbezüglich getroffen hätten. Weiterhin darf die Veränderung der Vertragsgrundlage nicht allein in die Risikosphäre einer der beiden Parteien fallen, wobei insofern neben der vertraglichen vor allem auch die gesetzliche Risikoverteilung zu berücksichtigen ist.

Im Fall behördlicher Schließungsanordnungen entfällt die Nutzbarkeit des Mietgegenstandes für den vereinbarten Mietzweck für einen längeren Zeitraum vollständig. Eine flächendeckend angeordnete Schließung sämtlicher nicht versorgungsnotwendiger Einzelhandelsgeschäfte in ganz Deutschland dürfte einen derart außergewöhnlichen und nicht bedachten Umstand darstellen, der im Ergebnis auch nicht allein der Risikosphäre des Mieters zugeordnet werden kann. Im Fall von lediglich vorbeugend erfolgten, mithin freiwilligen Schließungen wäre dies allerdings schon weniger eindeutig.

Schwierigkeiten bei der Begründung einer Störung der Geschäftsgrundlage könnten sich allerdings mit Blick auf die im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht getroffenen Regelungen insofern ergeben, als im Rahmen des § 313 BGB – wie aufgezeigt – auch die gesetzliche Risikoverteilung zu berücksichtigen ist. Die oben dargestellten Neuregelungen verschieben die gesetzliche Risikoverteilung im Hinblick auf die Berechtigung zur Kündigung des Mietverhältnisses zulasten der Vermieter und mildern damit die Folgen der COVID-19-Pandemie für die Mieter durch den vorübergehenden Ausschluss des Kündigungsrechts wegen Nichtzahlung der Miete ab. Daher bedarf es wohl eines erhöhten Begründungsaufwands, um darzulegen, dass zusätzlich eine Vertrags- bzw. Mietanpassung zu erfolgen hat.

Bejaht man gleichwohl das Vorliegen der Voraussetzungen der Störung der Geschäftsgrundlage, ist der betroffene Vertrag grundsätzlich anzupassen (§ 313 Abs. 1 BGB), bevor lediglich im Ausnahmefall ein Kündigungsrecht in Betracht kommt (§ 313 Abs. 3 S. 2 BGB). Auf welche Weise die Vertragsanpassung zu erfolgen hat, lässt sich der Regelung des § 313 BGB dabei nicht entnehmen. Allerdings besteht in der Rechtsprechung eine gewisse Tendenz, das Risiko im Zweifel – d.h. wenn es keine Anhaltspunkte für eine andere Risikozuweisung gibt – zwischen den Parteien hälftig zu teilen ist, sodass eine Mietreduzierung um 50 % in Betracht kommt. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass die im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht getroffene Risikoverteilung zusätzlich auch bei der Berechnung der Quotelung zu berücksichtigen ist.

Weitere Fragestellungen

Aufgrund der fehlenden weitergehenden mietrechtlichen Regelungen stellen sich – abgesehen von der Frage einer möglichen Anpassung der Miethöhe – auch darüber hinaus Folgefragen.

So lässt das Gesetz offen, welche Rechtsfolgen sich in der aktuellen Situation im Hinblick auf die bestehenden Mietsicherheiten ergeben. Da die Mietzahlungen auch weiterhin fällig werden und die Mieter damit ggf. in Verzug geraten, sollten sie ihre Zahlungspflichten nicht erfüllen, ist den Vermietern der Zugriff auf die bestehenden Mietsicherheiten nicht verwehrt. Dies kann jedoch zu einem Widerspruch führen, wenn etwa gewerbliche Mietverträge eine Pflicht zum Auffüllen der in Anspruch genommenen Mietsicherheiten vorsehen, ggf. sogar kombiniert mit einem Kündigungsrecht für den Fall, dass eine Auffüllung nicht erfolgt; ausweislich der Gesetzesbegründung sollen nämlich sonstige Kündigungsrechte, d. h. solche, die nicht auf einem Zahlungsverzug hinsichtlich des Mietzinses beruhen, ausdrücklich unberührt bleiben. Auch im Hinblick auf das gesetzliche Vermieterpfandrecht nach § 562 BGB gibt es zahlreiche Fragen. Denn auch insofern steht den Vermietern der Rückgriff im Fall nicht erfolgter Mietzahlungen weiterhin offen. Die Beantwortung all dieser Folgefragen hat dabei jedoch vor allem anhand der konkreten vertraglichen Vereinbarungen zu erfolgen und bedarf sorgfältiger Analysen des konkreten Sachverhalts und des betreffenden Mietvertrags.

Ausblick

Ganz generell ist zu beachten, dass es in der derzeitigen Situation nur schwer möglich ist, die (miet)rechtlichen Konsequenzen der COVID-19-Pandemie abschließend zu beurteilen. Bis zum Vorliegen entsprechender Gerichtsentscheidungen sowie einer ausführlichen Auseinandersetzung in der Rechtswissenschaft ist daher zu empfehlen, die geschuldeten Mieten zunächst für den Zeitraum, in welchem Geschäfte nicht geöffnet werden dürfen, in vollem Umfang weiterzuzahlen – wenngleich unter dem Vorbehalt der Rückforderung. In jedem Fall sollte davon abgesehen werden, die Mietzahlungen einseitig einzustellen oder die Miete zu kürzen. Ein solches Vorgehen könnte auch weiterhin ein Kündigungsrecht des Vermieters begründen und/oder diesen zur Ausübung seines Vermieterpfandrechts bzw. zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen berechtigen.

Zu empfehlen ist den Vertragsparteien, im gegenseitigen Einvernehmen Vereinbarungen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Konsequenzen zu treffen, die die jeweiligen Interessen der Parteien angemessen berücksichtigen und daher für beide Seiten wirtschaftlich tragbar sind.

17.03.2020
Ausschluss Befristeter von einer arbeitgeberfinanzierten bAV? Nicht so einfach!

Wird mit der arbeitgeberfinanzierten bAV nicht nur die Betriebstreue belohnt, sondern weitere Zwecke verfolgt, können befristet Beschäftigte nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden.

Das entschied das LAG Niedersachsen (Urteil vom 05.09.2019 –4 Sa 5/19 B) und gewährte einem Arbeitnehmer Versorgungsleistungen. Diese wurden vom Arbeitgeber verweigert, weil nur unbefristet Beschäftigte unter 55 Jahren ins Versorgungswerk aufgenommen wurden. Der klagende Arbeitnehmer hatte jedoch beim Wechsel von einem befristeten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis die Altersgrenze bereits überschritten. Dazu das LAG: Zwar ist nach BAG-Rechtsprechung (15.01.2013 –3 AZR 4/11) der Ausschluss befristet Beschäftigter zulässig, da mit der bAV die Betriebstreue belohnt werden soll. Aber die Versorgungsordnung sah auch eine die gesetzliche Rente ergänzende Versorgung als Zweck vor. Der steht auch befristet Beschäftigten zu. Diese dürfen nach TzBfG nicht schlechter gestellt werden als unbefristet Beschäftigte. Das letzte Wort hat in diesem Fall das BAG (Rev. 3 AZR 433/19).

Bedeutung für die Praxis:

- Wer befristet Beschäftigte von der arbeitgeberfinanzierten Versorgung nach Maßgabe des Urteils rechtswirksam ausschließen will, sollte in der Versorgungsordnung ausschließlich auf die Belohnung der Betriebstreue als Versorgungszweck abstellen.

- In der Praxis wird die arbeitgeberfinanzierte Versorgung oft erst nach einer Wartezeit von z. B. zwei Jahren gewährt. Zeiten der Befristung sollten dann auf diese Wartezeit angerechnet werden. Befristet und unbefristet Beschäftigte werden damit gleichbehandelt.

- Hinweis: Abseits einer arbeitgeberfinanzierten Versorgung haben auch befristet Beschäftigte unter den Voraussetzungen des § 1ai. V. m. § 17 Abs. 1 S. 3 BetrAVG einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung

 

 

17.03.2020
Kein Urlaubsanspruch in Freistellungsphasen!

Arbeitnehmer haben für den Zeitraum der Freistellungsphase im Rahmen einer Altersteilzeit im Blockmodell keinen Anspruch auf Erholungsurlaub.

Das BAG (24.09.2019 –9 AZR 481/18) festigte damit seine erst jüngst entwickelte Rechtsprechung (BAG vom 19.03.2019 –9 AZR 315/17): Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist jahresbezogen nach der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht zu berechnen. Da für die Zeit der Freistellung im Rahmen der Altersteilzeit die Anzahl der Arbeitstage „null“ beträgt, entsteht auch kein Urlaubsanspruch. Bei Wechsel von Arbeits- zu Freistellungsphase im Kalenderjahr ist der Urlaub entsprechend anteilig zu berechnen. Das BAG gibt seine frühere Rechtsprechung auf (vgl. z. B. BAG vom 06.05.2014 –9 AZR 678/12 zu unbezahltem Sonderurlaub), die das Entstehen von Urlaubsansprüchen lediglich an ein bestehendes Arbeitsverhältnis knüpfte.

 

Bedeutung für die Praxis:

- Nach nunmehr herrschender Meinung kann auch bei Zeitwertkontenmodellen geregelt werden, dass während einer Freistellungsphase keine Arbeitstage erbracht und damit ein Urlaubsanspruch von null Tagen entsteht.

- Wurde bei bestehenden Zeitwertkontenmodellen bereits ein Urlaubsanspruch in den Rahmenbedingungen eingeräumt, gilt diese Regelung für den Bestand weiter. Mit Wirkung für Neuteilnehmer könnten die Regelungen jedoch –je nach Rechtsbegründungsakt –angepasst werden.

 


 

 

17.03.2020
Bei der „Opfergrenze“ ist Schluss! Haftung für Pensionskassenleistungen im Insolvenzfall

Kürzt eine Pensionskasse Leistungen und wird der für die zugesagten Leistungen haftende Arbeitgeber insolvent, müssen mindestens 50 % der Betriebsrente geschützt sein („Opfergrenze“).

Das gab der EuGH (19.12.2019, C-168/18) mit Verweis auf die „Zahlungsunfähigkeits-Richtlinie“ als Mindestschutz vor. Zusätzlich muss in Einzelfällen geprüft werden, ob die Kürzung „als offensichtlich unverhältnismäßig anzusehen ist“, obwohl der Betroffene mindestens 50 % der Betriebsrente erhält. Dies ist laut EuGH dann der Fall, wenn der Versorgungsberechtigte wegen der Kürzung unterhalb der von Eurostat für den betreffenden Mitgliedsstaat ermittelten Armutsgefährdungsschwelle lebt oder zukünftig leben müsste. Wird die „Opfergrenze“ verletzt, steht der PSV oder ersatzweise der Staat für die Differenz ein. Um diese Staatshaftung zu vermeiden, will der Gesetzgeber bestimmte Pensionskassen ins PSV-System einbeziehen.

Bedeutung für die Praxis:

- Der Gesetzentwurf (Erstentwurf 7. SGB IV-ÄndG vom 12.11.2019) zur PSV-Beitragspflicht bei bestimmten Pensionskassen, wurde zunächst wieder verworfen. Das gilt auch für die ebenfalls im genannten Erstentwurf enthaltene Abschaffung der Arbeitgebererklärung nach § 2 Abs. 2 bzw. 3 BetrAVG zur Anwendung der versicherungsförmigen Lösung. Es bleibt zu hoffen, dass diese notwendige Erklärung baldmöglichst ersatzlos gestrichen wird!

- Viele beitragsorientierte Leistungszusagen (boLZ) beinhalten mittlerweile Garantien unterhalb der eingezahlten Beitragssumme. Nach h. M. gibt das BetrAVG nicht vor, dass bei einer boLZ die eingezahlten Beiträge bei Leistung zur Verfügung stehen müssen. Als Untergrenze greift wohl auch hier die „Opfergrenze“.

16.03.2020
Informationspflichten in der bAV: Worüber müssen Arbeitgeber informieren?

Arbeitgeber trifft keine allgemeine Informationspflicht, um Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Sobald aber Auskünfte erteilt werden, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Ansonsten haftet der Arbeitgeber für Schäden.

Ein Arbeitnehmer forderte vom Arbeitgeber Schadenersatz in Höhe der auf seine PK-Einmalkapitalzahlung entfallenden Sozialversicherungsbeiträge.

Begründung: Er hätte vor Abschluss der Entgeltumwandlung in 2003 über die anstehende gesetzliche Neuerung (Beitragspflicht auf Kapitalzahlung) informiert werden müssen. Dem folgte das BAG (18.02.2020 –3 AZR 206/18, Pressemitteilung), entgegen der Vorinstanz (LAG Hamm vom 06.12.2017 –4 Sa 852/17), nicht: Da seinerzeit überhaupt nicht über Beitragspflichten zur Sozialversicherung unterrichtet wurde, könne es keine Hinweispflicht auf gesetzliche Änderungen und damit auch keine Pflichtverletzung geben. Ob es zumindest dann eine Hinweispflicht auf gesetzliche Änderungen gibt, wenn „überobligatorisch“ zum von der Änderung betroffenen Thema informiert wird, ließ das Gericht offen.

Bedeutung für die Praxis:

Paradox: Wenn der Arbeitgeber überobligatorisch informiert und dabei Fehler macht, könnte er für daraus resultierende Schäden haften. Klärt er hingegen gar nicht über Sachverhalte auf, über die er nicht zwingend informieren muss, haftet er nicht. Das widerspricht der gängigen Praxis, zur Schadenersatzvermeidung auf alle erdenklichen Nachteile einer Entgeltumwandlung hinzuweisen.

Aus gegebenem Anlass nachfolgend ein kurzer Überblick über Informationspflichten:

- Weder aus dem BetrAVG noch aus der Rechtsprechung ergibt sich eine Pflicht, Arbeitnehmer proaktivüber die bAV im Allgemeinen bzw. über gesetzliche Bestimmungen wie z. B. den Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung nebst Arbeitgeberzuschuss zu informieren (vgl. o. g. Urteil bzw. BAG vom 21.01.2014 –3 AZR 807/11, Rn. 12). Das schließt freiwillige Informationen nicht aus. Diese müssen dann jedoch korrekt und aktuell sein.

- Sobald Arbeitnehmer aktiv nachfragen, greifen Infopflichten z. B. zum Versorgungsträger der bAV und zur Zusageart (vgl. BAG vom21.01.2014 –3 AZR 807/11, Rn. 13). Auch § 4a BetrAVG nimmt Arbeitgeber in die Pflicht: Arbeitnehmer können z. B. Infos darüber verlangen, wie eine bAV erworben wird oder wie hoch der Anspruch aus der bisher erworbenen Anwartschaft ist.

- Ob bzw. auf welche „Haken“ der Arbeitgeber speziell bei Entgeltumwandlung hinweisen muss, lässt sich –wie das o.g. Urteilzeigt–nicht bis ins letzte Detail klären. Aus diesem Grund gilt auch weiterhin: Schadensersatz kann man nur dann sicher vermeiden, wenn man über besonders wichtige Punkte aktiv und inhaltlich korrekt aufklärt. Das gebietet auch die Fairness und vermeidet Vertrauensschäden.

- Auch während der Anwartschaftsphase muss der Arbeitgeber nach§ 4a BetrAVG auf Verlangen z. B. über die Höhe der bereits bestehenden unverfallbaren Anwartschaft informieren. Tritt aufgrund einer freiwilligen, aber falschen Unverfallbarkeitsbestätigung ein Schaden ein, haftet der Arbeitgeber dafür (vgl. zu diesem Fall LAG Nürnberg vom 12.10.2018 –8 Sa 176/18).

Wie die genannten Informationspflichten erfüllt werden, ist Sache des Arbeitgebers. § 4a BetrAVG spricht von „Textform“ (§ 126b BGB: lesbar, dauerhafter Datenträger). Eine gesetzliche Pflicht, eine Versorgungsordnung zu erstellen, gibt es nicht. Eine Versorgungsordnung ist aber zur rechtssicheren Ausgestaltung der eigenen bAV dringend zu empfehlen und kann auch als Informationsquelle zur Erfüllung bestimmter Informationspflichten dienen. Ergänzend bedarf es aber weiterer Dokumente wie z. B. Informationsschreiben zur Höhe der bisher erworbenen Anwartschaft, wenn ein Arbeitnehmer dies nach § 4a BetrAVG verlangt. Aus einer Versorgungsordnung lassen sich diese Informationen i. d. R. nicht entnehmen.

Nicht den Arbeitgeber, sondern den Versicherer treffen weitere Informationspflichten nach VVG bzw. VAG. Arbeitnehmer müssen bspw. auch schon vor Abschluss einer Direktversicherungs-Entgeltumwandlung nach § 6 VAG-InfoV vom Versicherer z. B. mittels im Internet abrufbarer Informationen zu Versorgungsdetails informiert werden. Diese Infos kann auch der Arbeitgeber nutzen.

09.12.2019
Information des Betriebsrats bei Schwangerschaften

Information des Betriebsrats bei Schwangerschaften

Umfasst ein allgemeiner Auskunftsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eine besondere Kategorie personenbezogener Daten (sensitive Daten im datenschutzrechtlichen Sinn), ist Anspruchsvoraussetzung, dass der Betriebsrat zur Wahrung der Interessen der von der Datenschutzmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer angemessene und spezifische Schutzmaßnahmen trifft. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 09. April 2019 – 1 ABR 51/17 entschieden.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin hatte schwangeren Arbeitnehmerinnen die Möglichkeit eingeräumt, der Weitergabe der Information über die Anzeige der Schwangerschaft an den Betriebsrat zu widersprechen. Der Betriebsrat vertrat die Auffassung, dass die Arbeitgeberin ihm jede von einer Arbeitnehmerin angezeigte Schwangerschaft mitzuteilen habe. Seine Informations- und Kontrollrechte seien gegenüber dem Vertraulichkeitsinteresse einer widersprechenden Arbeitnehmerin vorrangig. Die Arbeitgeberin war hingegen der Ansicht, dass der Betriebsrat seiner Aufgabe auch mit einer anonymisierten Auskunft nachkommen könne.

Entscheidung

Das BAG führt aus, dass sich der Betriebsrat für die erstrebte Unterrichtung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) nicht lediglich auf die Überwachung von nicht näher bezeichneten, zugunsten schwangerer Arbeitnehmerinnen geltenden mutterschutzrechtlichen Pflichten der Arbeitgeberin berufen kann. Seine Überwachungsaufgabe iSv. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG müsse vielmehr genau benannt werden. Ein nur genereller Verweis würde keine Prüfung ermöglichen, welches Ge- oder Verbot der Betriebsrat zu überwachen beabsichtige und inwieweit er dafür die Unterrichtung über die angezeigte Schwangerschaft unter Namensnennung benötige.

Der Auskunftspflicht der Arbeitgeberin stehe ein Widerspruch der schwangeren Arbeitnehmerin nicht entgegen. Die Erfüllung der gesetzlich zugewiesenen Aufgaben des Betriebsrats stünde nicht zur Disposition der Arbeitnehmer und sei nicht von ihrer vorherigen Einwilligung abhängig. Die Ausübung von Beteiligungsrechten sei datenschutzrechtlich nicht von vornherein unzulässig, die Betriebsparteien müssten aber die Anforderungen des Datenschutzes beachten.

Die Schwangerschaft sei ein Gesundheitsdatum im datenschutzrechtlichen Sinne, so dass es um die Verarbeitung einer besonderen Kategorie personenbezogener Daten iSv. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO gehe, die bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 BDSG im Beschäftigungskontext erlaubt sei. Habe der Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG einen Anspruch auf die Mitteilung des Namens der schwangeren Arbeitnehmerin, sei die damit verbundene Datenverarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Pflicht aus dem Arbeitsrecht erforderlich. Hierfür bedürfe es der Feststellung, dass die vom Betriebsrat verlangte Information - vorliegend das sensitive Datum - unerlässlich sei, um sich der Aufgabe überhaupt annehmen zu können. Lägen Schutzmaßnahmen iSv. § 26 Abs. 3 Satz 3 iVm. § 22 Abs. 2 BDSG vor, bestünde kein Grund zur Annahme, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Arbeitnehmerinnen an dem Ausschluss der Verarbeitung überwögen.

Fehle es hingegen an angemessenen und spezifischen Maßnahmen zur Wahrung der Interessen Betroffener, sei die Verarbeitung sensitiver Daten unzulässig. Bei der Weitergabe sensitiver Daten an den Betriebsrat habe der Arbeitgeber die Beachtung des Gebots angemessener und spezifischer Schutzmaßnahmen iSv. § 26 Abs. 3 Satz 3 iVm. § 22 Abs. 2 BDSG nicht in der Hand. Hierauf bezogene Vorgaben an den Betriebsrat seien ihm aufgrund dessen Unabhängigkeit als Strukturprinzip der Betriebsverfassung verwehrt. Daher habe der Betriebsrat bei der Geltendmachung eines auf sensitive Daten gerichteten Auskunftsbegehrens das Vorhalten von Maßnahmen darzulegen, welche die berechtigten Interessen betroffener Arbeitnehmer wahren. Zu solchen Maßnahmen könnten die Datensicherheit, die Gewähr begrenzter Zugriffsmöglichkeiten sowie die Datenlöschung nach Beendigung der Überwachungsaufgabe gehören. Den Betriebsrat träfe soweit eine spezifische Schutzpflicht, unabhängig davon, ob er Teil der verantwortlichen Stelle sei.

Folgen der Entscheidung

Das BAG betont, dass der Betriebsrat die konkrete normative Vorgabe, deren Durchführung er überwachen will, aufzuzeigen hat. Der allgemeine Hinweis auf die Überwachung gesetzlicher Schutzpflichten des Arbeitgebers genügt nicht. Nur so kann im Einzelfall geprüft werden, ob der Betriebsrat für die Wahrnehmung seiner Aufgaben tatsächlich eine Unterrichtung über ein personenbezogenes Datum benötigt oder nicht.

Die Entscheidung des BAG unterstreicht die datenschutzrechtlichen Pflichten des Betriebsrats, die unabhängig davon bestehen, ob der Betriebsrat als Teil der verantwortlichen Stelle anzusehen ist. Das Dilemma des Arbeitgebers, nicht kontrollieren zu können, ob diese Vorgaben tatsächlich eingehalten werden, wird nicht gelöst. Die Darlegungspflicht des Betriebsrats von Maßnahmen zum Schutz sensitiver Daten ist aber ein wichtiger Schritt. Die Frage, ob der Betriebsrat als verantwortliche Stelle anzusehen ist, lässt das BAG unbeantwortet.

 

09.12.2019
Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern bei Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 25. Juni 2019 - II ZB 21/18 entschieden, dass die Beurteilung, ob die entsprechenden Zeitarbeitnehmer beim Schwellenwert zu berücksichtigen sind, arbeitsplatzbezogen und nicht personenbezogen zu erfolgen hat.

Die Mindesteinsatzdauer in § 14 Abs. 2 S. 5 AÜG ist arbeitsplatzbezogen zu verstehen. Maßgeblich ist danach, ob das Unternehmen während eines Jahres über die Dauer von mehr als sechs Monaten Arbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern besetzt, unabhängig davon, ob es sich dabei um den Einsatz bestimmter und wechselnder Leiharbeitnehmer handelt und ob die Leiharbeitnehmer auf demselben oder auf verschiedenen Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Ist dies der Fall, sind die betreffenden Arbeitsplätze bei der Bestimmung des Schwellenwerts nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG mitzuzählen, wenn die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern über die Dauer von sechs Monaten hinaus regelmäßig erfolgt.

Sachverhalt

Die Antragsgegnerin zu 2 beschäftigt zum überwiegenden Teil fest angestellte Arbeitnehmer und daneben im Umfang von etwa einem Drittel der Belegschaft Zeitarbeitnehmer, deren Anzahl in Abhängigkeit von der Auftragslage schwankt. Die Zahl der festangestellten Arbeitnehmer und der Zeitarbeitnehmer mit einer tatsächlichen oder prognostizierten Beschäftigungsdauer von mehr als sechs Monaten betrug an den Stichtagen 28. Februar 2017 und 19. Mai 2017 ebenso wie im Zeitraum von Januar 2017 bis März 2018 im Durchschnitt insgesamt nie mehr als 1.878 Beschäftigte, wohingegen die Zahl der fest angestellten Arbeitnehmer und sämtlicher Zeitarbeitnehmer, d. h. auch solcher mit Beschäftigungsdauer von weniger als sechs Monaten, an beiden Stichtagen und im angegebenen Zeitraum im Durchschnitt jeweils über 2.000 Beschäftigten lag. Der Antragsteller hat die Feststellung beantragt, dass bei den Antragsgegnerinnen ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu bilden ist.

Entscheidungsgründe

Der BGH hat wie das Beschwerdegericht entschieden, dass die in § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG vorausgesetzte Einsatzdauer von mehr als sechs Monaten arbeitsplatz- und nicht arbeitnehmerbezogen zu verstehen ist. Abzustellen sei daher nicht auf die Dauer des Einsatzes der einzelnen Zeitarbeitnehmer, sondern darauf, wie viele Arbeitsplätze in einem Unternehmen regelmäßig über die Dauer von sechs Monaten hinaus mit - auch wechselnden - Zeitarbeitnehmern besetzt sind.

In der Literatur war umstritten, wie die Einsatzdauer von über sechs Monaten in § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG zu verstehen ist. Nach erster Ansicht knüpfte § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG an die individuelle Einsatzdauer des Zeitarbeitnehmers an und sei somit arbeitnehmerbezogen. Mitzuzählen seien daher nur die Zeitarbeitnehmer, deren persönliche Einsatzdauer in dem entleihenden Unternehmen tatsächlich oder nach der konkreten Planung voraussichtlich sechs Monate übersteigt. Anschließend sei in einem weiteren Schritt festzustellen, ob die demnach zu berücksichtigenden Zeitarbeitnehmer auch zu den "in der Regel" in dem Unternehmen Beschäftigten im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG zu zählen seien. Die Gegenauffassung versteht die Mindesteinsatzdauer in § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG arbeitsplatzbezogen. Zeitarbeitnehmer seien bei der Bestimmung der Beschäftigtenzahl mitzuzählen, wenn sie auf einem dauerhaft eingerichteten bzw. regelmäßig zu besetzenden Arbeitsplatz eingesetzt werden und dieser Arbeitsplatz länger als sechs Monate mit - auch wechselnden - Zeitarbeitnehmern besetzt wird. Werde diese Einsatzdauer nicht erreicht, sei danach zu unterscheiden, ob es sich um einen in der Regel vorhandenen und sonst mit Stammarbeitnehmern besetzten Arbeitsplatz handelt, der nur zeitweise mit Zeitarbeitnehmern besetzt wird, oder ob der Arbeitsplatz nur kurzzeitig etwa zur Bewältigung von Auftragsspitzen, zu besetzen war. Im ersten Fall sei der Arbeitsplatz für die Bestimmung des Schwellenwerts mitzuzählen, im zweiten Fall nicht.

Der BGH ist der Auffassung, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG keinen Aufschluss darüber gibt, wonach die Mindesteinsatzdauer zu bestimmen ist. Der Begriff der „Einsatzdauer" sei als solcher neutral und könne sich sowohl auf den Einsatz einer bestimmten Person als auch auf die Besetzung von Arbeitsplätzen beziehen. Für eine personenbezogene Betrachtung lasse sich anführen, dass die Vorschrift im Übrigen von der Berücksichtigung von Zeitarbeitnehmern und nicht von mit Zeitarbeitnehmern besetzten Arbeitsplätzen spricht. Andererseits stellt § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG nur auf „die", nicht aber auf „die jeweilige" Einsatzdauer ab. Die Gesetzesmaterialien enthielten keine nähere Begründung zu § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG. Dem Argument der Befürworter einer personenbezogenen Auslegung stehe entgegen, dass § 1 Abs. 1b S. 2 AÜG ausdrücklich auf „denselben" Zeitarbeitnehmer abstellt, während § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG abstrakt von der Einsatzdauer spricht. Für eine arbeitsplatzbezogene Auslegung spreche hier, dass § 14 Abs. 2 S. 6 AÜG eine Regelung zur Berücksichtigung der Zeitarbeitnehmer im Rahmen des Anwendungsschwellenwerts von § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG trifft, dem seinerseits eine arbeitsplatzbezogene Betrachtung zugrunde liegt. Der Anwendungsschwellenwert des § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG bestimme sich nach den „in der Regel" beschäftigten Arbeitnehmern des Unternehmens. Der Einwand der Rechtsbeschwerde, dass das Mitbestimmungsgesetz in § 10 Abs. 2 S. 2, § 18 S. 2 MitbestG i.V.m. § 7 Abs. 2 BetrVG betreffend das aktive Wahlrecht von Zeitarbeitnehmern auch auf eine personenbezogene Betrachtung der Mindesteinsatzdauer abstelle, gebe keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Das aktive Wahlrecht sei ein höchstpersönliches Recht des einzelnen Zeitarbeitnehmers, für das auch dessen persönliche Bindung an den Entleiherbetrieb von Bedeutung ist. Für die - für § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG maßgebliche - Größe des Unternehmens spiele die persönliche Bindung des einzelnen Zeitarbeitnehmers jedoch keine Rolle. Insofern stelle es auch keinen Widerspruch dar, wenn zunächst (arbeitsplatzbezogen) anhand der Größe des Unternehmens auf Grundlage der Stammarbeitsplätze und der in der Regel länger als sechs Monate besetzten Leiharbeitsplätze festgestellt wird, ob überhaupt ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat zu bilden ist, während bei der anschließenden Wahl (personenbezogen) auch Zeitarbeitnehmer aktiv wahlberechtigt sind, die weniger als sechs Monate im Unternehmen beschäftigt werden.

Folgen der Entscheidung

Aufgrund des Wortlauts der Norm hätte eine Berücksichtigung von Zeitarbeitskräften beschränkt auf den Fall der dauerhaften Anwesenheit desselben Beschäftigten im Unternehmen nahegelegen. Die arbeitsplatzbezogene Betrachtung berücksichtigt nicht ausreichend den Grund für die Zurechnung. Dieser kann allenfalls in der Person des Arbeitnehmers liegen und nicht in der abstrakten Bemessung von Arbeitskräften.

 

29.10.2019
Altersteilzeit im Blockmodell - kein Urlaub für die Freistellungsphase

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 24. September 2019 (BAG, Aktenzeichen: 9 AZR 481/18) entschieden, dass nach Beendigung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell kein Anspruch auf Abgeltung von Urlaub für die sog. Freistellungsphase besteht.

Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten im Rahmen eines Vollzeitarbeitsverhältnisses beschäftigt. Ab dem 01. Dezember 2014 setzten die Parteien das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit der Hälfte der bisherigen Arbeitszeit fort. Nach dem vereinbarten Blockmodell war der Kläger bis zum 31. März 2016 im bisherigen Umfang zur Arbeitsleistung verpflichtet und anschließend bis zum 31. Juli 2017 von der Arbeitsleistung freigestellt. Während der Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erhielt er sein auf der Grundlage der reduzierten Arbeitszeit berechnetes Gehalt zuzüglich der Aufstockungsbeträge. Dem Kläger stand nach dem Arbeitsvertrag jährlich an 30 Arbeitstagen Urlaub zu. Im Jahr 2016 gewährte ihm die Beklagte an acht Arbeitstagen Erholungsurlaub. Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, für die Freistellungsphase der Altersteilzeit habe er Anspruch auf insgesamt 52 Arbeitstage Urlaub gehabt, den die Beklagte abzugelten habe.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Entscheidung

Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, muss die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus berechnet werden, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage, vgl. BAG 19. März 2019 - 9 AZR 406/17 -).

Einem Arbeitnehmer, der sich in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befindet und im gesamten Kalenderjahr von der Arbeitspflicht entbunden ist, steht mangels Arbeitspflicht kein gesetzlicher Anspruch auf Erholungsurlaub zu. Die Freistellungsphase ist mit „null“ Arbeitstagen in Ansatz zu bringen. Vollzieht sich der Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase im Verlauf des Kalenderjahres, muss der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht berechnet werden.

Bei einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell sind Arbeitnehmer in der Freistellungsphase weder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen noch nach Maßgabe des Unionsrechts Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben. Diese Grundsätze gelten auch für den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für die Berechnung des Urlaubsanspruchs während der Altersteilzeit keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben.

21.10.2019
Einsichtnahme in nicht-private Daten setzt keinen Verdacht einer Pflichtverletzung voraus

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 31. Januar 2019 – 2 AZR 426/18 – entschieden, dass die Einsichtnahme in auf einem Dienstrechner gespeicherte Daten des Arbeitnehmers, die nicht als privat gekennzeichnet sind, nicht zwingend einen durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung voraussetzt.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über eine ordentliche Kündigung. Dem Kläger wurde durch die beklagte Arbeitgeberin ein Dienstwagen nebst Tankkarte auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Aufgrund des Verdachts, er habe Inhalte eines Audit-Berichts unerlaubt an Dritte weitergegeben, gestattete der Kläger die Überprüfung seines Dienst-Laptops. Dabei wies er darauf hin, dass sich als "privat" gekennzeichnete Daten auf dem Laptop befänden. In einem vom Kläger nicht als "privat" gekennzeichneten Ordner befand sich eine Aufstellung über die vom Kläger mit der Tankkarte durchgeführten Betankungen. In 14 von 89 Fällen tankte der Kläger mehr als der Tank nach den Angaben des Herstellers maximal fassten fassen konnte. Wegen des Verdachts, der Kläger habe mit der Tankkarte nicht nur seinen Dienstwagen betankt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich.

Gegen die Kündigung erhob der Kläger Klage, u. a. mit der Begründung, die Untersuchung seines Dienstrechners sei nicht verwertbar. Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG hat die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Es bestehe der dringende Verdacht, der Kläger habe nicht nur seinen Dienstwagen auf Kosten der Beklagten betankt. Die Auswertung des Dienstrechners sei verwertbar.

Einordnung einer Verdachtskündigung

Der Verdacht einer Pflichtverletzung stelle einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, da er zum Verlust des notwendigen Vertrauens zwischen den Vertragsparteien führen. Das könne einen Eignungsmangel in der Person des Arbeitnehmers begründen, der dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar mache. Eine Verdachtskündigung sei daher eine personenbedingte Kündigung.

Die in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerte Unschuldsvermutung stehe einer Verdachtskündigung nicht entgegen. Eine Verdachtskündigung sei als ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn dem Verdacht Tatsachen zu Grunde liegen, die eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt hätten.

Nutzung der Daten

Es bestehe kein Verwertungsverbot, da die Einsichtnahme in die Datei „Tankbelege“ sowie deren weitere Verarbeitung nach BDSG zulässig gewesen sei. Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen unter anderem dann erhoben werden, wenn dies für die Durchführung oder Beendigung des Beschäftigtenverhältnisses erforderlich sei. Dazu gehöre auch die die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt sowie die Aufklärung einer Pflichtverletzung.

§ 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG a.F. entfalte keine Sperrwirkung. Eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber sei nicht nur zur Aufdeckung von Straftaten zulässig. Erfolgt die Erhebung offen und wurde der Arbeitnehmer im Vorfeld darauf hingewiesen, welche legitimen Gründe diese Einsichtnahme erfordern und dass er Dateien durch eine Kennzeichnung als „privat“ von einer Einsichtnahme ausschließen könne, muss der Arbeitnehmer billigerweise mit einem Zugriff auf vermeintlich dienstliche Daten rechnen.

Folgen der Entscheidung

Der dringende Verdacht einer Pflichtverletzung begründet einen Eignungsmangel in der Person des Arbeitnehmers, der eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen kann.

Das BAG erachtet wenig intensiv eingreifende Datenerhebungen auch ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdacht nach § 32 BDSG a. F. als zulässig. Die vom BAG aufgestellten Grundsätze sind auf die neue Rechtslage nach DS-GVO und BDSG übertragbar. § 32 BDSG a. F. entspricht nahezu dem Wortlaut des § 26 BDSG n. F., zudem weist das BAG in seinem Urteil ausdrücklich darauf hin, dass die streitgegenständliche Datenverarbeitung auch nach DS-GVO zulässig gewesen wäre.

 

14.10.2019
Sachgrundlose Befristung bei 22 Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung

Wird ein Arbeitnehmer 22 Jahre nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erneut bei demselben Arbeitgeber eingestellt, kommt das Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in verfassungskonformer Auslegung regelmäßig nicht zur Anwendung.

BAG, Urteil vom 21. August 2019 – 7 AZR 452/17

Streit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer sachgrundlosen Befristungsabrede. Die Beklagte beschäftigte die Klägerin von Oktober 1991 bis November 1992 als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld. Im Oktober 2014, rund 22 Jahre später, stellte die Beklagte die Klägerin als Telefonserviceberaterin im Servicecenter erneut ein. Zunächst befristete die Beklagte das Arbeitsverhältnis bis Juni 2015 sachgrundlos und verlängerte dieses anschließend bis Juni 2016. Die Beklagte meint, nach Ablauf dieser Befristung habe das Arbeitsverhältnis geendet. Hiergegen wendet sich die Klägerin und verlangte die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung im Juni 2016 geendet hat.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht Neumünster wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein der Klage statt. Die Revision der Beklagten zum Bundesarbeitsgericht hatte Erfolg. Die sachgrundlose Befristung sei trotz der rund 22 Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung der Arbeitnehmerin wirksam.

Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG

Den Ausgangspunkt des Streits bildet der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Hiernach ist eine sachgrundlose Befristung nicht zulässig und damit unwirksam, wenn mit demselben Arbeitgeber „bereits zuvor“ ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Gesetzeswortlaut sieht keinerlei zeitliche Begrenzung vor, nach welcher eine Vorbeschäftigung unberücksichtigt bleiben kann. Der Wortlaut erfasst daher grundsätzlich alle Vorbeschäftigungen, unabhängig davon, wie lang sie im Zeitpunkt einer neuen Einstellung zurückliegen.

Vorgaben aus Karlsruhe – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Früher nahm das Bundesarbeitsgericht einschränkend an, das Vorbeschäftigungsverbot gelte nicht für eine mehr als drei Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung (BAG, Urteil v. 06.04.2011 – 7 AZR 716/09). In diesen Fällen fehle es an der Gefahr von missbräuchlichen Befristungsketten, die durch die Vorschrift verhindert werden sollen. Gegen diese Rechtsprechung wandten sich Arbeitnehmer mit Verfassungsbeschwerden an das Bundesverfassungsgericht, weil sie beim Bundesarbeitsgericht mit ihren Entfristungsklagen aufgrund einer mehr als drei Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung scheiterten. Das Bundesverfassungsgericht hielt die aufgestellte Dreijahresgrenze für unvereinbar mit dem Wortlaut von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG und stellte klar, dass der Wille des Gesetzgebers, der eine zeitliche Einschränkung nicht vorgenommen habe, übergangen werde und die gezogene zeitliche Grenze eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung darstelle (BVerfG, Beschlüsse v. 06.06.2018 – 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14).

Rechtsprechungsänderung

Anschließend gab das Bundesarbeitsgericht die Dreijahresgrenze auf (BAG, Urteil v. 23.01.2019 – 7 AZR 733/16). In seiner Entscheidung hielt es sich jedoch offen, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG weiterhin im Wege der verfassungskonformen Auslegung einzuschränken, wenn das Vorbeschäftigungsverbot für die Beteiligten „unzumutbar“ wäre. Das sei möglich, wenn die Vorbeschäftigung „sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist“. Die zur Entscheidung anstehende, acht Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung lag nach dem Bundesarbeitsgericht in diesem Sinne nicht sehr lang zurück.

Die nunmehr zur Entscheidung anstehende, rund 22 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung lag nach dem Bundesarbeitsgericht in diesem Sinne sehr lange zurück. Die Vorbeschäftigung der Klägerin konnte unberücksichtigt bleiben und die sachgrundlose Befristung war wirksam. Eine starre zeitliche Grenze zog das Bundesarbeitsgericht jedoch nicht, weil „besondere Umstände“ ausnahmsweise die Berücksichtigung einer derart lang zurückliegenden Vorbeschäftigung notwendig machen können.

Folgerungen für die Praxis

Durch die jüngste Entscheidung konkretisiert die Rechtsprechung weiter, wie lange eine Vorbeschäftigung zurückliegen muss, um in den Anwendungsbereich des Vorbeschäftigungsverbots gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zu fallen. Vorbehaltlich besonderer Umstände genügen acht Jahre zwischen dem Ende der Vorbeschäftigung und der Neueinstellung grundsätzlich für die Anwendung des Verbots und bewirken die Unwirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung, während eine 22 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung regelmäßig „sehr lang“ zurückliegen und das Vorbeschäftigungsverbot unangewendet bleiben kann. Einer inzwischen veröffentlichten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil v. 17.04.2019 – 7 AZR 323/17) ist zu entnehmen, dass auch 15 Jahre nicht ausreichen, um einen „sehr langen“ Zeitraum zu begründen. Wo liegt also die Grenze? Die Antwort findet sich wohl in der Parallele, die der 7. Senat zu § 622 Abs. 2 BGB zieht, wonach bei der Festlegung der Dauer der Kündigungsfristen die längste Kündigungsfrist erst nach einer Dauer des Arbeitsverhältnisses von 20 Jahren eingreift. Damit ist klar, wohin die Reise wohl geht: Nur Vorbeschäftigungen, die mehr als 20 Jahre zurückliegen, werden von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht erfasst. Offen ist weiterhin, wann das Bundesarbeitsgericht von einem „ganz anders gearteten“ Beschäftigungsverhältnis ausgeht, das zur Einschränkung des Vorbeschäftigungsverbots führt.

Quellenangabe: Gleiss Lutz Hootz Hirsch PartmbB

14.10.2019
Unwirksame Pauschalvergütung von Überstunden

Eine tarifvertragsersetzende Gesamtbetriebsvereinbarung ist unwirksam, soweit sie bestimmt, dass Arbeitnehmer bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit und regelmäßiger Mehrarbeit hierfür als Ausgleich pauschal eine näher bestimmte Anzahl freier Arbeitstage im Kalenderjahr erhalten.

BAG, Urteil vom 26. Juni 2019 - 5 AZR 452/18

Streit über die Vergütung von Mehrarbeit

Die Parteien streiten über die Vergütung behaupteter Mehrarbeit. Der Kläger ist bei der Beklagten als Gewerkschaftssekretär mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Laut der für den Arbeitsvertrag geltenden Gesamtbetriebsvereinbarung „Allgemeine Arbeitsbedingungen“ werden Gewerkschaftssekretären, die regelmäßig Mehrarbeit oder Arbeit zu ungünstigen Zeiten sowie Mehrarbeit an Wochenenden oder Feiertagen leisten, als Ausgleich pauschal neun freie Arbeitstage im Kalenderjahr gewährt. Dies gilt nach einer Erklärung der Beklagten sowie einer gemeinsamen Erklärung der Vertragsparteien nicht für Gewerkschaftssekretäre, die keine regelmäßige Mehrarbeit leisten. Diese haben einen Anspruch auf Überstunden- und Zeitzuschläge (= 30 % Überstundenzuschlag). Der Kläger verlangt die Vergütung von 255,77 Stunden Mehrarbeit, die seine Vorgesetzten auf Zeiterfassungsbögen abgezeichnet haben. Die Beklagte meint, sämtliche Überstunden des Klägers seien mit den neun Ausgleichstagen pauschal abgegolten.

Entscheidung des BAG

Nachdem das Arbeitsgericht Nürnberg die Klage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht Nürnberg die Berufung zurückgewiesen hatte, hatte die Revision zum Bundesarbeitsgericht Erfolg. Die Gesamtbetriebsvereinbarung sei teilunwirksam und der Kläger habe einen Anspruch auf die Vergütung von Mehrarbeitsstunden zuzüglich des in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehenen Zuschlags von 30 %.

Undeutlich formuliert und unsachlich differenziert

Das Bundesarbeitsgericht gelangt zu diesem Ergebnis, weil die Gesamtbetriebsvereinbarung gegen das Gebot der Normenklarheit verstoße und nicht dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz genüge, soweit sie für bestimmte Gewerkschaftssekretäre eine Pauschalvergütung von Überstunden vorsieht. Ein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit liege vor, weil der Anwendungsbereich der Norm der Gesamtbetriebsvereinbarung mit der Voraussetzung „regelmäßiger Mehrarbeit“ nicht hinreichend klar ersichtlich werde. Die von der Norm betroffenen Gewerkschaftssekretäre könnten nicht hinreichend deutlich erkennen, in welchem Fall regelmäßige Mehrarbeit anzunehmen sei und in welchem Fall nicht. Überdies genüge die vorgesehene Differenzierung zwischen Gewerkschaftssekretären mit und ohne „regelmäßige Mehrarbeit“ nicht dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Regelmäßigkeit von Überstunden sei kein taugliches Differenzierungskriterium dafür, ob die Vergütung von Überstunden pauschaliert oder konkret nach den tatsächlich geleisteten Überstunden abgegolten wird.

 

Vergütungshöhe als Differenzierungskriterium

Bekannt ist die Rechtsprechung zur formularmäßigen Pauschalabgeltung von Überstunden in Individualarbeitsverträgen, die das Bundesarbeitsgericht in dem ihm vorliegenden Fall von 20 Überstunden pro Monat bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden billigte (BAG 16.5.2012 – 5 AZR 331/11). Nun kontrolliert es unter dem Begriff der Normenklarheit eine Gesamtbetriebsvereinbarung, die gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB von der AGB-Kontrolle ausgenommen ist, ähnlich intensiv wie einen Formulararbeitsvertrag anhand des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dass eine konkretere Definition „regelmäßiger Mehrarbeit“ allein der Betriebsvereinbarung nicht zur Wirksamkeit verholfen hätte, teilt einem das Bundesarbeitsgericht für die Zukunft freundlicherweise unter Verweis auf den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz mit – auch, dass die Regelmäßigkeit an sich kein taugliches Differenzierungskriterium ist. Die Betriebspartner stehen nun vor der Frage, was taugliche Differenzierungskriterien sein können. Jedenfalls zulässig muss es sein, nach der Vergütungshöhe zwischen den Beschäftigten zu differenzieren. Denn danach unterscheidet die Rechtsprechung schließlich, ob Arbeitnehmer die objektive Erwartung einer Vergütung ihrer Überstunden haben konnten (BAG 17.8.2011 – 5 AZR 406/10).

Quelle:Gleiss Lutz Hootz Hirsch PartmbB


 

 

14.10.2019
Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern in der Unternehmensmitbestimmung

Bei der Feststellung über die Bildung eines Aufsichtsrats nach dem MitbestG ist die Mindesteinsatzdauer der Leiharbeitnehmer in § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG arbeitsplatzbezogen zu verstehen. Entscheidend ist, ob das Unternehmen während eines Jahres über die Dauer von mehr als sechs Monaten Arbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern besetzt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich dabei um den Einsatz bestimmter oder wechselnder Leiharbeitnehmer handelt und ob die Leiharbeitnehmer auf demselben oder auf verschiedenen Arbeitsplätzen eingesetzt werden.

BGH, Beschluss vom 25. Juni 2019 – II ZB 21/18

Streit über die zwingende Bildung eines Aufsichtsrats nach dem MitbestG

Die Beteiligten streiten über die zwingende Bildung eines Aufsichtsrats bei beiden Antragsgegnerinnen nach den Vorschriften des MitbestG. Eine der zwei Antragsgegnerinnen, die Antragsgegnerin 1, ist eine GmbH und hält 95 % der Geschäftsanteile der Antragsgegnerin 2. Zwischen den Antragsgegnerinnen besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die Antragsgegnerin 2 ist eine GmbH, die als Logistikunternehmen überwiegend fest angestellte Arbeitnehmer sowie im Umfang von einem Drittel der Belegschaft Leiharbeitnehmer beschäftigt. Während sie nie mehr als durchschnittlich 1.878 fest angestellte Arbeitnehmer und Leiharbeitnehmer mit einer tatsächlichen oder prognostizierten Beschäftigungsdauer von mehr als sechs Monaten beschäftigte, betrug die Zahl aller fest angestellten Arbeitnehmer sowie sämtlicher Leiharbeitnehmer auch mit einer kürzeren Beschäftigungsdauer im Durchschnitt über 2.000 Beschäftigte.

Der antragsstellende Gesamtbetriebsrat der Antragsgegnerin 2 begehrt die Feststellung, dass bei beiden Antragsgegnerinnen ein Aufsichtsrat nach dem MitbestG, hilfsweise bei der Antragsgegnerin 2 ein Aufsichtsrat nach dem DrittelbG zu bilden ist.

Entscheidung des BGH

Nachdem das Landgericht Hannover die Hauptanträge zurückgewiesen und dem Hilfsantrag auf Bildung eines Aufsichtsrats nach dem DrittelbG bei der Antragsgegnerin 2 stattgegeben hatte, stellte das OLG fest, dass bei beiden Antragsgegnerinnen ein Aufsichtsrat nach dem MitbestG zu bilden sei. Der BGH bestätigt die Entscheidung des OLG. Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerinnen ist unbegründet.

Arbeitsplatzbezogene Einsatzdauer von sechs Monaten

Leiharbeitnehmer sind bei der Ermittlung von Schwellenwerten i. S. d. MitbestG gem. § 14 Abs. 2 Satz 5 und 6 AÜG zu berücksichtigen, wenn ihre Einsatzdauer sechs Monate übersteigt. Die Einsatzdauer müsse arbeitsplatz-, nicht arbeitnehmerbezogen verstanden werden. Für diese Auslegung enthielten der Wortlaut und die Gesetzesmaterialien keine näheren Anhaltspunkte. In systematischer Hinsicht spreche für ein arbeitsplatzbezogenes Verständnis aber, dass die streitgegenständliche Vorschrift eine Regelung zur Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer i. R. d. Anwendungsschwellenwerts von § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG trifft, die ihrerseits arbeitsplatzbezogen sei. Nach dem Sinn und Zweck solle zudem bei größeren Unternehmen mit einer regelmäßig die Schwellenwerte überschreitenden Anzahl von Arbeitnehmern die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Willensbildung der Unternehmensführung gewährleistet werden. Insofern sei die abstrakte Anzahl der im Unternehmen Beschäftigten bedeutend, nicht deren persönliche Bindung oder Eingliederung. Ob diese Arbeitsplätze mit wechselnden Leiharbeitnehmern besetzt würden, sei unerheblich. Deshalb seien sämtliche Leiharbeitnehmer der Antragsgegnerin 2 zu berücksichtigen. Die Anzahl der Leiharbeitnehmer sei über den Durchschnittszeitraum von über einem Jahr hinweg nicht gesunken, sondern gestiegen. Es müsse deshalb von einem kontinuierlichen, sechs Monate übersteigenden Einsatz ausgegangen werden.

Arbeitsplatzbezogene Bestimmung der Unternehmensgröße

Seit der Schaffung des § 14 Abs. 2 Satz 5 AÜG im Jahre 2017 bestand Uneinigkeit über die Auslegung der in § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG geforderten Einsatzdauer von sechs Monaten. Nun ist die Streitfrage dahingehend geklärt, dass der abstrakte, dauerhafte Einsatz von Leiharbeitnehmern für die Unternehmensgröße entscheidend ist und arbeitsplatzbezogen bestimmt wird. Die Auslegung trägt dem Sinn und Zweck der Regelung Rechnung. Auch ein dauerhafter Einsatz von wechselnden Leiharbeitnehmern prägt das gesamte Unternehmen, sodass das Bedürfnis nach einer Mitbestimmung der Arbeitnehmer steigt und für die Gesellschaft zugleich zumutbar ist.

Quelle:Gleiss Lutz Hootz Hirsch PartmbB



 

14.10.2019
Altersstaffelung von Sozialplanleistungen

Wenn Arbeitnehmer von einer Betriebsänderung betroffen sind, liegt es im Ermessen der Einigungsstelle, ob und welche Nachteile ausgeglichen und welche lediglich gemildert werden sollen. Die Bestimmung der ausgleichsbedürftigen Nachteile unterliegt einem Beurteilungsspielraum. Der vollständige Ausschluss rentennaher Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen ist gerechtfertigt, wenn dies erforderlich und angemessen ist.

BAG, Beschluss vom 7. Mai 2019 – 1 ABR 54/17

Sachverhalt

Nach einer Betriebsstilllegung streiten die Beteiligten über die Wirksamkeit eines auf Einigungsstellenspruch beruhenden Sozialplans. Um die aus der beschlossenen Betriebsstilllegung resultierenden wirtschaftlichen Nachteile abzumildern, sah der Sozialplan Abfindungen nach der Formel Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsentgelt x Faktor vor, wobei der Faktor altersgestaffelt über drei Stufen stieg von 0,15 (bis 45,99 Jahre), auf 0,25 (bis 52,99 Jahre), auf 0,32 (bis 60,99 Jahre) und anschließend wieder auf 0,25 (ab 61 Jahre) sank. Von der Abfindungszahlung ausgeschlossen waren solche Arbeitnehmer, die nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I eine Altersrente in Anspruch nehmen können. Der Betriebsrat meint, der Spruch der Einigungsstelle überschreite durch die Bemessung des Sozialplanvolumens die Ermessensgrenzen und der Ausschluss älterer Arbeitnehmer aus dem Abfindungssystem stelle eine Altersdiskriminierung dar.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht Hamburg wies den Antrag ab. Das Landesarbeitsgericht stellte die Unwirksamkeit des Sozialplans fest, soweit Arbeitnehmer von einer Abfindung ausgeschlossen wurden, die nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I eine vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmen können. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Weder überschreite der Einigungsstellenspruch das eingeräumte Ermessen noch verletze er den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Keine Unterdotierung der Sozialplanleistungen

Die niedrigen Abfindungsbeträge aufgrund der relativ kleinen Faktoren unterschreiten nicht die Grenze des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Durch den Sozialplan sollen die mit der Betriebsstilllegung verbundenen Nachteile nicht vollständig ausgeglichen, sondern nur gemildert werden. Dies drücke auch die verfolgte Überbrückungsfunktion des Sozialplans durch die altersabhängigen Faktoren aus, die die unterschiedlichen Arbeitsmarktchancen von Arbeitnehmern widerspiegeln. In den Altersgruppen seien die besseren Chancen einer Anschlussbeschäftigung der jeweiligen Altersgruppen berücksichtigt worden. Bei der Bemessung der den Arbeitnehmern auszugleichenden Nachteile dürfe die Einigungsstelle solche pauschalen und typisierenden Annahmen zu den Aussichten auf dem Arbeitsmarkt zugrunde legen. Diese Annahmen stützen schließlich auch die Angaben der Bundesagentur für Arbeit zur durchschnittlichen Arbeitslosendauer.

Zulässiger Ausschluss rentennaher Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen

Es liege hingegen eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn Arbeitnehmer, die unmittelbar nach ihrem Ausscheiden oder nach Bezug von Arbeitslosengeld I eine Altersrente beanspruchen können, von Sozialplanleistungen ausgeschlossen werden. Die Benachteiligung sei jedoch gem. § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG i. V. m. § 10 Satz 2 AGG gerechtfertigt, sofern die Ungleichbehandlung angemessen und erforderlich sei. Diese Voraussetzungen liegen nach der Entscheidung des BAG vor. Ohne ihren Ausschluss werden die rentennahen Arbeitnehmer überproportional begünstigt. Im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit nehme ihre Schutzbedürftigkeit zugunsten jüngerer Arbeitnehmer ab. Während jüngere Arbeitnehmer nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld I auf die Grundsicherung für Arbeitslose nach dem SGB II angewiesen seien, können rentennahe Arbeitnehmer bei fortbestehender Arbeitslosigkeit die wirtschaftlichen Nachteile durch ihre Rentenbezugsberechtigung oder die Möglichkeit einer Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente teils auffangen. Dass ihnen ein Ausgleich beispielsweise im Fall einer vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente zustehe, sei angesichts der beschränkten Sozialplanmittel nicht vorgesehen.

Folgerungen für die Praxis

Die Entscheidung stärkt den Ermessensspielraum der Einigungsstelle. In der Praxis sollte beachtet werden, dass das Bundesarbeitsgericht die Abfindungshöhe der Dauer einer zu erwartenden Arbeitslosigkeit gegenüberstellt und dies auch eine Differenzierung oder sogar den Ausschluss einer weniger schutzwürdigen Altersgruppe von Sozialplanleistungen rechtfertigt. Dazu sollte bereits beim Zweck der Sozialplanleistungen zwischen Ausgleich und Minderung von Nachteilen unterschieden werden. Andernfalls ist es nicht konsequent, bei der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente einen Ausgleich als gegeben anzusehen. Denn entscheidend ist, dass jüngere Arbeitnehmer zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile auf die Leistungen aus dem Sozialplan angewiesen sind, während ältere Arbeitnehmer durch die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente selbst die wirtschaftlichen Nachteile teils abmildern können.

Quelle:Gleiss Lutz Hootz Hirsch PartmbB



23.09.2019
EuGH erklärt deutsches Leistungsschutzrecht für unzulässig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 12. September (Rechtssache C – 299/19) entschieden, dass das von der Bundesregierung 2013 beschlossene Leistungsschutzrecht nicht anwendbar ist.

Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Der Bundestag hatte sich im März 2013 auf einen Kompromiss zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage verständigt. Damit wurde ein bereits seit Jahrzehnten immer wieder unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiertes Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse eingeführt. Die Presseverlage erhielten ein über das personenbezogene Urheberrecht hinausgehendes ausschließliches Recht, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Presseverlage sollten an den Gewinnen von Internet-Diensten beteiligt werden, die diese mit der Nutzung der Verlagserzeugnisse erzielen.

Anwendbarkeit des Gesetzes

Allerding haben seit Erlass des Gesetzes Google und viele in der Verwertungsgesellschaft VG Media organisierte Verlage gerichtlich über dessen Auslegung und die sich daraus ergebenden Pflichten für Google gestritten. Daher wandte sich das LAG Berlin an den EuGH mit der Frage der Anwendbarkeit des Gesetzes.

EuGH: Notifizierungspflicht

Der EuGH stellte nun klar, dass die Bundesregierung die EU-Kommission vorab über ihre Pläne hätte informieren müssen. Nach der EU-Richtlinie 98/34/EG besteht eine sog. Notifizierungspflicht, wenn es um eine „technische Vorschrift“ geht, „die speziell auf einen Dienst in der Informationsgesellschaft abzielt“. Der EuGH folgte damit der Auffassung des Generalanwalts Gerard Hogan. Dieser hatte bereits in seinem Gutachten vom Dezember 2018 die Anwendbarkeit des Gesetzes aufgrund der unterbliebenen Notifizierung bezweifelt.

 

19.08.2019
Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume zu privaten Zwecken

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 27.03.2019 - 6 C 2.18 entschieden, dass eine Videoüberwachung, die in öffentlich zugänglichen Räumen zu rein privaten Zwecken erfolgt, nicht auf § 4 Abs. 1 Satz 1 BDSG gestützt werden kann, sondern an Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO zu messen ist.


Sachverhalt:

Die Klägerin, eine Zahnärztin, hatte eine Videokamera angebracht, mit der der Bereich hinter dem nicht besetzten Empfangstresen sowie Bereiche überwacht wurden, in denen sich Besucher nach dem ungehinderten Betreten der Praxis aufhielten. Die Bilder konnten auf Monitoren angesehen werden, die die Klägerin in den Behandlungszimmern aufgestellt hatte. Die beklagte Landesdatenschutzbeauftragte hatte der Klägerin 2012 aufgegeben, die Kamera so auszurichten, dass die Bereiche, die Besuchern offenstehen, während der Öffnungszeiten der Praxis nicht mehr erfasst werden. Die Klägerin verfolgte mit der Klage das Ziel, die Aufhebung dieser Anordnung der Beklagten zu erreichen.


Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Anordnung der Beklagten rechtmäßig ist.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Beklagten sei der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids. Maßnahmen nach § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. seien nach demjenigen Recht zu beurteilen, das zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung gegolten habe. Die Beobachtung des Besuchern zugänglichen Bereichs der Zahnarztpraxis stelle eine Videoüberwachung im Sinne des § 6b Abs. 1 BDSG a.F. dar. Nach dieser Bestimmung sei die Beobachtung unzulässig, weil sie nicht erforderlich sei, um berechtigte Interessen der Klägerin zu wahren. Es bestehe keine Gefährdungslage, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehe.

Ungeachtet des Umstands, dass die Rechtsänderung im Datenschutzrecht keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit der streitbefangenen Anordnung habe, fände sie ihre rechtmäßige Grundlage auch in Art. 58 Abs. 2 Buchst. d i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten seien in Art. 6 Abs. 1 DSGVO abschließend geregelt, wobei die Absätze 2 und 3 in bestimmten Fällen, wie bei Vorliegen von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO, Öffnungsklauseln zugunsten der Mitgliedstaaten enthalten würden.

Datenverarbeitungen durch Privatpersonen könnten nur dann auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO gestützt werden, wenn ihnen die Befugnis, auf personenbezogene Daten zuzugreifen, im öffentlichen Interesse oder als Ausübung öffentlicher Gewalt übertragen sei. Sie müssten anstelle einer Behörde tätig werden. Dies setze einen staatlichen Übertragungsakt voraus.

Eine Privatperson könne sich nicht selbst zum Sachwalter des öffentlichen Interesses erklären. Insbesondere sei sie nicht neben oder gar anstelle der Ordnungsbehörden zum Schutz der öffentlichen Sicherheit berufen. Beim Schutz individueller Rechtsgüter, seien es die der Klägerin oder diejenigen Dritter, verfolge die Klägerin keine öffentlichen, sondern private Interessen. Daraus folge, dass die Öffnungsklauseln des Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO für Verarbeitungen nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO die Videoüberwachungen privater Verantwortlicher nicht erfasse. Aufgrund dessen sei kein Raum für eine künftige Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 1 BDSG. Diese Videoüberwachungen seien vielmehr an Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO zu messen.

Für eine zulässige Verarbeitung sei u.a. nach Erwägungsgrund 47 bedeutsam, ob die Datenverarbeitung für die Verhinderung von Straftaten unbedingt erforderlich sei, ob sie absehbar, d.h. branchenüblich sei oder ob die Betroffenen in der konkreten Situation vernünftigerweise damit rechnen müssten, dass ihre Daten verarbeitet werden.

Bewertung:

§ 4 Abs. 1 BDSG regelt die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume wie Kaufhäuser oder Bankfilialen. Von der Videoüberwachung können auch Arbeitsplätze betroffen sein. Die Videoüberwachung von Beschäftigten in nichtöffentlichen Räumen wird hingegen durch § 26 BDSG geregelt und ist von dieser Rechtsprechung nicht betroffen.

Das BVerwG schließt sich mit diesem Urteil der Kritik der Aufsichtsbehörden an § 4 BDSG an und betont, dass im Fall einer Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume durch Private zum Schutz individueller Rechtsgüter - seien es die eigenen oder diejenigen Dritter - Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO als Rechtsgrundlage herangezogen werden muss und nicht § 4 Abs. 1 Satz 1 BDSG.

Dies führt im Ergebnis insbesondere dazu, dass z.B. bei einer Videoüberwachung zum Schutz öffentlich zugänglicher großflächiger Anlagen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 BDSG der Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit von dort aufhältigen Personen nicht mehr zwingend als besonders schützenswertes Interesse anzusehen ist. Es ist nun in diesen Fällen, ebenso wie bei sonstigen Videoüberwachungen öffentlich zugänglicher Räume, eine Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO vorzunehmen. Hierbei kann auf Erwägungsgrund 47 DSGVO abgestellt werden. Nachdem Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO ebenso wie die Rechtsprechung des BAG zur Videoüberwachung eine Abwägung der Rechte der betroffenen Person und des Verantwortlichen vornimmt, spricht viel dafür, die vom BAG entwickelten Grundsätze auch bei der Abwägung im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO heranzuziehen.

Für die Anwendung von § 4 Abs.1 BDSG verbleiben Fälle, in denen Privatpersonen durch einen staatlichen Übertragungsakt im öffentlichen Interesse oder in Ausübung öffentlicher Gewalt auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO tätig werden.

23.07.2019
Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs

Der Gesetzentwurf enthält eine Reihe aufeinander abgestimmter Maßnahmen zur Verhinderung eines Missbrauchs des bewährten Abmahnrechts sowie zur Verbesserung der Transparenz bei urheberrechtlichen Abmahnungen. Die ebenfalls vorgesehene Einführung einer Reparaturklausel im Designrecht dient der Verbesserung des Wettbewerbs bei formgebundenen Ersatzteilen im Interesse von Verbrauchern sowie des freien Ersatzteilhandels.


vollständiger Gesetzesentwurf

23.07.2019
E-Mail "Spionage" im Betrieb

Mitarbeiter, die ihre Chefs in E-Mails beschimpfen, riskieren nicht immer die fristlose Kündigung, wie das aktuelle Urteil des Landesarbeitsgerichts Hessen (Az.: 10 Sa601/18) zeigt: Ein Unternehmenschef hatte den E-Mail Account eines leitenden Mitarbeiters eingesehen und war dabei auf Post mit extrem beleidigenden Inhalten gestoßen. Als Beweismittel erkannten die Richter diese Hass-Mails aber nicht an. Begründung: Da der Arbeitgeber das Schreiben privater Mails im Unternehmen geduldet habe, gelte er als "Telekommunikationsanbieter", der das Fernmeldegeheimnis zu wahren habe. Er hätte Privat-Mails seines Mitarbeiters deshalb gar nicht lesen oder auswerten dürfen. Einblick hätte der Chef nur nehmen dürfen, wenn der Mitarbeiter beispielsweise unter Verdacht gestanden hätte, schwere Straftaten zu begehen. Die gegen den Beschäftigten ausgesprochene außerordentliche Kündigung erklärte das Gericht deshalb für unwirksam.

15.07.2019
Keine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit notwendig für Krankengeldbezug

Das Bundessozialgericht (BSG 3. Senat) hat in seinem Urteil vom 28. März 2019 – B 3 KR 15/17 R – entschieden, dass der insoweit einschlägige § 46 Satz 2 SGB V keine "ununterbrochene" 6-wöchige Arbeitsunfähigkeit fordere.

Sachverhalt:

Der hauptberuflich selbstständig erwerbstätige, bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versicherte Kläger hatte in einer Wahlerklärung angegeben, dass seine Versicherung Krankengeldansprüche erst ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit (AU) umfassen solle.

Im Jahr 2014 reichte er bei der Beklagten AU-Bescheinigungen mit diagnostizierten Lungenbeschwerden für mehrere Zeiträume ein (April: 2 Tage, April/Mai: 20 Tage, Juli/August: 29 Tage sowie gesondert 22 Tage, ab 10.11.2014: 54 Tage). Während die Beklagte und das Sozialgericht (SG) eine Addition der einzelnen AU-Tage ablehnten und Krankengeld erst ab der 7. Woche der letzten Arbeitsunfähigkeitszeit bewilligten, war der Kläger im Berufungsverfahren erfolgreich. Das LSG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Krankengeld auch für Arbeitsunfähigkeitstage ab dem 43. attestierten Tag der Arbeitsunfähigkeit (dh ab der 7. Woche = 24.7.2014) zu gewähren; insoweit habe jeweils ärztlich festgestellte, auf derselben Krankheit beruhende AU bestanden. Der insoweit einschlägige § 46 Satz 2 SGB V verlange keine "ununterbrochene" 6-wöchige Arbeitsunfähigkeit.

Urteilsgründe:

Die Revision der Beklagten ist erfolglos geblieben. Der 3. Senat des BSG hat bestätigt, dass Wortlaut, Regelungssystematik, Gesetzesmaterialien sowie Sinn und Zweck der genannten Bestimmung den Urteilsausspruch des LSG stützen. Bei freiwillig versicherten Selbstständigen, wie dem Kläger, bei denen entsprechend ihrer Wahlerklärung der Anspruch auf Krankengeld erst von der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit entsteht, setzt der Anspruch jedenfalls dann keine zuvor bestehende "ununterbrochene" 6-wöchige Arbeitsunfähigkeit voraus, wenn die einzelnen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit auf derselben Krankheit beruhen.

05.06.2019
EuGH-Urteil zur Zeiterfassung

Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Arbeitszeiterfassung warnt die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. den Gesetzgeber in Europa und auf nationaler Ebene vor einer weiteren Einschränkung der Flexibilität für die Unternehmen. „Die Antwort auf die Digitalisierung und die Arbeitswelt 4.0 kann nicht die flächendeckende Rückkehr zur Stechuhr und die Wiedereinführung der Arbeitszeiterfassung 1.0 sein“, sagte vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

Viel wichtiger als eine generelle Einführung der Zeiterfassung ist es nach Überzeugung der vbw, zunächst das deutsche Arbeitszeitgesetz den Anforderungen des digitalen Zeitalters anzupassen. „So ist zum Beispiel die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf maximal zehn Stunden nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen eine flexiblere Verteilung der Arbeitszeit – weg von einer täglichen hin zu einer wöchentlichen Betrachtung. Auf europäischer Ebene muss die Revision der EU-Arbeitszeitrichtlinie wieder aufgegriffen werden“, so Brossardt.

Hier gelangen Sie zum Urteil des Gerichtshofs

14.05.2019
BAG: Erben haben Anspruch auf Urlaubsabgeltung

Das Bundesarbeitgericht (BAG) hat entschieden, dass Erben Anspruch auf Abgeltung des von dem Erblasser nicht genommenen Urlaubs haben.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres am 20. Dezember 2010 verstorbenen Ehemanns (Erblasser), dessen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch seinen Tod endete. Nach § 26 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) standen dem Erblasser in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage Urlaub zu. Der Erblasser wurde mit Wirkung vom 18. August 2010 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er hatte danach gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB IX a.F. für das Jahr 2010 Anspruch auf anteiligen Zusatzurlaub von zwei Arbeitstagen. Die Klägerin verlangt die Abgeltung des Resturlaubs von insgesamt 25 Arbeitstagen, der ihrem verstorbenen Ehemann zum Zeitpunkt seines Todes für das Jahr 2010 noch zustand.
Die Vorinstanzen hatten der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Entscheidung

Nach Auffassung des BAG hat die Beklagte den nicht gewährten Urlaub des Erblassers mit einem Betrag i.H.v. 5.857,75 Euro brutto abzugelten. Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann, sei nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Die nach dem europäischen Unionsrecht gebotene Auslegung von §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG ergebe, dass der Resturlaub auch dann abzugelten ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Der EuGH habe entschieden, dass der durch Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) gewährleistete Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis untergehen dürfe, ohne dass ein Anspruch auf finanzielle Vergütung für diesen Urlaub bestehe, der im Wege der Erbfolge auf den Rechtsnachfolger des Arbeitnehmers überzugehen habe. Daraus folge für die richtlinienkonforme Auslegung von §§ 1, 7 Abs. 4 BUrlG, dass die Vergütungskomponente des Anspruchs auf den vor dem Tod nicht mehr genommenen Jahresurlaub als Bestandteil des Vermögens Teil der Erbmasse werde. Der Abgeltungsanspruch der Erben umfasse dabei nicht nur den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG von 24 Werktagen, sondern auch den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a.F. sowie den Anspruch auf Urlaub nach § 26 TVöD, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteige. Dem TVöD lasse sich nicht entnehmen, dass dem Erben das Verfallrisiko für den tariflichen Mehrurlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers zugewiesen sei.

06.05.2019
Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) ist am 26. April 2019 in Kraft getreten. Das Gesetz setzt die europäische Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Richtlinie (EU) 2016/943) um.

Durch das GeschGehG werden §§ 17 bis 19 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) aufgehoben. Diese Normen sind im Wesentlichen in § 23 GeschGehG übernommen worden. Danach wird die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. Durch die Bezugnahme auf die einzelnen Handlungsverbote des § 4 GeschGehG wird deutlich, dass nur eine auch zivilrechtlich rechtswidrige Handlung nach dem GeschGehG unter die Strafvorschrift fallen kann.

Geschützt sind Informationen nur dann, wenn vom Unternehmen angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen wurden und ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung vorliegt. Im Streitfall muss das Unternehmen nachweisen können, angemessene Schutzmaßnahmen zur Geheimhaltung getroffen zu haben. Es wird gaher empfohlen, die im Unternehmen bestehenden Geschäftsgeheimnisse zu kategorisieren, geeignete technische und rechtliche Schutzmaßnahmen zu treffen und diese auch zu dokumentieren.

Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen

Basis des GeschGehG ist die Definition des Geschäftsgeheimnisses. Nach § 2 Nr. 1 GeschGehG muss es sich dabei um eine Information handeln, die „weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammen-setzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist“ und „Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist“ und “bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht“.

Der subjektive Wille zur Geheimhaltung ist daher nunmehr nicht mehr ausreichend. Vielmehr müssen Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen werden. Die Praxis wird zeigen, welche Maßnahmen konkret notwendig sein werden. Im Gesetzgebungsverfahren wurden hier physische Zugangsbeschränkungen und vertragliche Schutzmechanismen gefordert.

Geschäftsgeheimnis im Verfahren

Ein weiteres Ziel der zugrunde liegenden Know-How-Richtlinie war die Berücksichtigung der Besonderheiten des Geheimnisschutzes und dieWahrung der Vertraulichkeit während eines Gerichtsverfahrens. Geheimnisinhaber sollten nicht von der Durchsetzung ihrer Ansprüche durch die Gefahr einer Offenlegung – und damit ggf. Rechtsverlust nach der Begriffsbestimmung – während eines Verfahrens abgeschreckt werden. Entsprechend beinhaltet nun auch das GeschGehG begleitende Verfahrensvorschriften für die sog. Geschäftsgeheimnisstreitsachen.

Auch wenn diese die Problematik der Offenlegung des Geheimnisses im Verfahren nicht völlig lösen, hat der Gesetzgeber doch wichtige Aspekte berücksichtigt: Das Gericht hat die Möglichkeit, auf Parteiantrag Informationen als geheimhaltungsbedürftig einzustufen, wenn diese potentiell Geschäftsgeheimnisse sind (§ 16 Abs. 1 GeschGehG). Aus dieser Einstufung folgen die Pflicht der Parteien und anderer Verfahrensbeteiligter, die Informationen vertraulich zu behandeln sowie ein Nutzungs- und Offenlegungsverbot außerhalb des Verfahrens (§ 16 Abs. 2 GeschGehG).

Verstöße hiergegen können vom Gericht mit Ordnungsgeld bis zu EUR 100.000 (nachrangig auch Ordnungshaft bis zu sechs Monaten) sanktioniert werden (§ 17 GeschGehG). Diese Summe dürfte angesichts des Wertes abschreckend wirken.

Strafrechtliche Vorschriften und Whistleblowing

Die bisherigen Strafvorschriften der §§ 17 bis 19 UWG zum strafrechtlichen Geheimnisschutz sind nunmehr in § 23 GeschGehG überführt worden. Besonders praxisrelevant sind in diesem Zusammenhang die in § 5 GeschGehG vorgesehenen Regelungen zur rechtlich zulässigen Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass rechtmäßig und somit straffrei handelt, wer ein Geschäftsgeheimnis "zum Schutz eines berechtigten Interesses" offenlegt, etwa "zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens" (§ 5 Nr. 2 GeschGehG).

Danach soll also "Whistleblowing“ unter bestimmten Umständen straffrei sein. Allerdings soll dieses Whistleblowing nur dann gerechtfertigt sein, "wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen".

30.04.2019
BAG-Urteil zu Mehrarbeitszuschlägen für Teilzeitbeschäftigte

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 19. Dezember 2018 (Az: 10 AZR 231/18) im Falle eines bestimmten Tarifvertrages entschieden, dass es unzulässig sein kann, wenn Teilzeitbeschäftigte Mehrarbeitszuschläge erst dann erhalten, soweit Ihre Arbeitszeit die tarifliche Vollzeit überschreitet. Den konkreten Tarifvertrag hat das BAG deshalb so ausgelegt, dass Mehrarbeitszuschläge bereits ab Überschreiten der konkret vereinbarten Teilzeit-Arbeitszeit zu zahlen sein. Das Urteil mit Entscheidungsgründen können Sie am Ende der Seite herunterladen.

Wesentliche Punkte des Urteils

  • Das BAG kommt zu dem Ergebnis, dass Mehrarbeitszuschläge, die für Teilzeitkräfte nicht schon bei Überschreiten ihrer Teilzeit, sondern erst bei Überschreiten der tariflichen Vollzeit greifen, eine Ungleichbehandlung von Teilzeitkräften ist (Rz 64 des Urteils)
  • Für die Frage der sachlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung differenziert das BAG zwischen Mehrarbeitszuschlägen, die den individuellen Freizeitanspruch schützen und Arbeitnehmer, die Freizeit opfern, belohnen sollen und Mehrarbeitszuschlägen, die dem Ausgleich besonderer Belastungen dienen sollen, wenn Arbeitnehmer über die tarifliche Arbeitszeit einer Vollzeitkraft hinaus tätig werden.
  • Im vorliegenden Fall ist das BAG durch Auslegung des konkret betroffenen Tarifvertrages zu dem Ergebnis gekommen, dass die dort geregelten Mehrarbeitszuschläge den individuellen Freizeitanspruch schützen und Arbeitnehmer, die Freizeit opfern, belohnen sollen (Rz 41 des Urteils). Dann ist laut BAG die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt (Rz 67 des Urteils)
  • Ob Mehrarbeitszuschläge, die dem Ausgleich besonderer Belastungen dienen sollen, wenn Arbeitnehmer über die tarifliche Arbeitszeit einer Vollzeitkraft hinaus tätig werden, eine Ungleichbehandlung sachlich rechtfertigen, bleibt im Ergebnis offen. Das Urteil lässt aber diese Interpretation zu.

Konkrete Überprüfung der jeweiligen Tarifverträge

Ob dieses Urteil Auswirkungen auf bestehende tarifliche Regelungen hat, kann nur konkret auf die jeweiligen Tarifverträge bezogen geprüft werden. Es kommt darauf an, ob der Zweck der jeweiligen Zuschläge eine sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung darstellt oder nicht.

03.04.2019
Gesetzlicher Urlaubsanspruch - unbezahlter Sonderurlaub

Für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs bleiben Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs unberücksichtigt.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. Juni 1991 beschäftigt. Die Beklagte gewährte ihr wunschgemäß in der Zeit vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2014 unbezahlten Sonderurlaub, der einvernehmlich bis zum 31. August 2015 verlängert wurde. Nach Beendigung des Sonderurlaubs verlangt die Klägerin von der Beklagten, ihr den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen für das Jahr 2014 zu gewähren.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Gewährung von 20 Arbeitstagen Urlaub verurteilt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Klägerin hat für das Jahr 2014 keinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub.

Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beläuft sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage. Dies entspricht einem gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch von 20 Tagen bei einer Fünftagewoche. Ist die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, muss die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus berechnet werden, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten.

Der Senat hat diese Umrechnung in Fällen des Sonderurlaubs bisher nicht vorgenommen. An dieser Rechtsprechung (BAG 6. Mai 2014 - 9 AZR 678/12 - Rn. 11 ff., BAGE 148, 115) hält der Senat nicht fest. Befindet sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub, ist bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben. Dies führt dazu, dass einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zusteht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 2019 - 9 AZR 315/17 -

03.04.2019
Elternzeit – Kürzung von Urlaubsansprüchen

Der gesetzliche Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG besteht auch für den Zeitraum der Elternzeit, er kann jedoch vom Arbeitgeber nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG gekürzt werden. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG steht im Einklang mit dem Unionsrecht.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01. Juni 2001 als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Sie befand sich u. a. vom 1. Januar 2013 bis zum 15. Dezember 2015 durchgehend in Elternzeit. Mit Schreiben vom 23. März 2016 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 30. Juni 2016 und beantragte, unter Einbeziehung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche, ihr für den Zeitraum der Kündigungsfrist Urlaub zu gewähren. Mit Schreiben vom 04. April 2016 erteilte die Beklagte der Klägerin vom 04. April bis zum 02. Mai 2016 Urlaub, die Gewährung des auf die Elternzeit entfallenden Urlaubs lehnte sie ab.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage zuletzt noch die Abgeltung von 89,5 Arbeitstagen Urlaub aus dem Zeitraum ihrer Elternzeit geltend gemacht. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Beklagte hat die Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2013 bis 2015 mit Schreiben vom 04. April 2016 wirksam gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt.

Möchte der Arbeitgeber von seiner ihm durch § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen, muss er eine darauf gerichtete empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben. Dazu ist es ausreichend, dass für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will. Das Kürzungsrecht des Arbeitgebers erfasst auch den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für diesen keine von § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG abweichende Regelung vereinbart haben.

Die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs verstößt weder gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) noch gegen § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU. Das Unionsrecht verlangt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht, Arbeitnehmer, die wegen Elternzeit im Bezugszeitraum nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben (EuGH 4. Oktober 2018 – C-12/17 – [Dicu] Rn. 29 ff.).

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 2019 – 9 AZR 362/18 –

03.04.2019
Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung für Arbeitslosengeld zu berücksichtigen

Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass die Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung für die Höhe des Arbeitslosengelds (Alg) zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin arbeitete seit 1996 als Pharmareferentin bei der N GmbH (Arbeitgeberin). Die Parteien vereinbarten einvernehmlich mit Aufhebungsvertrag vom 9. März 2011 die Beendigung des Anstellungsverhältnisses mit Ablauf des 30. April 2012. Ab dem 1. Mai 2011 war zwischen den Parteien eine unwiderrufliche Freistellung unter Beibehaltung des monatlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin vereinbart worden. Die Klägerin meldete sich am 26. Januar 2012 bei der Bundesagentur für Arbeit (Beklagte) arbeitssuchend. Im Zeitraum vom 23. März 2012 bis zum 24. März 2013 bezog die Klägerin Krankentagegeld von der G AG (neue Arbeitgeberin). Am 25. März 2013 meldete sie sich arbeitslos. Bei der Bemessung des Algs ließ die Beklagte die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung außer Betracht, sodass sich ein Anspruch auf Arbeitsentgelt von weniger als 150 Tagen im erweiterten Bemessungsrahmen nach § 150 SGB III ergab.

Die Revision der Beklagten vor dem BSG wurde als unbegründet verworfen. Das LSG habe die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin ein höheres Alg zu gewähren. Dem Grunde nach lägen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Alg vor. Nach Ansicht des BSG bestand das aus der Beschäftigung folgende Versicherungsverhältnis auch während der Freistellung der Klägerin von der Arbeitsleistung ab dem 1. Mai 2011 bis einschließlich 30. April 2012 fort. Das BSG verwies auf seine bestehende Rechtsprechung, wonach ein Versicherungspflichtverhältnis wegen einer Beschäftigung i. S. d. § 24 Abs. 1 Alt. 1 SGB III bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts bestehen bleibt, auch wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich freigestellt worden ist.

Das BSG stellt darauf ab, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Falle einer Freistellung bei ununterbrochener Zahlung des Arbeitsentgelts nicht bereits mit der Einstellung der tatsächlichen Arbeitsleistung endet, sondern erst mit Ende des Arbeitsverhältnisses.

Der Senat stellt klar, dass die Klägerin zwar bereits seit dem Beginn der Freistellung am 1. Mai 2011 unter Anwendung des für das Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung geltenden Beschäftigungsbegriffs aus dieser ausgeschieden sei, dies aber für das Bemessungsrecht irrelevant sei. Vorliegend sei allein auf das Ende der Beschäftigung im versicherungsrechtlichen Sinne abzustellen. Für die Entscheidung sei nicht relevant, dass die Klägerin theoretisch während der Freistellungsphase für die Beantwortung von Fragen und die Erteilung von Informationen zur Verfügung stand, sondern einzig und allein, wann das Beschäftigungsende im versicherungsrechtlichen Sinne eingetreten ist.

Diese Ansicht wird nach Auffassung des Gerichts auch durch die Gesetzessystematik gestützt. Hiernach sei das Beschäftigungsverhältnis im versicherungsrechtlichen Sinne nicht nur dafür maßgebend, ob die Anwartschaftszeit nach § 142 SGB III erfüllt wurde, sondern es wird für die Dauer des Anspruchs auf Alg nach § 147 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III an die Dauer des Versicherungsverhältnisses angeknüpft.

Darüber hinaus weist das BSG darauf hin, dass der Gesetzgeber ganz bewusst und aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die Zahl der fiktiven Bemessungen klein halten und der Anknüpfung an das erzielte Entgelt den grundsätzlichen Vorrang einräumen wolle.

Mit diesem Urteil hat das BSG eine Entscheidung zur Einbeziehung von Freistellungszeiten bei der Bemessung des Arbeitslosengeldanspruchs gefällt. Auch hält das Gericht nicht an früheren Entscheidungen, in welchen ohne nähere Begründung angenommen wurde, dass die Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung bei der Bemessung des Alg unberücksichtigt blieben, fest.

Die Bundesagentur für Arbeit hat ihre Weisungen zu § 150 SGB III bereits angepasst. Die Weisungen sowie das Urteil finden Sie zu Ihrer Information am Ende des Textes. Bei der Abwicklung der Altfälle korrigiert die BA vorläufige Entscheidungen, offene Überprüfungsanträge und noch nicht abgeschlossene Rechtsbehelfsverfahren nach § 44 SGB X von Amts wegen, wenn die Antragstellung vor dem 30. August 2018 erfolgt ist. Hier liegt die Berücksichtigungsgrenze nach § 44 Abs. 4 SGB X allerdings bei vier Jahren vor der Rücknahme.

Noch nicht entschiedene Anträge, die nach dem 30. August 2018 gestellt wurden, werden rückwirkend korrigiert - frühestens für die Zeit ab dem 30. August 2018. Bei Anträgen, die nach dem 30. August 2018 gestellt wurden und die bereits bestandskräftig geworden sind, kann eine Überprüfung grundsätzlich auf Antrag erfolgen.

11.03.2019
Streikeinsatzverbot für Zeitarbeitnehmer

Das Bundesverfassungsgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das in § 11 Absatz 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelte Streikeinsatzverbot für Zeitarbeitnehmer abgelehnt (Aktenzweichen 1 BvR 842/17). Es seien für die beschwerdeführende Arbeitgeberin keine Nachteile von so großem Gewicht erkennbar, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnten.

Der für das Unternehmen geltende Entgelttarifvertrag wurde zum 28. Februar 2019 gekündigt. Während vergangener Arbeitskämpfe in den Jahren 2012 und 2017 setzte die Arbeitgeberin auf den streikbetroffenen Arbeitsplätzen auch Zeitarbeitnehmer zur Streikabwehr ein.

Die Arbeitgeberin hat Verfassungsbeschwerde erhoben und diese mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung verbunden. Sie rügt eine Verletzung von Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sei von der angegriffenen Norm unmittelbar und gegenwärtig betroffen, da Arbeitskämpfe zu erwarten seien, für die sie disponieren müsse. Ihr sei kein anderer Rechtsweg eröffnet, um sich zumutbar gegen das Verbot in § 11 Abs. 5 AÜG zur Wehr zu setzen. Die Regelung verletze sie in ihren Grundrechten. Das Verbot, auf Arbeitskampfmaßnahmen mit dem Einsatz von Zeitarbeitnehmern zu reagieren, schränke sie in der Wahl der Kampfmittel und damit in der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit als Koalition in unverhältnismäßiger Weise ein. Es handele sich um einen Eingriff in die Unternehmerfreiheit, der nicht durch das Allgemeinwohl gerechtfertigt sei.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Vollzug des § 11 Abs. 5 AÜG bis zu einer Entscheidung über Ihre Verfassungsbeschwerde im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auszusetzen. Dies sei zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten. Da der geltende Tarifvertrag gekündigt sei, müsse sie zeitnah mit bundesweiten Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaft rechnen.

Es seien keine Nachteile der Beschwerdeführerin von so großem Gewicht erkennbar, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung dennoch rechtfertigen könnten. Es sei nicht dargelegt, dass es nach Beendigung des aktuellen Tarifvertrags mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Arbeitskampf mit Arbeitsniederlegungen komme.

Die Arbeitgeberin habe die Möglichkeit, eigene arbeitswillige Arbeitskräfte oder zu diesem Zweck befristet eingestellte Kräfte oder aber Drittpersonal im Rahmen eines Werkvertrags mit anderen Unternehmen zur Streikabwehr einzusetzen.

Es sei nicht erkennbar, dass derart schwere oder gar existenzgefährdende wirtschaftliche Nachteile eintreten würden, die eine Aussetzung eines Gesetzes rechtfertigten.

Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich über die einstweilige Anordnung und noch nicht über die eingelegte Verfassungsbeschwerde selbst entschieden. Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen wird. Das Gericht hat im vorliegenden Beschluss lediglich folgende Hinweise gegeben:

 

  • Die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Regelungen in § 11 Abs. 5 AÜG sei umstritten.
  • Eine Verletzung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit sowie der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der Beschwerdeführerin sei jedenfalls nicht von vornherein offensichtlich ausgeschlossen.
  • Die Frage, ob sich sogenannte „Außenseiter-Arbeitgeber“ in Tarifauseinandersetzungen um Firmentarifverträge auf die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Freiheit in der Wahl der Arbeitskampfmittel berufen können, sei verfassungsrechtlich nicht geklärt. Das BVerfG verweist diesbezüglich auf die Entscheidung des BAG vom 14. August 2018 (Aktenzeichen 1 AZR 287/17).

27.02.2019
Unangemessene Benachteiligung durch Mindestehedauerklausel

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 19. Februar 2019 (Az.: 3 AZR 150/18) entschieden, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Versorgungsregelung, welche die Hinterbliebenenversorgung daran knüpft, dass die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Versorgungsberechtigten mindestens zehn Jahre bestanden hat, den unmittelbar Versorgungsberechtigten unangemessen benachteiligt und daher nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist.

Die Klägerin war mit ihrem im Jahr 2015 verstorbenen Ehemann seit 2011 verheiratet. Diesem war von seinem ehemaligen Arbeitgeber u.a. eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt worden. Nach der Versorgungszusage besteht ein Anspruch auf Witwenversorgung jedoch nur, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Todes des Versorgungsberechtigten bereits mindestens zehn Jahre bestanden hat. Die auf Zahlung einer Witwenrente ab Mai 2015 gerichtete Klage wurde von den Vorinstanzen abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Wenn der Arbeitgeber eine Hinterbliebenenversorgung zusagt, entspricht es der im Gesetz angelegten Vertragstypik, dass die Ehepartner der Arbeitnehmer abgesichert sind. Soweit der danach erfasste Personenkreis zulasten des Arbeitnehmers in der Versorgungszusage weiter eingeschränkt wird, unterliegt diese Restriktion der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

Eine Beschränkung der Zusage auf Ehepartner, mit denen der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Todes mindestens zehn Jahre verheiratet war, weicht von der die Hinterbliebenenversorgung kennzeichnenden Vertragstypik ab und gefährdet den Zweck der Hinterbliebenenversorgung. Sofern sich eine Ausschlussklausel also an willkürlich gegriffenen Zeitspannen ohne inneren Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis und zum verfolgten Zweck orientiert, ist eine unangemessene Benachteiligung des Versorgungsberechtigten gegeben.

20.02.2019
Keine Narrenfreiheit im Fasching

Der Fasching steht vor der Tür. Dadurch werden arbeitsrechtliche Regelungen aber nicht außer Kraft gesetzt.

Rosenmontag, Faschingsdienstag und Aschermittwoch sind nach dem Bayerischen Feiertagsgesetz keine gesetzlichen Feiertage. Ob die offizielle Arbeitszeit am Faschingsdienstag am Mittag endet, wird individuell von den Betrieben geregelt. Die meisten Betriebe in Bayern haben hier gute Lösungen gefunden und lassen die Arbeit am Faschingsdienstag ab Mittag ausklingen. Wer an Tagen mit verminderter Sollarbeitszeit - wie zum Beispiel am Faschingsdienstag - Urlaub nehmen möchte, muss allerdings einen ganzen und nicht nur einen halben Tag beantragen. Im deutschen Urlaubsrecht gilt das Ganztagsprinzip. Das Arbeitsrecht gilt im Übrigen auch an närrischen Tagen.

Unerlaubtes Verlassen des Arbeitsplatzes - etwa zur Beobachtung eines Faschingsumzugs - kann arbeitsrechtlich geahndet werden. In vielen Betrieben ist es auch guter Brauch, dass Arbeitnehmer kostümiert zum Dienst erscheinen. Der Arbeitgeber kann allerdings auch an Fasching verlangen, dass die Arbeitnehmer branchenübliche Kleidung tragen. Dann sind rote Pappnase und Clownskostüm nicht gestattet.

Vorsicht ist beim Alkohol und bei Annäherungsversuchen geboten. Der Arbeitgeber kann ein vollständiges Alkoholverbot während der Arbeitszeit aussprechen. Anzügliche Sprüche und unerwünschte Berührungen von Kolleginnen und Kollegen auf betrieblichen Faschingsfeiern sind auch im Fasching nicht erlaubt. Der Arbeitgeber hat hier eine Fürsorgepflicht gegenüber seiner Belegschaft und kann selbst schadenersatzpflichtig werden.

In bayerischen Betrieben ist in der Regel auch nicht von einer stillschweigenden Einwilligung der männlichen Mitarbeiter auszugehen, dass ihnen am unsinnigen Donnerstag die Krawatte abgeschnitten wird. Frauen sollten vorfühlen, ob ein Mann den Spaß mitmacht. Wenn nicht, machen sie sich schadenersatzpflichtig.

Falls der Fasching ausartet und der Arbeitnehmer arbeitsunfähig wird, kann sein Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfallen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit durch eine von ihm provozierte Schlägerei auf einer Faschingsfeier selbst verschuldet hat.

29.01.2019
Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen tarifvertragliche Differenzierungsklausel

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 14. November 2018 - 1 BvR 1278/16).
Das BAG (Aktenzeichen 4 AZR 441/14) hatte eine sogenannte tarifvertragliche Differenzierungsklausel (Gewerkschaftsbonus) als zulässig angesehen. Eine unterschiedliche Behandlung gewerkschaftlich organisierter und nicht gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem Tarifvertrag verletze die negative Koalitionsfreiheit nicht, solange sich daraus nur ein faktischer Anreiz zum Gewerkschaftsbeitritt ergebe, aber weder Zwang noch Druck entstehe. Sie finden die Pressemitteilung des BAG im Anhang.

Gewerkschaftsbonus

Differenzierungsklauseln für Gewerkschaftsmitglieder sind in der betrieblichen Praxis auch als sogenannter Gewerkschaftsbonus bekannt. Dies sind tarifliche Regelungen, die Gewerkschaftsmitgliedern gegenüber nichtorganisierten Arbeitnehmern bestimmte Vorteile einräumen sollen. Gewerkschaften fordern diese mit der Begründung, dadurch „Raubkopien der eigenen Tarifverträge“, „unlautere Billigkonkurrenz“ oder auch „Trittbrettfahrer“ abzuwehren.

Sachverhalt

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Bestimmungen zu Überbrückungs- und Abfindungsleistungen in einem sogenannten Sozialtarifvertrag. Bestimmte Leistungen sollten danach nur Arbeitnehmern zukommen, die an einem vereinbarten Stichtag Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft waren. Der Beschwerdeführer erhielt die Leistungen nicht, da er keiner Gewerkschaft angehörte. Er wurde lediglich arbeitsvertraglich und durch einen betrieblichen Sozialplan begünstigt. Seine Klage auf die weiteren Leistungen blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe

Art. 9 Abs. 3 GG schütze auch die Freiheit, Vereinigungen zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen fernzubleiben (negative Koalitionsfreiheit). Daher dürfe kein Zwang oder Druck in Richtung auf eine Mitgliedschaft ausgeübt werden.

Die Tatsache, dass organisierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anders behandelt würden als nicht organisierte Arbeitnehmer, bedeutet insofern jedoch noch keine Grundrechtsverletzung, solange sich daraus nur ein eventueller faktischer Anreiz
zum Beitritt ergebe, aber weder Zwang noch Druck entstünden. Das Bundesarbeitsgericht gehe nachvollziehbar davon aus, dass kein höherer Druck erzeugt werde als derjenige, der sich stets ergebe, wenn individualvertragliche Vereinbarungen hinter den Abreden zurückblieben, die eine Gewerkschaft im Wege eines Tarifvertrages nur für ihre Mitglieder treffen könne.

Es fehlten jedenfalls Anhaltspunkte dafür, dass grundrechtliche Schutzinteressen des Beschwerdeführers verletzt worden seien, die einer Anwendung tarifvertraglicher Sonderregelungen für vor dem Stichtag eingetretene Mitglieder der Gewerkschaft entgegenstünden.

Das Bundesarbeitsgericht habe dies geprüft und die Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft an einem Stichtag für sachlich begründet erachtet. Zudem ist die Gewerkschaft ohnehin nur befugt, Abreden für ihre Mitglieder zu treffen, und kann schon aufgrund der Tarifautonomie nicht als verpflichtet angesehen werden, dabei alle Arbeitnehmer gleichermaßen zu berücksichtigen.

 

 

29.01.2019
Altersgrenze - Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes

Entscheidung

Das BAG hat entschieden, dass die Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI, die es den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht, im Falle der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze den Beendigungszeitpunkt durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben, wirksam ist.

Sie sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Es habe unentschieden bleiben können, ob eine Hinausschiebensvereinbarung voraussetzt, dass nur der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses unter Beibehaltung der übrigen Vertragsbedingungen geändert werde, so das BAG.

Sachverhalt

Der im Juli 1949 geborene Kläger war bei dem beklagten Land als Lehrer an einer berufsbildenden Schule mit einem Unterrichtsdeputat von 23 Wochenstunden beschäftigt. Nach der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Regelung in § 44 Nr. 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) endete das Arbeitsverhältnis wegen Erreichens der Regelaltersgrenze am 31. Dezember 2015. Am 20. Januar 2015 vereinbarten die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 31. Juli 2016 endet. Mit Schreiben vom 03. Februar 2015 ordnete die Schulleiterin zunächst an, dass der Kläger in der Zeit vom 01. Februar bis zum 31. Juli 2015 jederzeit widerruflich über seine vertraglich festgelegte Regelstundenzahl hinaus weitere vier Wochenstunden Unterricht zu erteilen hatte. Mit Schreiben vom 04. März 2015 wurde sodann die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit des Klägers mit Wirkung vom 01. Februar 2015 auf 25,5 Wochenstunden erhöht. Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage die Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der vereinbarten Befristung am 31. Juli 2015 geendet hat.
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.

Begründung

Nach Auffassung des BAG ist die Befristung des Arbeitsvertrags wirksam. Die Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben und ist nach der Entscheidung des EuGH vom 28.02.2018 (C-46/17) mit Unionsrecht vereinbar. Die Befristung zum 31. Juli 2015 sei nach § 41 Satz 3 SGB VI gerechtfertigt. Es komme nicht darauf an, ob eine Hinausschiebensvereinbarung voraussetzt, dass nur der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses unter Beibehaltung der übrigen Vertragsbedingungen geändert werde. In der Vereinbarung vom 20. Januar 2015 wurde nur der Beendigungszeitpunkt hinausgeschoben. Die vertragliche Abrede über die Arbeitszeiterhöhung sei erst sechs Wochen später und damit nicht im Zusammenhang mit der Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts getroffen worden.

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Dezember 2018 Nr. 69/2018.

29.01.2019
Ausstrahlungswirkung des BetrVG auf im Ausland tätige Arbeitnehmer

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hält eine Anwendung von § 102 BetrVG auf für im Ausland tätige Arbeitnehmer dann für angemessen, wenn der Arbeitnehmer trotz Entsendung ins Ausland und Tätigkeit bei einem ausländischen Unternehmen weiterhin in den inländischen Betrieb eingegliedert ist. Dies gilt insbesondere bei sogenannter "gespaltener Arbeitgeberstellung". Eine solche Eingliederung ist gekennzeichnet durch ein vom Inlandsbetrieb ausgeübtes, umfassendes Weisungsrecht hinsichtlich Ort, Zeit, Dauer und Inhalt der Tätigkeit.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Der Kläger war für den Betrieb der in Deutschland ansässigen Beklagten als Arbeitnehmer tätig und wurde durchgehend im Ausland eingesetzt. Die Beklagte beschäftigt mehr als zehn Mitarbeiter und besitzt einen Betriebsrat. Laut Arbeitsvertrag konnte die Beklagte Arbeitsort und Position des Arbeitnehmers jederzeit ändern und auch verbundenen Unternehmen zuweisen. Der Arbeitsvertrag wurde deutschem Recht unterworfen. Die Beklagte kündigte dem Kläger ordentlich, ohne vorangehende Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG. Der Kläger erhob fristgerecht Kündigungsschutzklage. Die Beklagte meinte, der Kläger sei nicht im inländischen Betrieb eingegliedert gewesen, weshalb der Betriebsrat nicht anzuhören war. Das Weisungsrecht habe das ausländische, jeweils örtliche Konzernmanagement ausgeübt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Das BAG hat die Sache an das LAG zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen.

Das BAG stellt klar, dass der räumliche Geltungsbereich des BetrVG sich nach dem Territorialprinzip richtet. Durch die Ausstrahlungswirkung des Inlandsbetriebs könne der persönliche Anwendungsbereich des BetrVG ausnahmsweise auch auf im Ausland eingesetzte Arbeitnehmer ausgeweitet werden. Erforderlich sei eine Beziehung zum Inlandsbetrieb, die es rechtfertige, die Auslandstätigkeit der Betriebstätigkeit im Inland zuzurechnen. Dies sei bei einer ständigen Beschäftigung im Ausland in der Regel nicht der Fall. Für die Anwendbarkeit des BetrVG bei der Auslandstätigkeit komme es nicht darauf an, dass die Tätigkeit dem wirtschaftlichen, sondern dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebes dienen muss. Das Territorialprinzip würde andernfalls ausgehöhlt. Kennzeichnend für die Eingliederung sei, dass ein Betrieb sein Weisungs- und Direktionsrecht hinsichtlich Ort, Zeit, Dauer und Inhalt der Arbeitsleistung ausübe. Besonderheiten ergeben sich bei einer "gespaltenen" Arbeitgeberstellung; d.h. wenn ein zu einem inländischen Arbeitgeber in arbeitsvertraglicher Beziehung stehender Arbeitnehmer ebenfalls in den Betrieb eines anderen Unternehmers eingegliedert ist. Es handele sich dann um eine Form des drittbezogenen Personaleinsatzes, auf den § 14 Abs. 1 AÜG entsprechende Anwendung finden könnte. Der Arbeitnehmer bliebe dem "überlassenden" Betrieb zugeordnet. Die bloße Personalverwaltung durch den Inlandsbetrieb genüge dabei nicht. Das LAG habe eine lediglich "rudimentäre Weisungsgebundenheit" als ausreichend angesehen und insofern nur darauf abgestellt, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Einsatzorte des Klägers zu ändern. Nach Auffassung des BAG rechtfertige die rechtliche Befugnis zur Änderung des Arbeitsortes für sich allein genommen die Annahme der Eingliederung nicht. Vielmehr müsse die Beklagte gegenüber dem Kläger eine betriebsverfassungsrechtlich relevante Arbeitgeberstellung eingenommen haben.

Das BAG nimmt grundsätzlich Stellung zur betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung eines im Ausland eingesetzten Arbeitnehmers bei sogenannter gespaltener Arbeitgeberstellung. Das BAG geht hierbei von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis aus. Regelmäßig liegt eine Zuordnung zum Inlandsbetrieb bei einer ständigen Beschäftigung im Ausland nicht vor. Für die Annahme der Eingliederung auch in den Inlandsbetrieb bei einer Tätigkeit im Ausland kommt es darauf an, ob der Inlandsbetrieb gegenüber dem im Ausland eingesetzten Arbeitnehmer eine betriebsverfassungsrechtlich relevante Arbeitgeberstellung tatsächlich eingenommen hat.

07.01.2019
Arbeitsrechtliche Konsequenzen bei schneebedingten Verspätungen

Wegen starker Schneefälle drohen Verspätungen z. B. durch Zugausfälle oder schwer passierbare Straßen. Dadurch werden viele Arbeitnehmer Probleme haben, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen.

Der Arbeitnehmer trägt grundsätzlich das sogenannte Wegerisiko, also das Risiko, rechtzeitig zu seinem Betrieb zu gelangen. Werden witterungsbedingte Beeinträchtigungen in den Medien angekündigt, muss man zumutbare Vorkehrungen treffen, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Dazu gehört beispielsweise früher aufzubrechen, um einen entsprechenden Zeitpuffer zu haben. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des Lohns entfällt solange, bis der Mitarbeiter seine Arbeit im Betrieb aufnimmt. Gegebenenfalls kann der Zeitausfall mit einem vorhandenen Arbeitszeitkonto verrechnet werden.

In manchen Branchen sehen die Tarifverträge auch Abweichungen von diesem Grundsatz vor. So gilt nach § 10 B Ziffer 4 des Manteltarifvertrages der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie für tarifgebundene Unternehmen, dass auf Wunsch des Arbeitnehmers eine Verrechnung mit seinem gegebenenfalls bestehenden Arbeitszeitkonto erfolgen muss. Alternativ kann die Gelegenheit zu einer zuschlagsfreien Nacharbeit innerhalb von fünf Wochen gewährt werden.

Bei Dienstreisen trägt der Arbeitgeber das Risiko der pünktlichen Beförderung, sodass der Arbeitnehmer in diesem Fall auch bei witterungsbedingten Ausfällen und Verspätungen die volle Vergütung erhält.

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber auf Nichterscheinen des Arbeitnehmers mit arbeitsrechtlichen Sanktionen reagieren, zum Beispiel mit einer Abmahnung oder einer Kündigung. Sofern jedoch der Arbeitnehmer wegen der Wetterverhältnisse nicht in der Lage war, an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen, hat er dies nicht zu vertreten. In diesen Fällen scheidet eine arbeitsrechtliche Sanktion aus. Die Arbeitnehmer sind allerdings verpflichtet, ihr Nichterscheinen soweit möglich unverzüglich dem Arbeitgeber mitzuteilen.

17.12.2018
Pflichten des Arbeitgebers bei der Urlaubsgewährung

Sachverhalt

Der Kläger war von 2001 bis 2013 auf der Grundlage mehrerer befristeter Verträge beim Unternehmen beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis fand das BUrlG Anwendung. Am 23. Oktober 2013 bat der AG den AN erfolglos schriftlich, seinen Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen, ohne ihn jedoch zu verpflichten, ihn zu einem vom AG festgelegten Termin zu nehmen. Der AN erhob Zahlungsklage und forderte 11.979,00 Euro als finanzielle Abgeltung für 51 nicht genommene Urlaubstage aus 2012 und 2013. Dieser Klage wurde stattgegeben, so dass der AG Revision einlegte. Das BAG führte aus, die im Ausgangsverfahren fraglichen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub seien gemäß § 7 BUrlG verfallen. Der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub des AN, den dieser zu nehmen in der Lage gewesen wäre, verfalle grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres, es sei denn die Übertragungsvoraussetzungen nach dieser Bestimmung lägen vor. Bei Verfall könne der Urlaub nicht mehr in einen Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG umgewandelt werden. Anders sei es nur, wenn der AG dem AN trotz eines rechtzeitigen Urlaubsantrags des AN keinen Urlaub gewährt habe. Fraglich sei, ob der AG verpflichtet wäre, den AN zu zwingen, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Das BAG fragte den EuGH, ob
1. Der AG gemäß Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88 verpflichtet sei, den Erholungsurlaub von sich aus einseitig zeitlich festzulegen oder ob
2. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auch dann nicht mit Ablauf des Bezugsjahres oder des Übertragungszeitraums erlösche, wenn der AN in der Lage gewesen sei, den Urlaubsanspruch wahrzunehmen.

Ist das Arbeitsverhältnis beendet, ist die tatsächliche Inanspruchnahme des bezahlten Jahresurlaubs nicht mehr möglich. Um zu verhindern, dass dem AN deswegen jeder Genuss des Anspruchs selbst in finanzieller Form, vorenthalten wird, sieht Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88 vor, dass der AN Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für nicht genommene Urlaubstage hat. Ist daraus zu entnehmen, dass dem AN ohne tatsächliche Beantragung des Urlaubs dieser nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom AG abzugelten ist?

Der EuGH stellt klar, dass der AG zur Urlaubsgewährung bzw. zur Zahlung des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch dann verpflichtet sein kann, wenn der AN den Urlaub vorher nicht bei ihm beantragt hat. Denn Art. 7 der RL 2003/88 steht einer nationalen Regelung wie § 7 Abs. 4 BUrlG entgegen, nach der ein AN, wenn er im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, am Ende des Bezugszeitraums die zustehenden Urlaubstage und seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub verliert. Dies gilt aber nur dann, wenn ihn nicht vorher der AG klar und transparent auf den möglichen Anspruchsverlust hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Inanspruchnahme des Urlaubs gegeben hat.

04.12.2018
Mindestlohn wird in zwei Stufen angehoben

Wie die Mindestlohnkommission bereits am 26. Juni 2018 beschlossen hat, wird der gesetzliche Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro in zwei Stufen auf 9,35 Euro im Zeitraum 01. Januar 2019 bis 01. Januar 2020 steigen. Auf der ersten Stunde wird der gesetzliche Mindestlohn mit Wirkung zum 01. Januar 2019 von 8,84 Euro auf 9,19 Euro brutto pro Stunde und auf der zweiten Stufe mit Wirkung zum 1. Januar 2020 auf 9,35 Euro brutto je Zeitstunde erhöht.

Die zweite Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns (Zweite Mindestlohnanpassungsverordnung – MiLoV2) ist am 20. November 2018 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Sie tritt zum 1. Januar 2019 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Mindestlohnanpassungsverordnung vom 15. November 2016 außer Kraft. Damit ist die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 9,19 Euro brutto je Zeitstunde ab 1. Januar 2019 und auf 9,35 Euro brutto je Zeitstunde ab 1. Januar 2020 rechtsverbindlich.

15.11.2018
Aufbewahrung von Bildmaterial von Überwachungsvideos

Die Speicherung von Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigen, wird nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig, solange die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich ist. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 23. August 2018 - 2 AZR 133/18 - entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin war in einem vormals von dem Beklagten betriebenen Tabak- und Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle tätig. Dort hatte der Beklagte eine offene Videoüberwachung installiert. Mit den Aufzeichnungen wollte er sein Eigentum vor Straftaten sowohl von Kunden als auch von eigenen Arbeitnehmern schützen.

Nach dem Vortrag des Beklagten wurde im 3. Quartal 2016 ein Fehlbestand bei Tabakwaren festgestellt. Bei einer im August 2016 vorgenommenen Auswertung der Videoaufzeichnungen habe sich gezeigt, dass die Klägerin an zwei Tagen im Februar 2016 vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt habe. Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

Die Vorinstanzen haben der dagegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Erkenntnisse aus den Videoaufzeichnungen unterlägen einem Verwertungsverbot. Der Beklagte hätte die Bildsequenzen unverzüglich, jedenfalls deutlich vor dem 1. August 2016 löschen müssen.

Entscheidung des BAG

Auf die Revision des Beklagten hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts das Berufungsurteil hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Sollte es sich - was der Senat nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilen kann - um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt haben, wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF zulässig gewesen und habe dementsprechend nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt.

Der Beklagte musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er durfte hiermit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah. Sollte die Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt sein, stünden auch die Vorschriften der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung einer gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der Klägerin im weiteren Verfahren nicht entgegen.

15.11.2018
Mindestlohn – Gestaltung der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist

Am 18. September hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Ausschlussfristen in vorformulierten Arbeitsverträgen (AGB) unwirksam sind, wenn sie den Mindestlohnanspruch gem. § 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) nicht ausdrücklich ausnehmen.

Im Rahmen der AGB-Kontrolle ist eine Klausel deshalb auch dann unwirksam, wenn konkret um andere Ansprüche als Mindestlohnansprüche gestritten wird.

Bisher liegt nur die Pressemitteilung des BAG vor, sobald die detaillierte Urteilsbegründung veröffentlicht wurde, werden wir Sie ausführlich informieren.

Eine Ausschlussklausel ohne jede Einschränkung bezüglich des Mindestlohns verstößt gegen das Transparenzgebot und ist – jedenfalls dann – insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns geschlossen wurde. Wie es sich mit Altarbeitsverträgen verhält, ergibt sich aus der Pressemitteilung leider nicht. Unter Umständen kommt für diese eine geltungserhaltende Reduktion oder eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht.

Soweit noch nicht geschehen, empfehlen wir eine Überprüfung der Arbeitsvertragsmuster. Bei neu abzuschließenden Verträgen sollten Ausschlussklauseln so formuliert sein, dass sie Ansprüche auf Mindestentgelte – unabhängig davon auf welcher Rechtsgrundlage diese beruhen – nicht erfassen, um den Vorwurf der Intransparenz zu vermeiden. Vor allem auch in Hinblick auf die Entscheidung des BAG vom 24. August 2016 (BAG 5 AZR 703/15), wonach eine Ausschlussfristenregelung, die auch Ansprüche auf das Mindestentgelt in der Pflegebranche einbezieht, unwirksam ist, sollte eine Ausschlussklausel alle Mindestentgelte umfassen.

Die Entscheidung des BAG vom 18. September 2018 beschränkt sich, wie bereits die Entscheidung vom 24. August 2016, auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen. Tarifvertragliche Ausschlussfristen unterliegen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dagegen nicht der Transparenzkontrolle. Daher werden tarifvertragliche Ausschlussfristen von diesem engen Anwendungsbereich nicht erfasst (vgl. BAG vom 20. Juni 2018 - 5 AZR 377/17).

15.11.2018
Keine Übernahme der Kostenpauschale gem. § 288 Abs. 5 BGB im Arbeitsrecht

Am 25. September 2018 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung von Pauschalen nach § 288 Abs. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bei Verzug des Arbeitgebers geltend machen kann.

Mit § 288 Abs. 5 BGB hat der Gesetzgeber 2016 für Gläubiger einer Entgeltforderung eine Kostenpauschale von 40 Euro bei Verzug des Schuldners eingeführt. Nach überwiegender Auffassung kann diese Vorschrift im Arbeitsrecht keine Wirksamkeit entfalten, weil § 12a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) eine solche Konstellation ausschließe. Dennoch haben Landesarbeitsgerichte in der Vergangenheit entschieden, dass die Vorschrift auch im Arbeitsverhältnis anwendbar sei. Dem widerspricht nun die abschließende Entscheidung des BAG.

Es besteht kein Anspruch auf Zahlung von Kostenpauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB bei Verzug des Arbeitgebers. Grundsätzlich ist § 288 Abs. 5 BGB zwar auch in Fällen anwendbar, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt in Verzug befindet. Allerdings wird durch § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Beitreibungskosten ausgeschlossen, sondern auch ein entsprechender materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch und damit auch der Anspruch auf die Zahlung von Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB.

24.10.2018
Rechengrößen Sozialversicherung 2019

Im Jahr 2017 sind Löhne und Gehälter wieder gestiegen. Deshalb werden 2019 die Rechengrößen für die Sozialversicherung angehoben.

Die Tabelle als pdf. Datei

26.09.2018
Streikbruchprämie ist zulässiges Kampfmittel im Arbeitskampf

Ein bestreikter Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer durch Zusage einer Prämie (Streikbruchprämie) von einer Streikbeteiligung abzuhalten. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen: 1 AZR 287-17) erneut bestätigt.

Sachverhalt

Vor Streikbeginn versprach der Arbeitgeber in einem betrieblichen Aushang allen Arbeitnehmern, die sich nicht am Streik beteiligen und ihrer regulären Tätigkeit nachgehen, die Zahlung einer Streikbruchprämie.

Diese war zunächst pro Streiktag in Höhe von 200 Euro brutto (bei einer Teilzeitbeschäftigung entsprechend anteilig) und in einem zweiten betrieblichen Aushang in Höhe von 100 Euro brutto zugesagt.

Der Kläger folgte dem gewerkschaftlichen Streikaufruf und legte an mehreren Tagen die Arbeit nieder. Mit seiner Klage hat er die Zahlung von Prämien, insgesamt 1.200 Euro brutto, verlangt und sich hierfür vor allem auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen.

Entscheidungsgründe

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

In der Zusage der Prämienzahlung an alle arbeitswilligen Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber liege zwar eine Ungleichbehandlung der streikenden und der nicht streikenden Arbeitnehmer.

Diese Ungleichbehandlung sei aber aus arbeitskampfrechtlichen Gründen gerechtfertigt. Der Arbeitgeber wollte mit der freiwilligen Sonderleistung betrieblichen Ablaufstörungen begegnen und damit dem Streikdruck entgegenwirken. Vor dem Hintergrund der für beide soziale Gegenspieler geltenden Kampfmittelfreiheit handele es sich um eine grundsätzlich zulässige Maßnahme des Arbeitgebers. Für diese gelte das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Danach sei die ausgelobte Streikbruchprämie, auch soweit sie den Tagesverdienst Streikender um ein Mehrfaches überstieg, nicht unangemessen.

Bewertung

Die vbw begrüßt diese Entscheidung. Streikprämien können ein Mittel des Arbeitgebers sein, um den Betrieb bei einem angedrohten Arbeitskampf ganz oder zumindest zum Teil aufrechtzuerhalten.

28.04.2018
Übergangszuschuss als Leistung der betrieblichen Altersversorgung

Das Bundearbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 20. März 2018 (Az.: 3 AZR 277/16) entschieden, dass ein Übergangszuschuss als Leistung der betrieblichen Altersversorgung anzusehen ist und der Insolvenzsicherung des Pensions-Sicherungs-Vereins (PSV) unterliegt.

Der Kläger war bei der nun insolventen Arbeitgeberin beschäftigt. Bei dieser galt eine Betriebsvereinbarung auf Gewährung eines Übergangszuschusses. Dieser sollte während der ersten sechs Monate des Rentenbezugs gezahlt werden, wenn der Versorgungsberechtigte im unmittelbaren Anschluss an die aktive Dienstzeit bei der Arbeitgeberin pensioniert wird. Dabei sollte die Betriebsrente auf den Zuschuss angerechnet werden. Seit Januar 2015 bezieht der Kläger neben der gesetzlichen Rente eine Betriebsrente vom PSV.

Erfolgreiche Klage

Die Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des BAG hat der entsprechend ausgestaltete Übergangszuschuss Versorgungscharakter und ist deshalb als Leistung der betrieblichen Altersversorgung anzusehen. Er knüpft an ein vom Betriebsrentengesetz erfasstes Risiko an. Sinn und Zweck eines solchen Zuschusses ist es, den Lebensstandard bei Eintritt in den Ruhestand zu verbessrn. Er dient nicht lediglich der Überbrückung von Zeiträumen bis zum Eintritt des Versorgungsfalls.

Bewertung

Die Frage, ob Arbeitgeberzahlungen Leistung der betrieblichen Altersversorgung sind, stellt sich häufig im Zusammenhang mit der Insolvenz des Arbeitgebers und hierdurch ausgelösten Eintrittspflicht des Pensions-Sicherungsvereins. Sie ist aber für die Geltung des Betriebsrentengesetzes und im Steuerrecht von entscheidender Bedeutung.

Um betriebliche Altersversorgung handelt es sich, wenn das Unternehmen eine Zusage aus Anlass eines Arbeits- oder Anstellungsverhältnisses erteilt, die der Absicherung eines biologischen Risikos (Alter, Invaldität oder Tod) dient und Versorgungscharakter hat.

27.04.2018
EuGH Urteil: Befristete Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die Regelarbeitszeit hinaus

 

1. Hintergrund
Durch die länger werdende Lebenserwartung gewinnt die Beschäftigung von Arbeitnehmern über den Zeitpunkt der Regelaltersgrenze immer mehr an Bedeutung. Vor allem aber auch deshalb, weil Arbeitnehmer durch die weiteren Beitragszahlungen in die Rentenversicherung höhere Rentenanwartschaften erwerben können.
Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber im Jahre 2014 den § 41 S. 3 SGB VI eingeführt, der es den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch mehrfach, hinauszuschieben. Die Vereinbarkeit der Norm mit europäischem Recht war weitestgehend umstritten. Mit dem Urteil vom 28. Februar 2018 erkannte der EuGH den § 41 S. 3 SBG VI als europarechtskonform an.
2. Sachverhalt
Der Kläger und die Beklagte schlossen kurz vor Ende des Arbeitsvertrages durch die Erreichung der Regelaltersgrenze eine Vereinbarung. Danach sollte das Arbeitsverhältnis um ein weiteres Jahr hinausgeschoben werden. Nach Ablauf dieses weiteren Jahres verlangte der Kläger eine erneute Befristung um ein Jahr.
3. Entscheidung des EuGH
Der EuGH hat am 28. Februar 2018 entschieden, dass mehrfache Verlängerungen des Arbeitsverhältnisses über die Altersgrenze hinaus (§ 41 S. 3 SBG VI) mit europäischen Recht vereinbar sind. Sie verstoßen weder gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters noch gegen die Richtlinie zu der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge.
Die Regelung, nach der das Ende des Arbeitsverhältnisses mehrfach hinausgeschoben werden kann, und zwar ohne weitere Voraussetzungen und zeitlich unbegrenzt, stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der automatischen Beendigung des Arbeitsvertrags bei Erreichen der Regelaltersgrenze dar.
Nach dem EuGH führt § 41 S. 3 SGB VI nicht zu aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen im Sinne der Richtlinie zur Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse.
Der Gerichtshof verweist insoweit darauf, wonach sich ein Arbeitnehmer, der das Regelalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht, von anderen Arbeitnehmern nicht nur hinsichtlich seiner sozialen Absicherung unterscheidet, sondern auch dadurch, dass er sich regelmäßig am Ende seines Berufslebens befindet und damit im Hinblick auf die Befristung seines Vertrags nicht vor der Alternative steht, in den Genuss eines unbefristeten Vertrags zu kommen.
Die Regelaltersgrenze wurde mehrfach durch den EuGH als wirksam erachtet und kann nun auch nach der Bestätigung durch den EuGH mit diesem Urteil durch die Vertragsparteien verlängert werden.

Hintergrund

Durch die länger werdende Lebenserwartung gewinnt die Beschäftigung von Arbeitnehmern über den Zeitpunkt der Regelaltersgrenze immer mehr an Bedeutung. Vor allem aber auch deshalb, weil Arbeitnehmer durch die weiteren Beitragszahlungen in die Rentenversicherung höhere Rentenanwartschaften erwerben können.Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber im Jahre 2014 den § 41 S. 3 SGB VI eingeführt, der es den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch mehrfach, hinauszuschieben. Die Vereinbarkeit der Norm mit europäischem Recht war weitestgehend umstritten. Mit dem Urteil vom 28. Februar 2018 erkannte der EuGH den § 41 S. 3 SBG VI als europarechtskonform an.

Sachverhalt

Der Kläger und die Beklagte schlossen kurz vor Ende des Arbeitsvertrages durch die Erreichung der Regelaltersgrenze eine Vereinbarung. Danach sollte das Arbeitsverhältnis um ein weiteres Jahr hinausgeschoben werden. Nach Ablauf dieses weiteren Jahres verlangte der Kläger eine erneute Befristung um ein Jahr.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH hat am 28. Februar 2018 entschieden, dass mehrfache Verlängerungen des Arbeitsverhältnisses über die Altersgrenze hinaus (§ 41 S. 3 SBG VI) mit europäischen Recht vereinbar sind. Sie verstoßen weder gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters noch gegen die Richtlinie zu der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge.Die Regelung, nach der das Ende des Arbeitsverhältnisses mehrfach hinausgeschoben werden kann, und zwar ohne weitere Voraussetzungen und zeitlich unbegrenzt, stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der automatischen Beendigung des Arbeitsvertrags bei Erreichen der Regelaltersgrenze dar.Nach dem EuGH führt § 41 S. 3 SGB VI nicht zu aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen im Sinne der Richtlinie zur Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse.Der Gerichtshof verweist insoweit darauf, wonach sich ein Arbeitnehmer, der das Regelalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht, von anderen Arbeitnehmern nicht nur hinsichtlich seiner sozialen Absicherung unterscheidet, sondern auch dadurch, dass er sich regelmäßig am Ende seines Berufslebens befindet und damit im Hinblick auf die Befristung seines Vertrags nicht vor der Alternative steht, in den Genuss eines unbefristeten Vertrags zu kommen.Die Regelaltersgrenze wurde mehrfach durch den EuGH als wirksam erachtet und kann nun auch nach der Bestätigung durch den EuGH mit diesem Urteil durch die Vertragsparteien verlängert werden.

 

27.04.2018
Kein Anspruch auf Kündigung einer Direktversicherung bei finanzieller Not des Arbeitnehmers

 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 26. April 2018 (Az.: 3 AZR 586/16) entschieden, dass ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Kündigung eines zu seinen Gunsten abgeschlossenen Direktversicherungsvertrags gegen den Arbeitgeber hat, wenn er sich in einer finanziellen Notlage befindet.
Die betriebliche Altersversorgung trägt zur Sicherung des Lebensstandards der Arbeitnehmer im Alter bei. Mit diesem Ziel wäre es unvereinbar, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung des Versicherungsvertrags verlangen könnte, um mit dem angesparten Kapital seine aktuellen Schulden begleichen zu können.
Erfolglose Klage
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der mit seinem Arbeitgeber eine Entgeltumwandlungsvereinbarung abgeschlossen hatte. Der Arbeitgeber schloss mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag, bei dem der Arbeitnehmer die versicherte Person war. Im Rahmen dieser Vertragsverhältnisse zahlte der Arbeitgeber die umgewandelten Beiträge mitsamt einem Arbeitgeberzuschlag als Beitrag an die Versicherung. Im Falle der vom Arbeitnehmer begehrten Kündigung hätte der Arbeitnehmer den Rückkaufswert vom Versicherer beanspruchen können.
Die Klage, mit der der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber zur Kündigung des Versicherungsvertrags verpflichten wollte, blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.
Vorrang der Altersversorgung wichtig
Die Entscheidung ist in Anbetracht der finanziellen Risiken, die auf viele Arbeitnehmer im Alter zukommen, konsequent. Die wichtige Rolle der betrieblichen Altersversorgung bei der Sicherung des Lebensstandards im Alter darf nicht dadurch entwertet werden, dass das bis dahin angesparte Kapital bei akuten finanziellen Engpässen lange vor dem Versorgungsfall beansprucht werden kann.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 26. April 2018 (Az.: 3 AZR 586/16) entschieden, dass ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Kündigung eines zu seinen Gunsten abgeschlossenen Direktversicherungsvertrags gegen den Arbeitgeber hat, wenn er sich in einer finanziellen Notlage befindet.Die betriebliche Altersversorgung trägt zur Sicherung des Lebensstandards der Arbeitnehmer im Alter bei. Mit diesem Ziel wäre es unvereinbar, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung des Versicherungsvertrags verlangen könnte, um mit dem angesparten Kapital seine aktuellen Schulden begleichen zu können.

Erfolglose Klage

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der mit seinem Arbeitgeber eine Entgeltumwandlungsvereinbarung abgeschlossen hatte. Der Arbeitgeber schloss mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag, bei dem der Arbeitnehmer die versicherte Person war. Im Rahmen dieser Vertragsverhältnisse zahlte der Arbeitgeber die umgewandelten Beiträge mitsamt einem Arbeitgeberzuschlag als Beitrag an die Versicherung. Im Falle der vom Arbeitnehmer begehrten Kündigung hätte der Arbeitnehmer den Rückkaufswert vom Versicherer beanspruchen können.Die Klage, mit der der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber zur Kündigung des Versicherungsvertrags verpflichten wollte, blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Vorrang der Altersversorgung wichtig

Die Entscheidung ist in Anbetracht der finanziellen Risiken, die auf viele Arbeitnehmer im Alter zukommen, konsequent. Die wichtige Rolle der betrieblichen Altersversorgung bei der Sicherung des Lebensstandards im Alter darf nicht dadurch entwertet werden, dass das bis dahin angesparte Kapital bei akuten finanziellen Engpässen lange vor dem Versorgungsfall beansprucht werden kann.

 

04.04.2018
Aufhebungsvertrag mit Abfindungszahlung ist keine Begünstigung eines Betriebsratsmitgliedes

Das Bundearbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 21. März 2018 (Az.: 7 AZR 590/16) entschieden, dass ein nach beabsichtigter Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes durch den Arbeitgeber geschlossener Aufhebungsvertrag grundsätzlich keine unzulässige Begünstigung nach § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) darstellt.

Geklagt hatte der seit 1963 beim Arbeitgeber beschäftigte Betriebsratsvorsitzende. Der Arbeitgeber beabsichtigte die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Während des laufenden Verfahrens zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der Kündigung schlossen beide Seiten einen Aufhebungsvertag. Darin wurde unter anderem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2015, die Freistellung unter Vergütungsfortzahlung und eine im Verlauf des Arbeitsverhältnisses auszuzahlende Abfindung von 120.000 Euro netto vereinbart. Nachdem der Kläger am 23. Juli 2013 vereinbarungsgemäß von seinem Betriesratsamt zurückgetreten war und in der folgenden Zeit die Abfindungszahlung erfolgte, machte er den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2015 hinaus geltend.

Die Klage blieb in letzter Instanz ohne Erfolg. Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Verstoßen getroffene Vereinbarungen dagegen, sind diese nach § 134 BGB nichtig. Durch die Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages wird das Betriebsratsmitglied aber regelmäßig nicht unzulässig begünstigt. Stellt sich die Verhandlungsposition eines Betriebsratsmitgliedes im Vergliech zu Arbeitnehmern ohne ein solches Amt günstiger dar, ist dies auf den gesetzlich geregelten Sonderkündigungsschutz nach § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und § 103 BetrVG zurückzuführen.

Bewertung

Das Urteil des BAG ist konsequent unter praktischen Gesichtspunkten gut nachvollziehbar. Anderenfalls wäre es für Betriebsratsmitglieder möglich, sich anhand eines Aufhebungsvertrages mit einer Abfindung auszahlen zu lassen, um nachfolgend im Wege der Klage die Weiterbeschäftigung durchzusetzen.

01.01.2018
Rechengrößen Sozialversicherung 2018

Rechengrößen in der Sozialversicherung sowie Förderungsgrenzen 2018

 


1. Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der Allgemeinen Rentenversicherung (GRV)


Alte Bundesländer

Neue Bundesländer

Jahr

2018

2017

2018

2017

monatlich

6.500 €

6.350 €

5.800 €

5.700 €

jährlich

78.000 €

76.200 €

69.600 €

68.400 €

2. Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch IV


Alte Bundesländer

Neue Bundesländer

Jahr

2018

2017

2018

2017

monatlich

3.045 €

2.975 €

2.695 €

2.660 €

jährlich

36.540 €

35.700 €

32.340 €

31.920 €

3. Förderungsgrenzen nach § 3 Nr. 63 EStG für Direktversicherung/Pensionskasse/ Pensionsfonds = 8 % der Beitragsbemessungsgrenze in der GRV (West)




Jahr

2018

2017

 

 

jährlich

6.240 €

3.048 €

 

 

29.11.2017
Pfändung von Arbeitseinkommen - unpfändbare Zulagen

Das Bundearbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 23. August 2017 (Az.: 10 AZR 859/16) entschieden, dass die Zulagen zu Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als Erschwerniszulagen unpfändbar sind, soweit sie sich im Rahmen des Üblichen bewegen. Dahingegen unterliegen die Zulagen für Schicht-, Samstags- und Vorfestarbeit weiterhin der Pfändung.

Differenzierung nach Art der Zulagen erforderlich

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Hauspflegerin tätig. Sie befand sich nach einem zwischenzeitlich aufgehobenen Insolvenzverfahren in der sogenannten Wohlverhaltensphase. Das heißt, sie hatte ihre pfändbare Vergütung an einen Treuhänder abgetreten. Die beklagte Arbeitgeberin führte daher im Zeitraum von Mai 2015 bis einschließlich März 2016 den nach ihrer Ansicht pfändbaren Teil der jeweiligen Nettovergütung an den Treuhänder ab. Hierbei ging die Beklagte davon aus, dass sowohl Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Samstags- und Vorfestarbeit pfändbar seien. Die Klägerin hingegen war der Ansicht, dies alles seien Erschwerniszulagen gemäß § 850a Nr. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) und somit unpfändbar, weshalb sie von ihrer Arbeitgeberin die Zahlung des nach ihrer Ansicht zu viel an den Treuhänder abgeführten Geldes verlangte.

Anders als die Vorinstanzen, welche der Klage stattgegeben hatten, ging das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass man differenzieren müsse. Die Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind tätsächlich als Erschwerniszulagen gem. § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Dies ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber Nachtarbeit als besonders erschwerend gewertet hat und daher in § 6 Abs. 5 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) die Ausgleichspflicht derselben ausdrücklich geregelt hat. Demnach ist dem Arbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Stunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder eben ein Zuschlag zu gewähren. Gleiches gilt für Sonn- und Feiertage, welche schon kraft Verfassung (Art. 140 Grundgesetz i.V.m. Art. 139 Weimarer Reichsverfassung) unter besonderem Schutz stehen und für die nach § 9 Abs. 1 ArbZG ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot gilt. Der Gesetzgeber ist der Ansicht, es stelle ein besonderes Erschwernis dar, wenn ein Arbeitnehmer an einem solchen Tag trotzdem arbeiten müsse.

Für Schicht-, Samstags- und Vorfestarbeit gibt es solche Regelungen nicht. Es gibt deshalb keinen Anknüpfungspunkt dafür, dass der Gesetzgeber die entsprechende Tätigkeit als besondere Erschwernis ansieht.

Bewertung

Die Entscheidung sorgt für Rechtssicherheit. Das Bundearbeitsgericht hat klargestellt, in welchen Fällen eine Zulage als Erschwerniszulage zu behandeln und daher an den Arbeitnehmer abzuführen ist und wann die Zulage dem Treuhänder zufällt. Der Arbeitgeber kann sich somit sicher sein, an wen er welchen Betrag abführen muss und läuft nicht Gefahr, möglicherweise doppelt leisten zu müssen.

16.05.2017
Kein Mindestlohn beim kurzfristigen Einsatz in Deutschland

Das Bundearbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 24. August 2016 entschieden, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Ausschlussfrist in der Pflegebranche gemäß § 9 Satz 3 in Verbindung mit § 13 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) unwirksam ist. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des Mindestlohns, sondern auch für die Geltendmachung weiterer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Eine Klausel, die auch den Mindestlohnanspruch ausschließt, verstößt demnach gegen das Transparenzgebot und kann daher insgesamt keinen Bestand haben.

Erfolgreiche Klage auf Entgeltfortzahlung

Geklagt hatte eine Pflegehilfskraft, die nach Inkrafttreten des auf Grundlage von § 11 AEntG geltenden Mindestlohns in der Pflegebranche eingestellt worden war. Sie war vom 19. November 2013 bis zum 15 Dezember 2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben, erhielt vom Arbeitgeber aber keine Entgeltfortzahlung. In ihrem Formulararbeitsvertrag war eine Frist für die Geltendmachung von sämtlichen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis vorgesehen, die die Klägerin verstreichen ließ. Die Klage hatte dennoch in allen Instanzen Erfolg, weil die Gerichte die nicht zwischen ausschließbaren Ansprüchen und dem durch § 9 Satz 3 AEntG besonders geschützten Mindestlohnanspruchs differenzierende Verfallsklausel wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) insgesamt für unwirksam hielten.

Übertragung auf den gesetzlichen Mindestlohn möglich

In Anbetracht der Begründung des BAG lässt sich die Entscheidung unter Umständen auf den gesetzlichen Mindestlohn und damit auf formularmäßige Ausschlussfristen in allen Arbeitsverhältnissen übertragen. In § 3 Satz 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) heißt es zwar - anders als in § 9 Satz 3 AEntG - dass eine Ausschlussfrist nur insoweit unwirksam ist, wie sie den Mindestlohn betrifft. Das BAG hat die Unwirksamkeit im nun entschiedenen Fall allerdings nicht unmittelbar aus den Mindestlohnvorschriften abgeleitet, sondern aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Hinweise für die Praxis

Aufgrund der Unsicherheit, die das BAG-Urteil mit sich bringt, ist es in allen Branchen zu empfehlen, Ansprüche, die nicht ausgeschlossen werden können, von Ausschlussfristen ausdrücklich auszunehmen. Das betrifft beim Mindestlohn insbesondere Ansprüche aufgrund von Körperverletzungen sowie Ansprüche infolge von vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen, die dem Arbeitgeber zugerechnet werden können.

Verfallsklauseln in Arbeitsverträgen, die vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes bzw. vor der Einführung des jeweiligen Branchenmindestlohns abgeschlossen wurden, bleiben jedoch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit für andere Ansprüche durch die Entscheidung unberührt. Sie müssen nicht nachträglich angepasst werden. Auch tarifliche Ausschlussfristen sind von dem Urteil nicht betroffen, weil sie sich nicht am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen messen lassen müssen.

26.01.2017
Massenentlassungsschutz während Elternzeit gestärkt

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 26. Januar 2017 - Az.: 6 AZR 442/16

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 26. Januar 2017 entschieden, dass der Massenentlassungsschutz nach den §§ 17 ff Kündigungsschutzgesetz (KSchG) auch dann zu beachten ist, wenn sich die Kündigung wegen dem Genehmigungserfordernis nach § 18 Abs. 1 Satz 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ausgesprochen wird. Anderenfalls würde eine verfassungswidrige Benachteiligung von Arbeitnehmerinnen in Elternzeit vorliegen.

Erfolgreiche Kündigungsschutzklage nach Intervention des Bundesverfassungsgerichts


Geklagt hatte die Arbeitnehmerin, deren Arbeitsverhältnis während ihrer Elternzeit gekündigt wurde. Die zuvor ausgesprochenen Kündigungen der Arbeitsverhältnisse der anderen Arbeitnehmer waren an der fehlenden Konsultation des Betriebsrats nach § 17 KSchG gescheitert. Der Arbeitgeber hatte die Zulässigkeitserklärung für die Kündigung während der Elternzeit innerhalb der 30-Tages Periode des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG beantragt. Die Kündigung selbst wurde wegen der Bearbeitungszeit allerdings außerhalb dieses Zeitraums zugestellt.

Die Kündigung war zunächst erfolglos geblieben. Das Bundesverfassungsgericht sah hierin jedoch einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot (BverfG vom 08. Juni 2016 - 1 BvR3634/13. Daraufhin stellte das Bundesarbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung fest.

01.01.2017
Rechengrößen in der Sozialversicherung sowie Förderungsgrenzen für 2017

Wichtige Gesetze und Urteile - Rechengrößen in der Sozialversicherung sowie Förderungsgrenzen für 2017

 

1. Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der Allgemeinen Rentenversicherung (GRV)

  Alte Bundesländer Neue Bundesländer
Jahr 2017 2016 2017 2016
monatlich 6.350 € 6.200 € 5.700 € 5.400 €
jährlich 76.200 € 74.400 € 68.400 € 64.800 €


2. Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch IV

  Alte Bundesländer Neue Bundesländer
Jahr 2017 2016 2017 2016
monatlich 2.975 € 2.905 € 2.660 € 2.520 €
jährlich 35.700 € 34.860 € 31.920 € 28.980 €

 

3. Förderungsgrenzen nach § 3 Nr. 63 EStG für Direktversicherung/Pensionskasse/ Pensionsfonds = 4% der Beitragsbemessungsgrenze in der GRV (West)

  Alte Bundesländer Neue Bundesländer
Jahr 2017 2016 2017 2016
monatlich 254 € 248 € 254 € 248 €
jährlich 3.048 € 2.976 € 3.048 € 2.976 €

 

bei Neuzusagen ab 2005 jeweils zuzüglich eines Festbetrages in Höhe von 1.800 € jährlich

16.12.2016
Im Betrieb notwendige Umkleidezeit grundsätzlich vergütungspflichtig

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16. Dezember 2016 - Az.: 9 AZR 574/15

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 16. Dezember 2016 festgestellt, dass notwendige Wasch- und Umkleidezeiten im Betrieb zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören. Zumindest in Tarifverträgen kann aber abweichend vereinbart werden, dass keine Vergütung erfolgt, auch wenn das Umkleiden auf Vorgaben des Arbeitsschutzes beruht. Ggf. kann sich dann aber trotzdem ein Vergütungsanspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben.

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer arbeitete dauerhaft in einem Bereich, für den er morgens eine spezielle Schutzkleidung anziehen und abends wieder ablegen musste. Nach dem anwendbaren Tarifvertrag galt, dass Umkleide- und Waschzeiten nicht zu der vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählen. Dementsprechend erhielt auch der Arbeitnehmer für diese Zeiten keine Vergütung. Bei anderen Arbeitnehmern allerdings, die sich nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend in dem Bereich aufhielten, wurden die Umkleide- und Waschzeiten dennoch vergütet.

Entscheidungsgründe

Das Bundesarbeitsgericht kam zu dem Ergebnis, dass das vom Arbeitgeber - ggf. auch aus Sicherheitsgründen - angeordnete Umkleiden im Betrieb zu den nach § 611 Abs. 1 BGB zu vergütenden Diensten im Arbeitsverhältnis gehört. Allerdings darf, so das Bundesarbeitsgericht, zumindest in einem Tarifvertrag geregelt werden, dass diese Zeiten dennoch nicht vergütet werden. Das ergebe sich aus dem Grundsatz der Tarifautonomie und gelte auch dann, wenn das Umkleiden dem Arbeitsschutz diene. § 3 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), der es verbietet, dem Arbeitnehmer Kosten des Arbeitsschutzes aufzuerlegen, sei hier nicht anwendbar, da in der Nicht-Vergütung von Arbeitszeit keine Kosten zu sehen seien.

Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht hier eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gesehen, weil Mitarbeiter, die den speziellen Bereich nur vorübergehend betreten, ihre Umkleidezeiten bezahlt bekommen haben. Dementsprechend hätten alle Arbeitnehmer, auch diejenigen, die dauerhaft in diesem Bereich arbeiten, einen entsprechenden Vergütungsanspruch.

Hinweise

- Das Urteil befasst sich nur mit der Frage der Vergütungspflicht. Dass vom Arbeitgeber angeordnete Umkleide- und Waschzeiten im Betrieb zwingend zur Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes gehören, von der auch nicht durch Tarifvertrag abgewichen werden kann, hatte das BAG bereits am 19. September 2012 festgestellt (Aktenzeichen 5 AZR 678/11).

- Leider ist im vorliegenden Urteil offen geblieben, ob abweichende Regelungen zur Vergütung von Umkleide- und Waschzeiten auch in Individualarbeitsverträgen möglich sind. Bei nicht-tarifgebundenen Unternehmen könnte diese Möglichkeit im Rahmen der Privatautonomie bestehen. Ergibt sich allerdings aus einem normativ anwendbaren Tarifvertrag, dass solche Zeiten zu vergüten sind, ist eine abweichende Regelung im Individualarbeitsvertrag nicht zulässig.

- Zu beachten ist auch, dass durch abweichende Regelungen (tariflich oder individualvertraglich) das durch das Mindestlohngesetz vorgegebene Mindestlohnniveau nicht unterschritten werden darf. Das heißt, bei der Frage, ob für einen Monat der gebotene Mindestlohn bezahlt wurde, sind Umkleide- und Waschzeiten auch bei zulässiger abweichender Regelung mitzuzählen.

13.12.2016
Pflicht des Arbeitgebers zur Erfüllung von Urlaubsansprüchen ohne Antrag

Frage des Bundesarbeitsgerichts (BAG) an den Europäischen Gerichtshof (EuGH)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 13. Dezember 2016 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob Urlaub auch ohne Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr zu gewähren und ihn dem Arbeitnehmer somit aufzuzwingen ist.

Fragen des BAG:

1)

Steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU einer nationalen Regelung wie der in § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) entgegen, die als Modalität für die Wahrnehmung des Anspruchs auf Erholungsurlaub vorsieht, dass der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche bezüglich der zeitlichen Festlegung des Urlaubs diesen beantragen muss, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergeht, und die den Arbeitgeber damit nicht verpflichtet, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen?

2)

Falls die Frage zu 1 bejaht wird: gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand?

Sachverhalt

Der Kläger war vom 01. August 2001 bis zum 31. Dezember 2013 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge beim Beklagten als Wissenschaftler beschäftigt. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 bat ihn der Beklagte, seinen Urlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Der Kläger nahm am 15. November und 02. Dezember 2013 jeweils einen Tag Erholungsurlaub und verlangte mit Schreiben vom 23. Dezember 2013 vom Beklagten ohne Erfolg die Abgeltung von 51 nicht genommenen Urlaubstagen.

Verfahrensgang

Die Vorinstanzen haben der Klage auf Urlaubsabgeltung stattgegeben.

Nach den nationalen Bestimmungen waren die Urlaubsansprüche des Klägers mit Ablauf des Urlaubsjahres 2013 verfallen. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG verfällt der im Urlaubsjahr nicht genommene Urlaub des Arbeitnehmers grundsätzlich am Ende des Urlaubsjahres, wenn - wie hier - keine Übertragungsgründe nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG vorliegen. Der Arbeitgeber ist nach nationalem Recht nicht verpflichtet, den Urlaub ohne einen Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr zu gewähren und somit dem Arbeitnehmer den Urlaub aufzuzwingen.

Die Frage, ob EU-Recht dem entgegensteht, ist von Gerichtshof der EU noch nicht so eindeutig beantwortet worden, dass nicht die geringsten Zweifel an ihrer Beantwortung bestehen.

Im Schrifttum wird aus dem Urteil des Gerichtshofs der EU vom 30. Juni 2016 teilweise abgeleitet, der Arbeitgeber sei gemäß § 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG verpflichtet, den Erholungsurlaub von sich aus einseitig zeitlich festzulegen. Ein Teil der nationalen Rechtsprechung versteht die Ausführungen des Gerichtshofs der EU im Urteil vom 12. Juni 2014 so, dass der Mindestjahresurlaub gem. Art. 7 der Richtlinie 2002/88/EG auch dann nicht mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums verfallen darf, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen.

Ferner besteht Klärungsbedarf, ob die vom Gerichtshof der EU möglicherweise aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU entnommene Verpflichtung zwischen Privatpersonen unmittelbare Wirkung entfaltet.

26.10.2016
BAG: Grenzen bei aufeinanderfolgenden Befristungen

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 26.Oktober 2016 - Az.: 7 AZR 135/15

In einem Urteil vom 26. Oktober 2016 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) konkretisiert, ab wann bei aufeinanderfolgenden Sachgrundbefristungen ein institutioneller Rechtsmissbrauch vorliegen kann, der zur Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses führt.

Stufensystem

Das BAG geht dabei von verschiedenen Stufen aus, je nach Gesamtdauer der Befristung bzw. Anzahl der Verlängerungen. Dabei kann sowohl die Gesamtdauer für sich, die Anzahl der Verlängerungen für sich als auch die Kombination von Gesamtdauer und Anzahl der Verlängerungen relevant sein. Je nachdem, auf welcher Stufe man sich bewegt, ergeben sich unterschiedliche Darlegungs- und Beweislasten. Die Vorgaben gelten für aufeinanderfolgende Sachgrundbefristungen bzw. auch dann, wenn zu Beginn sachgrundlose Befristungen vorlagen, auf die dann Sachgrundbefristungen folgten.

Erste Stufe: unproblematischer Bereich

Keine Ansatzpunkte für einen institutionellen Rechtsmissbrauch sieht das BAG, soweit weder
- die Gesamtdauer der Befristungen acht Jahre übersteigt (unabhängig von der Anzahl der Verlängerungen),
noch
- die Anzahl der Verlängerungen 12 übersteigt (unabhängig von der Gesamtdauer der Befristungen),
noch
- die Gesamtdauer der Befristungen sechs Jahre übersteigt und zugleich die Anzahl der Verlängerungen neun übersteigt.

In diesem Fall hat der Arbeitnehmer keine Erfolgsaussichten, auf Grundlage eines institutionellen Rechtsmissbrauchs ein unbefristetes Arbeitsverhältnis einzuklagen.

Zweite Stufe: Arbeitnehmer muss weitere Umstände vorbringen

Ab der zweiten Stufe sieht das BAG eine umfassende Missbrauchskontrolle vor. Diese Stufe ist erreicht, wenn entweder
- die Gesamtdauer der Befristungen acht Jahre übersteigt (unabhängig von der Anzahl der Verlängerungen),
oder
- die Anzahl der Verlängerungen 12 übersteigt (unabhängig von der Gesamtdauer der Befristungen),
oder
- die Gesamtdauer der Befristungen sechs Jahre übersteigt und zugleich die Anzahl der Verlängerungen neun übersteigt.

Auf dieser Stufe muss allerdings der Kläger noch weitere Umstände vorbringen, die für einen Rechtsmissbrauch sprechen. Gelingt ihm das, wird der Arbeitnehmer erfolgreich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis einklagen können.

Dritte Stufe: Indizierter Missbrauch


Von einem indizierten Gestaltungsmissbrauch geht das Bundesarbeitsgericht auf der dritten Stufe aus. Diese Stufe ist erreicht, wenn entweder
- die Gesamtdauer der Befristungen zehn Jahre übersteigt (unabhängig von der Anzahl der Verlängerungen),
oder
- die Anzahl der Verlängerungen 15 übersteigt (unabhängig von der Gesamtdauer der Befristungen),
oder
- die Gesamtdauer der Befristungen acht Jahre übersteigt und zugleich die Anzahl der Verlängerungen 12 übersteigt.

In diesem Fall muss der Arbeitgeber den Vorwurf des Gestaltungsmissbrauchs durch entsprechendes Vorbringen entkräften. Gelingt ihm das nicht, wird der Arbeitnehmer erfolgreich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis einklagen können.

13.10.2016
Vorzeitige Betriebsrente - versicherungsmathematische Abzüge

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. Oktober 2016 - Az.: 3 AZR 439/15

Sieht eine Versorgungsordnung bei der Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Erreichen der üblichen festen Altersgrenze versicherungsmathematische Abschläge vor, so liegt darin keine unerlaubte Diskriminierung - auch nicht wegen einer Behinderung, so das BAG in seinem Urteil vom 13.10.2016.

Sachverhalt

Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er bezieht seit der Vollendung seines 60. Lebensjahres eine gesetzliche Altersrente für Schwerbehinderte und eine gekürzte Betriebsrente.

Der Anspruch auf Betriebsrente besteht, wenn eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wird. Als feste Altersgrenze ist einheitlich die Vollendung des 65. Lebensjahres festgelegt und gleichzeitig bestimmt worden, dass für eine vorgezogene Inanspruchnahme der Betriebsrente ein versicherungsmathematischer Abschlag von 0,4 Prozent je Vorgriffsmonat vorzunehmen ist. Dementsprechend kürzte die Beklagte die Betriebsrente.

Entscheidung

Es liegt keine gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßende Benachteiligung wegen einer Behinderung vor. Eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG scheidet aus, weil die Abschläge nicht an die Behinderteneigenschaft anknüpfen. Auch andere Arbeitnehmer können früher in Rente gehen.

Ebenso scheidet eine mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG aus. Liegen die Voraussetzungen eines frühen Renteneintritts auch bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern vor, müssen diese ebenfalls Abschläge hinnehmen.

Soweit allein schwerbehinderte Menschen die gesetzliche und damit die Betriebsrente früher beanspruchen können, werden sie nicht gegenüber anderen Arbeitnehmern benachteiligt. Denn es kann keine anderen Arbeitnehmer geben, die zum selben Zeitpunkt eine ungekürzte Betriebsrente beziehen.

24.08.2016
Mindestlöhne gefährden Ausschlussfristen

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 24. August 2016 - Az.: 5 AZR 703/15

Das Bundearbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 24. August 2016 entschieden, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Ausschlussfrist in der Pflegebranche gemäß § 9 Satz 3 in Verbindung mit § 13 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) unwirksam ist. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des Mindestlohns, sondern auch für die Geltendmachung weiterer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Eine Klausel, die auch den Mindestlohnanspruch ausschließt, verstößt demnach gegen das Transparenzgebot und kann daher insgesamt keinen Bestand haben.

Erfolgreiche Klage auf Entgeltfortzahlung


Geklagt hatte eine Pflegehilfskraft, die nach Inkrafttreten des auf Grundlage von § 11 AEntG geltenden Mindestlohns in der Pflegebranche eingestellt worden war. Sie war vom 19. November 2013 bis zum 15 Dezember 2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben, erhielt vom Arbeitgeber aber keine Entgeltfortzahlung. In ihrem Formulararbeitsvertrag war eine Frist für die Geltendmachung von sämtlichen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis vorgesehen, die die Klägerin verstreichen ließ. Die Klage hatte dennoch in allen Instanzen Erfolg, weil die Gerichte die nicht zwischen ausschließbaren Ansprüchen und dem durch § 9 Satz 3 AEntG besonders geschützten Mindestlohnanspruchs differenzierende Verfallsklausel wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) insgesamt für unwirksam hielten.

Übertragung auf den gesetzlichen Mindestlohn möglich


In Anbetracht der Begründung des BAG lässt sich die Entscheidung unter Umständen auf den gesetzlichen Mindestlohn und damit auf formularmäßige Ausschlussfristen in allen Arbeitsverhältnissen übertragen. In § 3 Satz 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) heißt es zwar - anders als in § 9 Satz 3 AEntG - dass eine Ausschlussfrist nur insoweit unwirksam ist, wie sie den Mindestlohn betrifft. Das BAG hat die Unwirksamkeit im nun entschiedenen Fall allerdings nicht unmittelbar aus den Mindestlohnvorschriften abgeleitet, sondern aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Hinweise für die Praxis

Aufgrund der Unsicherheit, die das BAG-Urteil mit sich bringt, ist es in allen Branchen zu empfehlen, Ansprüche, die nicht ausgeschlossen werden können, von Ausschlussfristen ausdrücklich auszunehmen. Das betrifft beim Mindestlohn insbesondere Ansprüche aufgrund von Körperverletzungen sowie Ansprüche infolge von vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen, die dem Arbeitgeber zugerechnet werden können.

Verfallsklauseln in Arbeitsverträgen, die vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes bzw. vor der Einführung des jeweiligen Branchenmindestlohns abgeschlossen wurden, bleiben jedoch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit für andere Ansprüche durch die Entscheidung unberührt. Sie müssen nicht nachträglich angepasst werden. Auch tarifliche Ausschlussfristen sind von dem Urteil nicht betroffen, weil sie sich nicht am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen messen lassen müssen.

24.08.2016
Sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis nach Heimarbeit

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 24. August 2016 - Az.: 7 AZR 342/14

Das Bundearbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 24. August 2016 entschieden, dass ein Arbeitsverhältnis ohne sachlichen Grund für die Dauer von zwei Jahren befristet werden kann, wenn zwischen den Parteien zuvor ein Heimarbeitsverhältnis im Sinne des Heimarbeitsgesetzes (HAG) bestanden hat..

Gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes für diese Befristung nur zulässig, wenn innerhalb der letzten drei Jahre kein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitnehmer vereinbart war. Anderenfalls kommt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande. Ein Heimarbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 HAG ist dabei kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Teilzeit- und Befristungsgesetzes.

Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die vom 15. Juni 2009 bis zum 31. August 2010 für das beklagte Unternehmen als Heimarbeiterin tätig war. Sie wendete sich gegen die Befristung ihres sich unmittelbar anschließenden Arbeitsverhältnisses mit demselben Unternehmen bis zum 31. August 2012. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Heimarbeit nicht mit Arbeitnehmertätigkeit im Homeoffice verwechseln!


Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zu begrüßen. Sie verdeutlicht, dass es sich bei echten Heimarbeitern im Sinne von § 2 Abs. 1 HAG nicht um Arbeitnehmer, sondern um Selbstständige handelt, die in selbst gewählter Arbeitsstätte allein oder mit ihren Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden erwerbsmäßig arbeiten und die Arbeitsergebnisse den Gewerbetreibenden überlassen. Diese Personen sind nur punktuell den Arbeitnehmern gleichgestellt - beispielsweise im Betriebsverfassungsrecht.

Heimarbeiter dürfen nicht mit Arbeitnehmern im Homeoffice verwechselt werden, die trotz ihrer räumlich vom Betrieb getrennten Arbeitsstätte den Weisungen des Arbeitgebers unterliegen und somit in die Betriebsabläufe integriert sind. Für im Homeoffice tätige Arbeitnehmer gelten das Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG und alle anderen Arbeitnehmerrechte.

14.06.2016
BAG: Selbständiges Programmieren kann Heimarbeit sein

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. Juni 2016 - Az.: 9 AZR 305/15

Am 14. Juni 2016 hat das Bundesarbeitsgericht über den Anwendungsbereich des Heimarbeitsgesetzes (HAG) entschieden. Durch das HAG können eigentlich selbständig Tätigen unter bestimmten Umständen arbeitnehmerähnliche Rechte zustehen. Das BAG hat nun entscheiden, dass auch Tätigkeiten mit einer höherwertigen Qualifikation, wie z. B. Programmiertätigkeiten, unter das HAG fallen können, statt - wie bisher angenommen - nur gewerbliche Tätigkeiten. Das Urteil kann erhebliche Auswirkungen auf die Auftragsvergabe an eigentlich Selbständige haben, unter Umständen auch im Rahmen von Crowd- und Clickwork.

Sachverhalt und Urteilsgründe

Vor dem BAG ging es um einen Bauingenieur und Programmierer, der ursprünglich von 1989 bis 1992 als Arbeitnehmer bei einem Unternehmen mit der Pflege und der Weiterentwicklung der von diesem vertriebenen Statik-Software befasst war. Ab 1992 übernahm er nach einem Umzug als Selbständiger Programmieraufträge von dem Unternehmen, die er von zu Hause aus erledigte. Das Bundesarbeitsgericht hat nun festgestellt, dass in dieser Konstellation zwar kein Arbeitsverhältnis vorlag, aber ein Heimarbeitsverhältnis im Sinne des HAG, denn der Programmierer habe in selbstgewählter Arbeitsstätte gearbeitet und die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem Unternehmen überlassen. Dabei sei es unerheblich, dass die Programmiertätigkeiten eine höherwertige Qualifikation erfordere, weil grundsätzlich alle Tätigkeiten vom HAG erfasst seien.

Voraussetzungen für das HAG

Grundsätzlich müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein, damit das Heimarbeitsgesetz Anwendung findet:

  • Der Heimarbeiter muss selbständig sein. Auf Personen, die ohnehin schon Arbeitnehmer sind, findet das HAG keine Anwendung.
  • Der Auftragnehmer muss einer selbstgewählten Arbeitsstätte tätig sein. DAs kann die eigene Wohnung sein, aber auch eine eigene Betriebsstätte. Daher kann gegebenenfalls auch ein Selbständiger, der von eigenen Büroräumen aus tätig wird, als Heimarbeiter einzuordnen sein.
  • Die Tätigkeit muss erwerbsmäßig erfolgen.
  • Die Tätigkeit muss auf eine gewissen Dauer angelegt sein und soll zum Lebensunterhalt beitragen. Unerheblich ist allerdings der zeitliche Umfang der Tätigkeit, die Höhe des Verdienstes und ob der Lebensunterhalt überwiegend mit Heimarbeit verdient wird.
  • Der Heimarbeiter muss dem Unternehmen die Verwertung seiner Arbeitsergebnisse überlassen. Der Begriff Arbeitsergebnisse ist sehr offen gefasst und dürfte sowohl Werk- als auch Dienstleistungen umfassen.
  • Das wirtschaftliche Risiko der Verwertung der Arbeitsergebnisse muss beim Auftragnehmer liegen, sonst liegt keine Heimarbeit vor.
  • Heimarbeit liegt auch nicht vor, wenn der Selbständige für den allgemeinen Absatzmarkt tätig ist. Ab wann bwz. ab wie vielen Abnehmern des Selbständigen das er Fall ist, ist allerdings offen. Crowd- und Clickworker, die tatsächlich für sehr viele Auftraggeber tätig sind, dürften daher nicht erfasst sein. Für den einzelnen Auftraggeber könnte es aber schwer sein zu erkenne, für wie viele andere Auftraggeber der Auftragnehmer noch tätig ist.
  • Auch wenn der Auftragnehmer Roh- und Hilfsstoffe selbst besorgt, kann Heimarbeit vorliegen.
  • Für die Frage der Heimarbeit ist es außerdem unerheblich, ob der Auftragnehmer die Möglichkeit hat und nutzt, eigene Gehilfen einzusetzen.


Rechtsfolgen

Ein Heimarbeiter wird nicht zum Arbeitnehmer, sondern bleibt Selbständiger. Allerdings finden viele Vorschriften des Arbeitsrechts entsprechend Anwendung auf das Heimarbeitsverhältnis. Hinzu kommen noch zahlreiche, äußerst bürokratische Vorgaben des HAG selbst.

Fazit

Die gesetzlichen Merkmale der Heimarbeit sind teilweise sehr schwammig und weit gefasst. Es gibt auch kaum Rechtsprechung oder aktuelle Veröffentlichungen, die bei der Konkretisierung der Merkmale hilfreich sein könnten. Daher besteht das Risiko, dass sehr viele Selbständige, die für einen oder einige wenige Auftragnehmer regelmäßig über einen gewissen Zeitraum hinweg tätig sind, in den Anwendungsbereich des Heimarbeitsgesetzes fallen könnten. Das sollte bei der Vergabe von Aufträgen an Selbständige berücksichtigt werden.

20.04.2016
Kein separater Internetzugang für den Betriebsrat

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. April 2016 - Az.: 7 ABR 50/14

Das Bundearbeitsgericht hat entschieden, dass der Betriebsrat keinen Anspruch auf einen von seinem Netzwerk getrennten Internetzugang hat. Auch einen vom Anschluss des Arbeitgebers unabhängigen Telefonanschluss kann die Arbeitnehmervertretung nicht verlangen.

Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat laut § 40 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) grundsätzlich die für die Betriebsratstätigkeit erforderliche Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung stellen. Dazu gehören in der Regel auch ein Internetzugang und ein Telefonanschluss, sofern keine berechtigten Belange des Arbeitgebers entgegenstehen. Der Betriebsrat hat jedoch kein Recht darauf, dass diese Systeme unabhängig von denen des Arbeitgebers sind. Allein die abstrakte Gefahr der Kontrolle durch die Arbeitgeberseite ändert daran nichts.

Der Antrag des Betriebsrats auf separate Informations- und Kommunikationstechnik blieb deshalb in allen Instanzen erfolglos.

14.01.2016
Kündigung wegen privaten Surfens am Arbeitsplatz

Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg vom 14. Januar 2016 - Az.: 5 Sa 657/15

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit seinem o.g. Urteil entschieden, dass Arbeitgeber den Browserverlauf auswerten dürfen, um den übermäßigen privaten Gebrauch eines Dienstrechners nachzuweisen.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung einen Dienstrechner überlassen, eine private Nutzung des Internets war dem Arbeitnehmer jedoch allenfalls in Ausnahmefällen während der Arbeitspausen gestattet. Nachdem Hinweise auf eine erhebliche private Nutzung des Internets vorlagen, wertete der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Arbeitnehmers den Browserverlauf des Dienstrechners aus. Er kündigte anschließend das Arbeitsverhältnis wegen der festgestellten Privatnutzung von insgesamt ca. fünf Tagen in einem Zeitraum von 30 Arbeitstagen aus wichtigem Grund.

Entscheidung

Das LAG hat die außerordentliche Kündigung für rechtswirksam gehalten. Die unerlaubte Nutzung des Internets rechtfertige nach Abwägung der beiderseitigen Interessen eine sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Hinsichtlich des Browserverlaufs liege ein Beweisverwertungsverbot zu Lasten des Arbeitgebers nicht vor.

Zwar handele es sich um personenbezogene Daten, in deren Kontrolle der Arbeitnehmer nicht eingewilligt habe. Eine Verwertung der Daten sei jedoch statthaft, weil das Bundesdatenschutzgesetz eine Speicherung und Auswertung des Browserverlaufs zur Missbrauchskontrolle auch ohne eine derartige Einwilligung erlaube und der Arbeitgeber im vorliegenden Fall keine Möglichkeit gehabt habe, mit anderen Mitteln den Umfang der unerlaubten Internetnutzung nachzuweisen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.


09.12.2015
Gesetzlicher Nachtarbeitszuschlag in der Regel zwischen 25 Prozent und 30 Prozent

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 09. Dezember 2015

Bestehen keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen, haben Nachtarbeitnehmer nach § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 09. Dezember 2015 entschieden, dass dabei regelmäßig ein Zuschlag in Höhe von 25 Prozent auf den Bruttostundenlohn bzw. die entsprechende Anzahl freier Tage für die zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleisteten Nachtarbeitsstunden angemessen ist. Bei Dauernachtarbeit erhöht sich dieser Anspruch regelmäßig auf 30 Prozent.

Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten als Lkw-Fahrer im Paketlinientransportdienst tätig. Die Arbeitszeit beginnt in der Regel um 20.00 Uhr und endet unter Einschluss von Pausenzeiten um 6.00 Uhr. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden. Sie zahlte an den Kläger für die Zeit zwischen 21.00 Und 6.00 Uhr einen Nachtzuschlag auf seinen Stundenlohn in Höhe von zunächst etwa 11 Prozent. Später hob sie diesen Zuschlag schrittweise auf zuletzt 20 Prozent an. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 Prozent vom Stundenlohn zu zahlen oder einen Freizeitausgleich von zwei Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtarbeitsstunden zu gewähren.

Entscheidungsgründe

Die Urteilsbegründung wurde noch nicht veröffentlicht. In der BAG-Pressemitteilung sind aber folgende Erwägungen genannt worden:
Bestehen - wie im Arbeitsverhältnis der Parteien - keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen, haben Nachtarbeitnehmer nach § 6 Abs. 5 ArbZG einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage für die zwischen 23.00 und 6.00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden.

Regelmäßig ist dabei ein Zuschlag in Höhe von 25 Prozent auf den Bruttostundenlohn bzw. die entsprechende Anzahl bezahlter freier Tage angemessen. Eine Reduzierung der Höhe des Nachtarbeitsausgleichs kommt in Betracht, wenn während der Nachtzeit beispielsweise durch Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst eine spürbar geringere Arbeitsbelastung besteht. Besondere Belastungen können zu einem höheren Ausgleichsanspruch führen. Eine erhöhte Belastung liegt nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen bei Dauernachtarbeit vor. In einem solchen Fall erhöht sich der Anspruch regelmäßig auf einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 Prozent bzw. eine entsprechende Anzahl freier Tage.

Keine Auswirkung auf tarifliche Regelungen

Die gesetzlichen Vorgaben zu Zuschlägen oder Zeitausgleich für Nachtarbeit greifen ausdrücklich nur dann, wenn es keine tariflichen Regelungen gibt. Das Urteil des BAG hat also keine Auswirkungen auf tariflich geregelte Zuschläge oder Zeitausgleich für Nachtarbeit. Diese sind auch weiterhin rechtmäßig, selbst wenn sie unter den Vorgaben des BAG liegen sollten.

17.11.2015
Benachteiligung wegen Behinderung bei Sozialplanabfindung

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 17. November 2015 - Az.: 1 AZR 938/13

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 17. November 2015 entschieden, dass eine unmittelbar an das Merkmal der Behinderung knüpfende Bemessung einer Sozialplanabfindung unwirksam ist, wenn sie schwerbehinderte Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern schlechter stellt, die in gleicher Weise wie sie von einem sozialplanpflichtigen Arbeitsplatzverlust betroffen sind.

Sachverhalt

Nach einem von den Betriebsparteien vereinbarten Sozialplan errechnet sich die Abfindung für die Milderung der Nachteile aus einem Arbeitsplatzverlust wegen einer Betriebsänderung individuell nach dem Bruttomonatsentgelt, der Betriebszugehörigkeit und einem Faktor (Formelberechnung). Die hiernach ermittelte Abfindung ist bei vor dem 01. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern, welche nach einem Arbeitslosengeldbezug von längstens zwölf Monaten die vorzeitige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erstmals in Anspruch nehmen können, auf maximal 40.000 Euro begrenzt. Hingegen sind Mitarbeiter, die aufgrund einer Schwerbehinderung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rente beanspruchen können, von der individuellen Abfindungsberechnung ausgenommen. Sie erhalten eine Abfindungspauschale in Höhe von 10.000 Euro sowie einen Zusatzbetrag von 1.000 Euro, der allen schwerbehinderten Arbeitnehmern zusteht.

Entscheidung


Differenziert ein Sozialplan für die Berechnung einer Abfindung zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen, hat ein damit einhergehender Systemwechsel die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu beachten. In der Regelung über den pauschalierten Abfindungsbetrag für Arbeitnehmer, die wegen ihrer Schwerbehinderung rentenberechtigt sind, liegt eine unmittelbar an das Merkmal der Behinderung knüpfende Ungleichbehandlung. Diese benachteiligt behinderte Arbeitnehmer, denen nach einer für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer geltenden Berechnungsformel ein höherer Abfindungsbetrag zustehen würde. Sie darf gemäß § 7 Abs. 2 AGG ihnen gegenüber nicht angewendet werden.

10.11.2015
Betriebsrentenberechnung des Familiengerichts ist für das Arbeitsgericht bindend

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 10. November 2015 - Az.: 3 AZR 813/14

Streiten ein Betriebsrentner und dessen Versorgungsträger vor dem Arbeitsgericht über die Höhe seiner Betriebsrente, dann hat eine eventuell vorangegangene Entscheidung des Familiengerichts, welche im Zuge des Versorgungsausgleichs die Höhe des verbleibenden Anrechts festlegte, Bindungswirkung für das Arbeitsgericht. Denn allein das Familiengericht darf im Versorgungsausgleich die rechtlichen Vorgaben klären. Das Arbeitsgericht ist diesbezüglich gebunden. Einwände gegen die Kapitalwertberechnung wie zum Beispiel geschlechtsbezogene Diskriminierung im familiengerichtlichen Teilungsvorschlag oder falsche Verwendung von Bewertungsfaktoren zur Berechnung des Kapitalwerts müssen vor dem Familiengericht beziehungsweise in dessen Rechtsmittelverfahren vorgebracht werden.

Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages: nachträglicher Ausgleich von übersehenen, vergessenen oder verschwiegenen Anrechten soll ermöglicht werden (Eingabe vom 25.11.2015)

Nach Ansicht des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages lädt die aktuelle Rechtslage zum Rechtsmissbrauch ein, deswegen bestehe Änderungsbedarf bei den Regelungen zum Versorgungsausgleich. Der Ausschuss unterstützt daher die Eingabe der Abgeordneten, nach der es im Versorgungsausgleich ermöglicht werden soll, übersehene, vergessene oder verschwiegene Anrechte auch nach Eintritt der Rechtkraft ausgleichen zu können. Entsprechendes Material wurde dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) überwiesen und den Fraktionen des Bundestages zur Kenntnis gegeben..

Fazit:

Wenn eine entsprechende gesetzliche Umsetzung erfolgt, dann wären Versorgungsträger angehalten, anhängige Versorgungsausgleichsprozesse noch genauer zu verfolgen und gegebenenfalls Rechtsmittel einzulegen, um eine nachträgliche Wiederaufnahme des Vorgangs zu vermeiden.


25.05.2015
Entgeltfortzahlung bei ambulanter Kur nur in Ausnahmefällen

Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 25. Mai 2015 - Az.: 5 AZR 298/15

Das Bundearbeitsgericht hat entschieden, dass der Arbeitgeber den Lohn während eines Kuraufenthalts des Arbeitnehmers gemäß § 9 Entgeltfortzahlungsgesetz nur dann weiterzahlen muss, wenn die Kur in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung im Sinne von § 107 Absatz 2 Sozialgesetzbuch V erfolgt. Um solche Einrichtungen handelt es sich insbesondere, wenn diese fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung darauf eingerichtet sind, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan zu verbessern.

Erfolglose Klage auf Nichtanrechnung der Kur auf den Urlaub


Geklagt hatte eine Köchin, die sich in einem Kur- und Wellnesscenter auf der Insel Langeoog hatte behandeln lassen. das die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt. Sie wollte geltend machen, dass der Zeitraum des Kuraufenthalts, für den sie Urlaub beantragt hatte, nicht auf den Urlaub angerechnet wird.

Die Anrechnung ist gemäß § 10 Bundesurlaubsgesetz aber nur ausgeschlossen, wenn während der Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht.

15.04.2015
Pensionszusage im Rahmen eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses

Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15.. April 2015 (VIII R 49/12 und VIII R 50/12)

In den beiden zugrunde liegenden Urteilen hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass für die Verpflichtung aus der Pensionszusage des Betriebsinhabers gegenüber seiner Ehefrau keine Pensionsrückstellungen gebildet werden dürfen.

Sachverhalt

Der Kläger betrieb eine Arztpraxis, in der seine Ehefrau als nichtselbständige Mitarbeiterin beschäftigt war. Er hatte ihr in schriftlicher Form eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche unmittelbare Versorgungszusage gewährt. Die Höhe der Zusage lag deutlich über dem Bruttolohn der Ehefrau. Eine Rückdeckungsversicherung wurde zur Finanzierung der Zusage nicht abgeschlossen. Andere Arbeitnehmer in der Praxis erhielten keine Versorgung.

Warum ist die Versorgungszusage steuerlich nicht anerkannt worden?

Neben den Voraussetzungen im Einkommensteuerrecht für die Bildung von Pensionsrückstellungen muss mit Rücksicht auf die persönlichen Beziehungen des Klägers als Ehegatten die Versorgungszusage darüber hinaus ernsthaft gewollt und dem Grunde sowie der Höhe nach betrieblich veranlasst sein.

Was charakterisiert eine ernstlich gewollte Versorgungszusage?

Die eingegangene Verpflichtung ist vom Arbeitgeber- Ehegatten nur dann ernsthaft gewollt, wenn er gemäß dieser Verpflichtung auch tatsächlich in Anspruch genommen wird. Beim Durchführungsweg der Direktzusage stellt eine Rückdeckungsversicherung sicher ein Indiz für die Ernsthaftigkeit dar. Umgekehrt führt aber allein das Fehlen einer solchen Versicherung nicht zur steuerlichen Aberkennung der Zusage.

Wann ist eine betriebliche Veranlassung gegeben?


Hier ist in erster Linie ein Fremdvergleich von Bedeutung. Betrieblich veranlasst ist eine Pensionszusage im Rahmen eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses nur dann, wenn und soweit mit hoher Wahrscheinlichkeit eine vergleichbare Zusage auch einem familienfremden Arbeitnehmer im Betrieb erteilt worden wäre (so die ständige BFH-Rechtsprechung).
In dem zugrunde liegenden Fällen konnte er Kläger nicht nachweisen, dass er anderen Angestellten mit vergleichbaren Tätigkeits- und Leistungsmerkmalen wie der Ehegattin eine Versorgungszusage gewährt hat.

Ferner hat das Gericht die fehlende betriebliche Veranlassung auch daraus abgeleitet, dass die der Ehegattin erteilte Zusage deutlich über deren Bruttoarbeitslohn lag und mit einem fremden Dritten so nicht vereinbart worden wäre. Gleiches galt aufgrund des Gesamtbildes hinsichtlich der fehlenden Absicherung der Pensionsansprüche durch den Abschluss einer Rückdeckungsversicherung.

Im Ergebnis waren daher die für die Verpflichtung gebildeten Pensionsrückstellungen aufzulösen.

Fazit:

Grundsätzlich ist es schon möglich, dass Betriebsinhaber ihren mitarbeitenden Ehegatten eine betriebliche Altersversorgung einrichten. Unter steuerlichen Gesichtspunkten ist allerdings darauf zu achten, dass die oben vom BFH angesprochenen Kriterien auch eingehalten werden. Bei einem Einzelunternehmen oder bei einem Freiberufler kommt noch hinzu, dass diese beispielsweise keine Witwen-/Witwerversorgung zusagen dürfen.

13.01.2015
BAG zur Abänderbarkeit von Geamtzusagen

Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. Januar 2015 - Az.: 3 AZR 897/12 und vom 10. März 2015 - Az.: 3 AZR 56/14

Viele mittelgroße und kleinere Arbeitgeber, bei denen kein Betriebsrat existiert, bieten ihren Mitarbeitern eine betriebliche Altersversorgung mittels Regelungen an, welche sie, für eine Vielzahl von potentiellen Versorgungsberechtigten, einseitig erlassen haben. Diese Regelungen werden z. B. am "schwarzen Brett" ausgehängt oder in eine Sammlung von allgemeinen Arbeitsbestimmungen aufgenommen und so den Mitarbeitern bekannt gemacht. Sie werden meist als Richtlinie oder Versorgungsordnung bezeichnet.

In rechtlicher Hinsicht sind solche Regelungen eine "Gesamtzusage" und haben, anders als eine mit einem Vertragspartner ausgehandelte (kollektive) Regelung, wie eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag, individualrechtlichen Charakter.

Individuelle Vereinbarungen können grundsätzlich nur einvernehmlich geändert werden. Die Rechtsprechung hatte aber schon in der Vergangenheit erkannt, dass Gesamtzusagen auch kollektive Bezüge aufweisen und deshalb deren Abänderung erleichtert. Eine Abänderung durch eine ablösende Betriebsvereinbarung war z. B. möglich, wenn der Arbeitgeber die Abänderung nicht mit Einsparungen verknüpfte, also der Dotierungsrahmen gewahrt wurde, oder die Regelung ausdrücklich betriebsvereinbarungsoffen gestaltet war.

Durch aktuelle Urteile hat das BAG neue Möglichkeiten zur Abänderung geschaffen


In dem Urteil vom 13.01.2015 stellt das Gericht fest, dass eine als Gesamtzusage erteilte Versorgungszusage regelmäßig als dynamisch zu verstehen sei. Der Arbeitgeber, der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Wege einer Gesamtzusage verspricht, wolle diese Leistungen nach einheitlichen Regeln, d.h. als System erbringen. Ein solches System dürfe nicht erstarren. Der Arbeitgeber sage daher mit einer Gesamtzusage im Regelfall nur eine Versorgung nach den jeweils bei ihm geltenden Versorgungsregeln zu. Nur so werde eine einheitliche Anwendung der Versorgungsordnung auf die von ihr erfassten Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger des Arbeitgebers sichergestellt. Soll sich die Versorgung dagegen ausschließlich nach den bei Erteilung der Gesamtzusage geltenden Versorgungsbedingungen richten, müsse dies der Arbeitgeber in der Gesamtzusage deutlich zum Ausdruck bringen.

Im Urteil vom 10.03.2015 setzt das Gericht diese Linie fort und wiederholt dabei die gefundenen Grundsätze. Aus der Langfristigkeit der geschaffenen Regelungen ergebe sich, erkennbar für den Versorgungsberechtigten, zugleich der mögliche künftige Änderungsbedarf.

Fazit: Mit den Urteilen schlägt das BAG eine neue Richtung ein. Die neuen Grundsätze haben besonders auf solche Gesamtzusagen Auswirkung, bei denen die Betriebsvereinbarungsoffenheit nicht bereits erwähnt worden ist.

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